Leitsatz (amtlich)
a) In einem Anlageprospekt ist auf bankrechtliche Bedenken gegen eine bestimmte Anlageform hinzuweisen, wenn mit der Verwirklichung der daraus folgenden Bedenken ernsthaft zu rechnen ist und diese Risiken jedenfalls nicht nur ganz entfernt liegen.
b) Eine Kündigung einer Gesellschaft, die nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft als wirksam gilt, ist aus diesem Gesichtspunkt nur dann wirksam, wenn sich der Kündigende - zumindest auch - auf den Mangel des Gesellschaftsvertrages stützt.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 3, 1, §§ 282, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2, §§ 723, 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1; KWG § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1; HGB § 234 Abs. 1
Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 26.03.2012; Aktenzeichen 2 U 16/09) |
LG Berlin (Entscheidung vom 18.12.2008; Aktenzeichen 5 O 140/08) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 2. Zivilsenats des KG vom 26.3.2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Hilfsantrag abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger beteiligte sich gemäß Beitrittserklärung vom 10.1.2003 als stiller Gesellschafter an der beklagten GmbH & Co. KG. Als Einlage zahlte er 10.000 EUR. Den Beitrittsantrag hatte für die Beklagte, vertreten durch ihre Komplementärin, einer von deren zwei Geschäftsführern angenommen. Dieser Geschäftsführer war nicht einzelvertretungsberechtigt. Nach dem Gesellschaftsvertrag ist das Auseinandersetzungsguthaben der stillen Gesellschafter nach ihrem Ausscheiden mit 5 % zu verzinsen und in vier Raten innerhalb von zwei Jahren auszuzahlen.
Rz. 2
Mit Anwaltsschreiben vom 24.10.2006 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm die Höhe seiner Gewinnanteile mitzuteilen, verschiedene Bilanzen und Steuererklärungen vorzulegen und weitere Auskünfte zu erteilen. Als die Beklagte nicht antwortete, erklärte der Kläger mit Schreiben vom 20.12.2006 die Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses aus wichtigem Grund zum 31.12.2006.
Rz. 3
Mit der Klage verlangt der Kläger die Rückzahlung seiner Einlage i.H.v. 10.000 EUR und Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten i.H.v. 775,64 EUR, im zweiten Rechtszug hilfsweise die Verurteilung der Beklagten, eine Auseinandersetzungsbilanz zum 31.12.2006 aufzustellen. Das LG hat der Klage stattgegeben, das KG hat sie abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
Rz. 4
Über die Revision des Klägers ist, da die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung im Revisionsverhandlungstermin nicht vertreten war, durch Versäumnisurteil zu entscheiden, das aber inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer sachlichen Prüfung des Antrags beruht (BGH, Urt. v. 4.4.1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79 [81]).
Rz. 5
Die Revision hat hinsichtlich des Hauptantrags keinen Erfolg. Insoweit hat das Berufungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Hinsichtlich des Hilfsantrags ist das Berufungsurteil dagegen aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Rz. 6
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 7
Dem Kläger stehe kein Schadensersatzanspruch zu. Er sei nicht fehlerhaft über die Risiken der Anlage aufgeklärt worden. Zwar sei ein Anleger auf eine naheliegende Möglichkeit, dass die Anlage gegen Bestimmungen des Kreditwesengesetzes verstoßen könnte, hinzuweisen. Hier sei aber entgegen der Auffassung des LG ein Einschreiten der Aufsichtsbehörde wegen eines erlaubnispflichtigen Bankgeschäfts fernliegend. Die im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Form der Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens stelle eine übliche gesellschaftliche Abwicklung des Ausscheidens eines Gesellschafters dar. Insbesondere sei der Fall nicht vergleichbar mit den sog. Pensions-Sparplänen und der "SecuRente".
Rz. 8
Auch aus § 812 BGB sei die Klage nicht begründet. Dabei könne offenbleiben, ob der zweite Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten dem Abschluss des stillen Gesellschaftsvertrages zugestimmt habe. Denn jedenfalls sei die Gesellschaft nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft entstanden. Die Gesellschaft sei durch Zahlung der Einlage und Leistung einer Ausschüttung in Vollzug gesetzt worden.
Rz. 9
Auch der Hilfsantrag sei unbegründet. Es fehle ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung. Dass die Beklagte auf das Schreiben vom 24.10.2006 nicht reagiert habe, reiche dafür nicht aus.
Rz. 10
II. Diese Ausführungen halten hinsichtlich des Hauptantrags revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
Rz. 11
1. Der Kläger hat keinen Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Aufklärung über das Anlagemodell nach §§ 280 Abs. 1, 3, 282, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB.
Rz. 12
Das Berufungsgericht hat richtig gesehen, dass ein Anleger über bankrechtliche Bedenken gegen eine bestimmte Anlageform grundsätzlich aufgeklärt werden muss. Denn er hat ein berechtigtes Interesse zu wissen, ob das Anlagemodell rechtlich abgesichert ist oder ob mit bankaufsichtsrechtlichen Maßnahmen und damit verbundenen Prozessrisiken zu rechnen ist (BGH, Urt. v. 21.3.2005 - II ZR 149/03, ZIP 2005, 763 [765]; Urt. v. 1.12.2011 - III ZR 56/11, ZIP 2012, 135 Rz. 15). Zutreffend hat das Berufungsgericht weiter angenommen, dass dieser Grundsatz nicht unbegrenzt gilt. Nicht über jedes Risiko muss aufgeklärt werden, sondern nur über solche Risiken, mit deren Verwirklichung ernsthaft zu rechnen ist oder die jedenfalls nicht nur ganz entfernt liegen.
Rz. 13
Eine solche Aufklärungspflicht hat der Senat in den Entscheidungen zum "Pensions-Sparplan" und zur "SecuRente" angenommen (BGH, Urt. v. 21.3.2005 - II ZR 149/03, ZIP 2005, 763 [765]; Urt. v. 26.9.2005 - II ZR 314/03, ZIP 2005, 2060 [2064]). Dort war durch eine Änderung des § 1 KWG zweifelhaft geworden, ob ein teilweises Stehenlassen des Auseinandersetzungsguthabens eines stillen Gesellschafters über eine Laufzeit von 10 bis 40 Jahren mit dem Ziel, dass dem Gesellschafter in dieser Zeit eine monatliche Rente zu zahlen war, dazu führte, dass der Vertrag als Bankgeschäft anzusehen war. Dazu fehlte der dortigen Beklagten die erforderliche bankaufsichtsrechtliche Genehmigung nach § 32 KWG. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG in der seit dem 1.1.1998 geltenden Fassung ist die Annahme fremder Gelder als Einlagen oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums ein Bankgeschäft, sofern der Rückzahlungsanspruch nicht in Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen verbrieft wird, ohne Rücksicht darauf, ob Zinsen vergütet werden (Einlagengeschäft). Das damals zuständige Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen hatte angenommen, diese Definition treffe auf ein Anlagemodell zu, bei dem das Auseinandersetzungsguthaben in Form einer monatlichen Rente auszuzahlen ist. Das Amt hatte von der damaligen Beklagten verlangt, das Guthaben in einer Summe auszuzahlen (BGH, Urt. v. 21.3.2005 - II ZR 149/03, ZIP 2005, 763).
Rz. 14
Das ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Grundsätzlich ist die Hereinnahme von Gesellschafter-Einlagen, auch solcher der stillen Gesellschafter, kein Einlagengeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG (vgl. BGH, Urt. v. 15.3.1984 - III ZR 15/83, BGHZ 90, 310 [313 f.]; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 4. Aufl., § 1 Rz. 40; Sosnitza, NZG 2000, S. 87 f.; s. auch BGH, Urt. v. 23.3.2010 - VI ZR 57/09, ZIP 2010, 1122 Rz. 17). Vermögenseinlagen stiller Gesellschafter, die am laufenden Verlust des kapitalnehmenden Unternehmens teilnehmen, erfüllen als nur bedingt rückzahlbare Ansprüche die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG nicht (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zu § 1 Satz 2 Nr. 1 KWG, BR- Drucks. 963/96, S. 62 f.; Blaurock, Handbuch der stillen Gesellschaft, 6. Aufl., Rz. 19.84; Singhof in Singhof/Seiler/Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, 2004, Rz. 336; K. Schmidt in MünchKomm/HGB, 3. Aufl., § 230 Rz. 88; Bornemann, ZHR 166 [2002], 211, 225 ff. m.w.N.). Bei der Gesellschafter-Einlage steht die Bildung einer Zweckgemeinschaft im Vordergrund. Dementsprechend nimmt der stille Gesellschafter regelmäßig - und so auch hier - nicht nur am Gewinn, sondern auch am Verlust teil. Wird die Gesellschaft aufgelöst, hat er keinen Anspruch auf eine Rente zum Zweck der Altersversorgung. Das Auseinandersetzungsguthaben ist vielmehr unter Berücksichtigung der Verlustanteile zu berechnen. Dass es nach der hier vorliegenden gesellschaftsvertraglichen Regelung in vier Raten über zwei Jahre auszuzahlen ist, hat lediglich den Zweck, die Liquidität des Handelsunternehmens zu erhalten. Derartige Regelungen sind im Gesellschaftsrecht üblich. Dass sie eine bankrechtliche Erlaubnis voraussetzen, vertritt soweit ersichtlich weder die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) noch die Rechtsprechung - abgesehen vom LG im vorliegenden Fall. Im Gegenteil hat der Senat ausgesprochen, dass kein Bankgeschäft vorliegt, wenn das Auseinandersetzungsguthaben wegen eines Liquiditätsengpasses nur verzögert ausgezahlt werden kann (BGH, Urt. v. 8.5.2006 - II ZR 123/05, ZIP 2006, 1201 Rz. 16). Gleiches gilt, wenn zur Vermeidung eines Liquiditätsengpasses von vornherein eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen wird.
Rz. 15
2. Auch ein Anspruch auf Rückzahlung der Einlage nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB besteht nicht.
Rz. 16
Dabei konnte das Berufungsgericht offenlassen, ob der zweite Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten dem Vertragsschluss zugestimmt hat, was bei einem nicht einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer an sich erforderlich ist. Denn die Gesellschaft ist jedenfalls nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft als wirksam zu behandeln.
Rz. 17
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft auch auf typische oder atypische stille Gesellschaften anwendbar (BGH, Urt. v. 21.3.2005 - II ZR 140/03, ZIP 2005, 753 [755]; Urt. v. 26.9.2005 - II ZR 314/03, ZIP 2005, 2060 [2062]). Damit gilt die Gesellschaft als wirksam zustande gekommen, wenn sie trotz Wirksamkeitsmängeln beim Vertragsschluss in Vollzug gesetzt worden ist und kein Ausnahmefall vorliegt, in dem die Grundsätze nicht anwendbar sind, wie etwa bei einem Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten (vgl. BGH, Urt. v. 20.3.1986 - II ZR 75/85, BGHZ 97, 243 [250]; Urt. v. 16.5.1988 - II ZR 316/87, NJW-RR 1988, 1379; Urt. v. 21.3.2005 - II ZR 149/03, ZIP 2005, 763 [764]). Für den Vollzug der Gesellschaft genügt bereits die Zahlung der Einlage (BGH, Urt. v. 29.11.2004 - II ZR 6/03, ZIP 2005, 254 [255]).
Rz. 18
Danach ist die Gesellschaft hier als wirksam zu behandeln. Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft sind bei einem Vertretungsmangel anwendbar. Die Gesellschaft ist auch in Vollzug gesetzt worden. Denn der Kläger hat seine Einlage geleistet. Im Übrigen hat er - wenn auch geringe - Ausschüttungen erhalten.
Rz. 19
III. Der Hilfsantrag, eine Auseinandersetzungsbilanz zu erstellen, kann dagegen mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht abgewiesen werden.
Rz. 20
Ein derartiger Anspruch setzt voraus, dass der Kläger die Gesellschaft wirksam gekündigt hat.
Rz. 21
1. Das Berufungsgericht hat allerdings ohne Rechtsfehler festgestellt, dass die vom Kläger ausgesprochene Kündigung aus wichtigem Grund nicht schon deshalb gerechtfertigt ist, weil die Beklagte auf die einmalige Aufforderung durch die Anwälte des Klägers die gewünschten Auskünfte nicht erteilt und die angeforderten Unterlagen nicht herausgegeben hat. Dagegen bringt die Revision auch nichts vor.
Rz. 22
2. Die Kündigung des Klägers kann aber, worauf die Revision zu Recht hinweist, nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft begründet sein.
Rz. 23
Wenn der nicht alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer P. das Beteiligungsangebot des Klägers ohne Zustimmung des zweiten Geschäftsführers H. angenommen hat - wie der Kläger behauptet hat und was daher im Revisionsverfahren als wahr zu unterstellen ist -, ist der stille Gesellschaftsvertrag nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft - wie bereits dargelegt - als wirksam zu behandeln. Jeder Vertragsteil hat dann das Recht, den Vertrag unter Berufung auf den Vertragsmangel durch sofort wirksame Kündigung nach § 234 Abs. 1 HGB, § 723 BGB zu beenden mit der Folge, dass der stille Gesellschafter ggf. einen nach den gesellschaftsrechtlichen Regeln zu berechnenden Abfindungsanspruch hat (BGH, Urt. v. 29.11.2004 - II ZR 6/03, ZIP 2005, 254 [255]; Urt. v. 21.7.2003 - II ZR 387/02, BGHZ 156, 46 [52 f.]) und dazu auch die Erstellung einer Auseinandersetzungsbilanz verlangen kann. Dabei muss die fristlose Kündigung - zumindest auch - auf den Vertragsmangel gestützt werden. Der Gesellschafter muss den Fehler "geltend machen" (vgl. BGH, Urt. v. 27.6.2000 - XI ZR 174/99, ZIP 2000, 1430 [1432]; H.P. Westermann, ZIP 2002, 240 [243]; ebenso für die BGB-Gesellschaft Ulmer in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 705 Rz. 345).
Rz. 24
Dazu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Das kann der Senat nicht nachholen, weil es dabei um eine dem Tatrichter vorbehaltene Würdigung des Verhaltens des Klägers geht. Es ist zu prüfen, ob der Kläger den Willen zum Ausdruck gebracht hat, das Gesellschaftsverhältnis (auch) wegen des Vertretungsmangels zu beenden.
Rz. 25
3. Der Rechtsstreit ist danach insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.
Rz. 26
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass - sollte sich die außerordentliche Kündigung als unwirksam erweisen - geprüft werden muss, ob die außerordentliche Kündigung in eine (wirksame) ordentliche Kündigung umgedeutet werden kann, nachdem der vom Berufungsgericht als frühester Zeitpunkt für eine ordentliche Kündigung - der 31.12.2012 - mittlerweile abgelaufen ist.
Fundstellen