Leitsatz (amtlich)
›Nimmt eine Bank aufgrund einer Pfandklausel im Girovertrag ein Pfandrecht an einem Guthaben des Kunden in Anspruch, so kommt es für die Anfechtbarkeit der Verpfändung auf den Zeitpunkt an, in dem der Anspruch des Kunden auf Gutschrift entstanden ist.‹
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger ist Verwalter im Verfahren der Gesamtvollstreckung über das Vermögen des Walter F. (im folgenden: Schuldner). Diesem hatte die verklagte Bank seit dem Jahre 1990 unter Zugrundelegung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen Kredit gewährt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten Unter Ziffer 14 folgende Klausel:
" 1. Einigung über das Pfandrecht
Der Kunde und die Bank sind sich darüber einig, daß die Bank ein Pfandrecht an den Wertpapieren und Sachen erwirbt, an denen eine inländische Geschäftsstelle im bankmäßigen Geschäftsverkehr Besitz erlangt hat oder noch erlangen wird. Die Bank erwirbt ein Pfandrecht auch an den Ansprüchen, die dem Kunden gegen die Bank aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung zustehen oder künftig zustehen werden z.B. Kontoguthaben).
2. Gesicherte Ansprüche
Das Pfandrecht dient der Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche, die der Bank mit ihren sämtlichen in- und ausländischen Geschäftsstellen aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung gegen den Kunden zustehen. "
Der Schuldner unterhielt bei der Beklagten außerdem ein Girokonto. Die Guthaben dieses Kontos pfändete im Juni 1994 das Finanzamt wegen Steuerverbindlichkeiten des Schuldners in Höhe von 49.406, 51 DM. Eine weitere Pfändung wurde am 7. Juli 1994 durch die Allgemeine Ortskrankenkasse wegen rückständiger Sozialabgaben in Höhe von 70.111, 82 DM ausgebracht. Auf die Pfändungen wurde nichts bezahlt.
Nachdem mit Schreiben von 6. September 1994 beantragt worden war, daß Gesamtvollstreckungsverfahren zu eröffnen, wurde mit Beschluß vom 23. September 1994 die Sequestration über das Vermögen des Schuldners angeordnet. Zu diesem Zeitpunkt wies das Girokonto ein Guthaben in Höhe von 73.604, 12 DM auf. Später erhöhte es sich auf 79.716, 26 DM. Der zum Sequester bestellte Kläger forderte die Beklagte auf, das Guthaben freizugeben. Die Beklagte lehnte ab und erklärte gleichzeitig die Aufrechnung mit Kreditforderungen, die den Betrag des Guthabens übersteigen. Am 25. Oktober 1994 wurde das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet. Am 27. Oktober 1994 kündigte die Beklagte die Geschäftsverbindung mit dem Schuldner.
Auf Zahlung von 79.716, 26 DM verklagt, hat sich die Beklagte auf die Aufrechnung sowie auf ihr vertragliches Pfandrecht berufen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr insoweit stattgegeben, als nach der Anordnung der Sequestration noch 6.112, 14 DM auf dem Girokonto eingegangen sind; im übrigen hat das Oberlandesgericht die Berufung zurückgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten auch in Höhe des abgewiesenen Teils der Klage.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt insoweit zur Aufhebung und Zurückverweisung.
A. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Aufrechnung durch die Beklagte sei unwirksam. Das ist der Revision günstig und wird vom ihr nicht angegriffen. Auch die Revisionserwiderung nimmt das Berufungsurteil in diesem Punkte hin.
Des weiteren ist das Berufungsgericht der Auffassung, der Beklagten stehe an dem Teil des Kontoguthabens, der vor der Anordnung der Sequestration angesammelt worden sei, gemäß § 1205 BGB in Verbindung mit Ziffer 14 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein Pfandrecht zu. Dieses sei den Kontenpfändungen durch das Finanzamt und die AOK vorgegangen. Die Ausübung des Pfandrechts durch die Beklagte könne nicht gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO angefochten werden. Denn nach dieser Vorschrift seien nur Handlungen des Schuldners anfechtbar, nicht solche eines Gläubigers.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
I. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, wie hoch die Summe der Ansprüche auf Gutschrift (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 14. November 1989 - XI ZR 97/88, WM 1990, 6 m. Anm. v. Häuser, WM 1990, 1184, 1187) und aus Gutschrift war, als der - zulässige - Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens gestellt wurde. Es ist somit möglich - und für das Revisionsverfahren zu unterstellen -, daß die umstrittene Forderung - ganz oder teilweise - aus Deckungsleistungen herrührt, die erst danach bei der Beklagten eingegangen sind. Insoweit hat die Beklagte kein wirksames Pfandrecht an den Forderungen des Schuldners auf sowie aus Gutschriften erworben.
Gemäß § 1274 Abs. 2 BGB kann kein Pfandrecht an einem nicht übertragbaren Recht bestellt werden. Unwirksam ist auch die Verpfändung eines künftigen Rechts, wenn es als nicht übertragbares Recht entsteht (BGHZ 27, 306, 307 f; 77, 274, 276; BGH, Urt. v. 4. Juni 1959 - VII ZR 42/58, WM 1959, 854).
Nicht übertragbar ist ein Recht, das der Pfändung nicht unterworfen ist (§§ 400, 413 BGB). Der Pfändung nicht unterworfen ist ein Recht, sobald über das Vermögen seines Inhabers die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens beantragt ist (§ 2 Abs. 4 GesO). Des Erlasses eines Verfügungs- oder Vollstreckungsverbotes bedarf es nicht (BGHZ 13O, 76, 88 ff; BGH, Urt. v. 21. März 1996 IX ZR 195/95, WM 1996, 834; v. 18. April 1996 IX ZR 88/95, ZIP 1996, 926, 927; v. 18. April 1996 IX ZR 206/95, WM 1996, 1063, 1604).
Zwar wird das Vollstreckungsverbot des § 14 Abs. 1 KO von § 400 BGB nicht erfaßt (BGHZ 125, 116, 120 ff). Für das vollstreckungsrechtliche Verwertungsverbot des § 2 Abs. 4 GesO gilt dies aber nicht. Die Vorschrift des § 14 Abs. 1 KO hat eine begrenzte Aufgabe und Tragweite: Geschützt werden soll das konkursfreie Vermögen des Gemeinschuldners. Demgegenüber dient § 2 Abs. 4 GesO dem im allgemeinen Interesse liegenden Gesichtspunkt des Masseschutzes (BGHZ 13O, 76, 82). Dieser zählt zu den Gründen des allgemeinen Wohles, die eine Unpfändbarkeit im Sinne des § 400 BGB rechtfertigen (BGHZ 125, 116, 121).
II. Soweit die Deckung, die zu dem umstrittenen Kontoguthaben geführt hat, bei der Bank eingegangen ist, bevor die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens beantragt wurde, besteht ein Pfandrecht der Beklagten an den gegen sie gerichteten Forderungen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann aber insofern die vom Kläger erklärte Anfechtung durchgreifen. Ob der Auffassung des Berufungsgerichts zu folgen wäre, Rechtshandlungen des Gläubigers seien nach der Gesamtvollstreckungsordnung nicht anfechtbar (vgl. dazu Fischer, Festschrift für Karlheinz Fuchs 1996, S. 57 ff), kann dabei offenbleiben. Denn im vorliegenden Fall kommt auch die Anfechtung einer Schuldnerhandlung in Betracht.
1. Zu Unrecht sieht das Berufungsgericht die gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung in der Pfandrechtsausübung" durch die Beklagte.
Allerdings wird nur der Pfandgläubiger tätig, wenn er die verpfändete Forderung einzieht (§ 1282 Abs. 1 BGB). Bei einem Pfandrecht "an eigener Schuld" geschieht die Einziehung durch Aneignung bzw. Verrechnung des Geldbetrages. Die Einziehung der verpfändeten Forderung ist jedoch für die Rechtsstellung der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger nicht die entscheidende Beeinträchtigung. Denn dadurch macht der Pfandgläubiger nur von einer zuvor erlangten Rechtsposition Gebrauch (§ 12 Abs. 1 GesO).
2. Übergangen hat das Berufungsgericht - wie die Revision zutreffend rügt - die Anfechtung, soweit diese auf Rechtshandlungen des Schuldners bezogen war.
a) Entgegen der Ansicht der Revision war allerdings "das Unterlassen der Kündigung des Girovertrages durch den Schuldner" keine anfechtbare Rechtshandlung.
Zwar kann ein Unterlassen des Schuldners unter Umständen als Rechtshandlung angesehen werden. Das gilt für die Anfechtung im Konkurs (vgl. Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 29 Rdnr. 6) und in der Gesamtvollstreckung (vgl. Gottwald/Huber, Nachtrag Gesamtvollstreckungsordnung zum Insolvenzrechtshandbuch 1993 Kap. III 7 A Rdnr. 8) gleichermaßen (für das künftige Recht vgl. § 129 Abs. 2 InsO). Unterlassungen sind aber nur dann Rechtshandlungen, wenn sie wissentlich und willentlich geschehen (Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 29 Rdnr. 5 ff; Kuhn/Uhlenbruck, aaO.; Kilger/K. Schmidt KO 16. Aufl. § 29 Rdnr. 8; Gottwald/Huber, Insolvenzrechtshandbuch 1990 § 48 Rdnr. 13). Daß der Schuldner bewußt davon abgesehen habe, den Girovertrag zu kündigen, um der Beklagten die Möglichkeit offenzuhalten, an noch aufzubauenden Guthaben ein Pfandrecht zu erwerben, hat der Kläger nicht behauptet.
b) Aus dem gleichen Grunde verhilft es der Revision nicht zum Erfolg, daß der Kläger außerdem "das Unterlassen des Widerrufs der Ermächtigung der Kunden zu Zahlungen an die Beklagte" (gemeint ist: auf das Konto des Schuldners bei der Beklagten) angefochten hat.
c) Eine anfechtbare Rechtshandlung des Schuldners kann aber die Bestellung des Pfandrechts gewesen sein.
Jede Anfechtung hat ihren Gegenstand und die Tatsachen zu bezeichnen, aus denen die Anfechtungsberechtigung hergeleitet wird. Ein pauschaler Vortrag, der nicht erkennen läßt, welche Rechtshandlung angefochten werden soll, genügt nicht (BGH, Urt. v. 11. Juli 1991 - IX ZR 230/90, WM 1991, 157O, 1573). Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte habe sich "das Pfandrecht auf anfechtbare Art und Weise verschafft". Das umfaßt bei verständiger Würdigung sämtliche Vorgänge, die zur Entstehung des Pfandrechts geführt haben, somit auch das Einverständnis des Schuldners mit der Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Girovertrag.
Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand ist nicht auszuschließen, daß die Rechtshandlung "Bestellung des Pfandrechts" erst nach der Zahlungseinstellung wirksam wurde. Die dingliche Einigung im Sinne der §§ 1205, 1274 BGB, die in der Geltungsvereinbarung über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Abschluß des Girovertrages zu sehen ist (BGH, Urt. v. 9. Juni 1983 - III ZR 105/82, NJW 1983, 2701, 2702), hat zwar mit Sicherheit vorher stattgefunden. Bei mehraktigen, einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmenden Vorgängen kommt es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber auf den Zeitpunkt an, in dem der gläubigerbenachteiligende Rechtserfolg eintritt (BGHZ 55, 105, 111; 99, 274, 284, 286; 113, 393, 394; 121, 179, 188). Das ist, wenn ein Pfandrecht an einer künftig entstehenden Forderung begründet werden soll, mit deren Entstehung der Fall (vgl. BGHZ 88, 205, 206 f, BGH, Urt. v. 16. Mai 1988 II ZR 375/87, ZIP 1988, 1546 f - zur Vorausabtretung). Das Pfandrecht gemäß Nr. 14 Abs. 1 S. 2 AGB-Banken erfaßt sämtliche Ansprüche des Kunden gegen seine Bank, insbesondere solche auf und aus Gutschrift (Gößmann, Bankrecht und Bankpraxis Rdnr. 1/394). Der Anspruch auf Gutschrift ist auf Überführung des eingezahlten oder überwiesenen Betrages in das Vermögen des Empfängers gerichtet; er entsteht, sobald die Empfängerbank selbst den betreffenden Betrag erhalten hat bzw. - bei der innerbetrieblichen Überweisung - bereits mit der Belastungsbuchung auf dem Konto des Auftraggebers (BGH, Urt. v. 14. November 1989 - XI ZR 97/88, WM 1990, 6, 7; Baumbach/Duden/Hopt, HGB 29. Aufl. Bankgeschäfte Rdnr. C/13; Gößmann, Recht des Zahlungsverkehrs 2. Aufl. Rdnr. 90). Der Anspruch auf Gutschrift entsteht mit der Verlautbarung der Gutschrift durch die Bank (Canaris, Bankvertragsrecht 1. Teil 3. Aufl. 1988 Rdnr. 420); auf den Zugang der Gutschriftsanzeige beim Zahlungs-/Überweisungsempfänger und den Zeitpunkt der Wertstellung kommt es nicht an (Canaris, aaO. Rdnr. 419; Baumbach/Duden/Hopt, aaO. Rdnr. C/14). Obwohl es sich bei den Ansprüchen auf und aus Gutschrift um verschiedene Forderungen handelt, ist jedenfalls dann, wenn (wie hier) beide verpfändet sind - die Annahme gerechtfertigt, daß sich das wirksam entstandene Pfandrecht am Anspruch auf Gutschrift nach deren Erteilung in dem Pfandrecht am Anspruch auf Gutschrift fortsetzt (vgl. BGH, Urt. v. 4. Juli 1973 - VIII ZR 59/72, WM 1973, 892, 893; Canaris, aaO. Rdnr. 189).
Nach der Behauptung des Klägers war der Schuldner bereits im Mai oder Juni 1994 zahlungsunfähig. Das soll der Beklagten auch alsbald bekannt geworden sein. Da das Berufungsgericht nichts Gegenteiliges festgestellt hat, ist dieser Vortrag für die Revisionsinstanz zugrunde zu legen. Er ist erheblich. Denn eine nach außen in Erscheinung getretene Zahlungsunfähigkeit ist eine Zahlungseinstellung. Dieser Begriff wird in § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO im selben Sinne verwandt wie in § 30 KO (vgl. dazu BGHZ 118, 171, 174; BGH, Urt. v. 17. April 1986 - IX ZR 54/84, ZIP 1986, 72O, 723, v. 22. November 1990 - IX ZR 103/9O, ZIP 1991, 39, 40; v. 27. April 1995 - IX ZR 147/94, WM 1995, 1113, 1114).
Da die Zahlungseinstellung gerade gegenüber der Beklagten offenbar geworden sein soll, ist auch für das subjektive Tatbestandselement des § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO genügend vorgetragen. Die Anfechtungsfrist des § 10 Abs. 2 GesO ist gewahrt.
B. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 S. 1 ZPO). Dieses wird feststellen müssen, ob die Beträge, aus denen sich die umstrittene Forderung zusammensetzt, ganz oder teilweise eingegangen sind, nachdem der Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens gestellt wurde. Gegebenenfalls berechtigt das vertragliche Pfandrecht der Beklagten auch ohne die Anfechtung nicht zur abgesonderten Befriedigung. Sind die Beträge - ganz oder teilweise - vor dem Eingang des Antrages zu der Beklagten gelangt, kommt es auf die Anfechtung an. Das Berufungsgericht wird hierzu festzustellen haben, ob der Schuldner im Zeitpunkt des Eingangs der jeweiligen Beträge zahlungsunfähig war und ob dies der Beklagten bekannt war oder den Umständen nach bekannt sein mußte.
Fundstellen
Haufe-Index 2993439 |
BB 1997, 436 |
DB 1997, 223 |
NJW-RR 1997, 362 |
KTS 1997, 118 |
WM 1996, 2250 |
ZIP 1996, 2080 |
DtZ 1997, 52 |
MDR 1997, 153 |
RAnB 1997 Nr. 43 (Ls) |
VersR 1997, 625 |
ZBB 1997, 70 |