Leitsatz (amtlich)
a) Der Vorbehalt einer Vertragsstrafe kann auch in eine formularmäßig vorbereitete Abnahmeniederschrift aufgenommen und mit deren Unterzeichnung erklärt werden.
b) Zur Abgabe der Vorbehaltserklärung und zu ihrer Entgegennahme ist im Zweifel jeder zur Durchführung der förmlichen Abnahme bevollmächtigte Vertreter der Vertragspartner befugt.
c) Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Vereinbarung, wonach der Auftragnehmer, wenn er in Verzug gerät, für jeden Werktag der Verspätung eine Vertragsstrafe von 0,1%, höchstens jedoch 10% der Angebotssumme zu zahlen hat, ist wirksam (im Anschluß an Senatsurteil BGHZ 85, 305, 314).
Normenkette
VOB/B § 11 Nr. 4, § 12 Nr. 4; BGB § 341 Abs. 3
Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 04.09.1984) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 4. September 1984 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Beklagten Vertragsstrafe in Höhe von 1.320.220,39 DM versagt und deshalb der Klage stattgegeben sowie die Widerklage in Höhe von 82.519,92 DM nebst Zinsen abgewiesen worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die gesamten Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte beauftragte die Klägerin im März 1974, auf einem von der Royal Air Force genutzten Nato-Flugplatz 27 Schutzbauten für Militärmaschinen, sogenannte „Shelter”, nebst Außenanlagen zu errichten. Die Gesamtauftragssumme betrug 13.202.203,90 DM. In dem Vertrag wurde u.a. die Geltung der VOB/B vereinbart. Als Ausführungsbeginn war der 8. April 1974 vorgesehen, die Bauzeit wurde auf 240 Arbeitstage vereinbart. Nr. 7 der dem Vertrag zugrundegelegten „Besonderen Vertragsbedingungen” lautet:
7. Vertragsstrafen (§ 11)
„Bei Überschreitung von Vertragsfristen hat der Auftragnehmer für jeden Werktag der Verspätung zu zahlen: … Eine Vertragsstrafe in Höhe von 1.v.Tausend je Werktag, höchstens jedoch 10 v.H. der Angebotssumme.”
Gemäß der Vorbemerkung zu den „Besonderen Vertragsbedingungen” bezieht sich der in der „Randüberschrift” erwähnte § 11 auf die VOB/B.
Die von der Klägerin am 19. Februar 1976 vorgelegte Schlußrechnung wurde durch das von der Beklagten beauftragte Ingenieurbüro K. geprüft und auf 13.324.501,53 DM festgesetzt. Die Beklagte hat hierauf Abschlagszahlungen in Höhe von 12.009.000, – DM geleistet.
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin noch der verbleibende Rest von 1.315.501,53 DM sowie Mehrforderungen für zusätzliche Leistungen, Vorhaltekosten und Zinsen zustehen (insgesamt 1.901.408,28 DM) oder ob, wie die Beklagte meint, die Klägerin durch Abschlagszahlungen und im Hinblick auf einen zur Aufrechnung gestellten Vertragsstrafenanspruch bereits überbezahlt und zur Rückerstattung eines Betrages verpflichtet ist, den sie in ihrer Widerklage mit 303.734,23 DM beziffert hat. Hinsichtlich der geltend gemachten Vertragsstrafenforderung hat die Beklagte wegen der – unstreitigen – Überschreitung der vorgesehenen Bauzeit um mindestens 119 Werktage das Höchstmaß der vereinbarten Vertragsstrafe verlangt. Ausgehend von der ursprünglichen („ungeprüften”) Angebotssumme von 13.714.600,03 DM hat sie deshalb in Höhe von 1.371.000,– DM die Aufrechnung gegen die eingeklagte Restwerklohnforderung erklärt.
Die Klägerin meint, die Vertragsstrafenvereinbarung verstoße gegen das AGBG, bzw. die vor dessen Inkrafttreten von der Rechtsprechung aus § 242 BGB entwickelten Grundsätze, weil die Vertragsstrafe bereits bei bloßem Überschreiten der Vertragsfrist und somit gefordert werden könne, ohne daß die Verzugsvoraussetzungen erfüllt sein müßten. Darüberhinaus sei die Vertragsstrafe nicht wirksam vorbehalten worden. Schließlich sei sie auch sachlich nicht berechtigt, weil die Klägerin aus verschiedenen Gründen Verlängerung der Bauzeit hätte verlangen können. Letztlich sei die Geschäftsgrundlage für das Vertragsstrafeversprechen entfallen, da die „Shelter” etwa 1½ Jahre nach Fertigstellung unbenutzt geblieben seien.
Das Landgericht hat mit Teilurteil die Klage in Höhe von 1.864.293,27 DM und die Widerklage in Höhe von 220.956,97 DM, jeweils mit Zinsen, abgewiesen. Dabei hat es einen Vertragsstrafenanspruch in Höhe von 10% der „geprüften” Angebotssumme für begründet erachtet und damit die Aufrechnung der Beklagten in Höhe von 1.320.220,39 DM durchgreifen lassen.
Das Berufungsgericht meint dagegen, die Beklagte habe sich den Vertragsstrafenanspruch bei der Abnahme nicht ordnungsgemäß, insbesondere auch nicht gegenüber dem richtigen Adressaten vorbehalten. Dementsprechend hat es auf die Berufungen beider Parteien die Beklagte – unter Abweisung der Klage in Höhe von 543.815,09 DM – verurteilt, an die Klägerin 1.237.700,47 DM nebst Zinsen zu zahlen, während es die Widerklage voll abgewiesen hat.
Mit ihrer Revision hat die Beklagte zunächst ihren Klageabweisungs- und Widerklageantrag insoweit weiterverfolgt, als ihre Forderung auf Vertragsstrafe in Höhe von 1.371.000, – DM und Zinsansprüche in Höhe von 37.946,23 DM aberkannt worden sind. Der Senat hat durch Beschluß vom 10. April 1986 – unter Nichtannahme im übrigen – das Rechtsmittel nur im Kostenpunkt und insoweit angenommen, als der Beklagten Vertragsstrafe in Höhe von 1.320.220,39 DM versagt und deshalb der Klage stattgegeben sowie die Widerklage in Höhe von 82.519,92 DM nebst Zinsen abgewiesen worden ist. In diesem Umfang hält die Beklagte ihre Revisionsanträge aufrecht, während die Klägerin das Rechtsmittel zurückzuweisen bittet.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hält den Vertragsstrafenanspruch für nicht begründet.
Es geht zwar von einet wirksamen Vertragsstrafenvereinbarung aus, läßt aber offen, ob die Klägerin nicht doch Anspruch auf Bauzeitenverlängerung hatte und ob die Vertragsstrafe wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage möglicherweise nicht mehr in voller Höhe beansprucht werden kann. Jedenfalls habe die Beklagte sich die Vertragsstrafe bei der Abnahme des Bauwerks nicht gemäß § 11 Nr. 4 VOB/B ordnungsgemäß vorbehalten. Für einen wirksamen Vorbehalt genüge es nämlich nicht, ein „allgemeines Formular der Finanzbauverwaltung, das für jedwedes Bauobjekt Verwendung finden konnte”, zu benutzen, bei dem darüberhinaus der Vertragsstrafenvorbehalt auch nicht wenigstens durch „Alternativerklärungen” sprachlich so gefaßt sei, daß er zu Überlegungen zwinge, ob bei dem konkreten Bauobjekt überhaupt die Vertragsstrafe vorbehalten werden sollte oder nicht. Ein konkreter Willensentschluß, zum maßgeblichen Zeitpunkt trotz der nachgeholten Erfüllung auf der Vertragsstrafe zu bestehen, sei der Klägerin gegenüber hier nicht deutlich geworden. Die Ankündigung in der der Abnahme vorausgehenden Korrespondenz, auf die Vertragsstrafe, nicht verzichten zu wollen, bleibe rechtlich bedeutungslos, Eine „genaue und formstrenge Betrachtung des Vorbehalts” sei umso mehr geboten, als lediglich ein Angestellter des von der Beklagten mit der Rechnungsprüfung und Abnahme beauftragten Ingenieurbüros das Formular verwendet habe, nicht aber ein verantwortlicher Vertreter der Beklagten.
Ein weiterer formeller Mangel hafte dem Vertragsstrafenvorbehalt insoweit an, als er nicht dem richtigen Adressaten gegenüber erklärt worden sei. Grundsätzlich müsse der Vorbehalt gegenüber dem Auftragnehmer selbst oder einer leitenden Person seines Betriebs erklärt werden. Die dem Angestellten P. von der Klägerin erteilte Vollmacht, für sie an der Bauabnahme rechtswirksam mitzuwirken, reiche zur wirksamen Entgegennahme des Vorbehalts ebensowenig aus wie die Tatsache, daß der Bauleiter S. im Bauvertrag als bevollmächtigter Vertreter der Klägerin im Sinne von § 4 Nr. 1 Abs. 3 Satz 3 VOB/B bezeichnet worden ist.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings von der Wirksamkeit der Vertragsstrafenvereinbarung aus.
a) Soweit die Klägerin das für unrichtig hält, weil die Begründung einer „verzugsunabhängigen” Vertragsstrafe durch eine Formularvereinbarung gegen Treu und Glauben verstoße (vgl. für den Geltungsbereich des AGBG OLG Düsseldorf, BauR 1985, 327, 329), trifft das nicht den hier zu entscheidenden Fall. Die Revisionserwiderung übersieht nämlich, daß sich der in der „Randüberschrift” zu Nr. 7 des Vertrags erwähnte § 11 nach der Vorbemerkung zu den „Besonderen Vertragsbedingungen” auf die VOB/B bezieht. Damit ist aber klargestellt, daß der folgende Text auf § 11 VOB/B aufbaut und ihn nicht etwa ersetzt. Infolgedessen ist hier – in „Ausfüllung” des § 11 VOB/B – eine Vertragsstrafe für den Fall vereinbart worden, „daß der Auftragnehmer nicht in der vorgesehenen Frist erfüllt”. „Fällig” i. S. § 11 Nr. 2 VOB/B wird diese Vertragsstrafe aber nur, „wenn der Auftragnehmer in Verzug gerät”.
Da die Klägerin dem Vortrag des Beklagten nicht entgegengetreten ist, daß der für die Durchführung verbindliche Netzplan (Vertrag A 15.3) als Endtermin den 2. April 1975 (entsprechend der Vertragsfrist von 240 Tagen) ausgewiesen hat, und gegenteilige Feststellungen des Berufungsgerichts im übrigen fehlen, ist im Revisionsverfahren davon auszugehen, daß die Verzugsvoraussetzungen vorliegen.
b) Bedenken gegen die Wirksamkeit der – vor Inkrafttreten des AGBG getroffenen – Vereinbarung bestehen auch sonst nicht. Insbesondere hält sich der auf 10% der Angebotssumme festgesetzte Höchstbetrag der Vertragsstrafe unter Berücksichtigung der gesetzlichen Zwecke einer derartigen Strafe in einem noch vertretbaren Rahmen (vgl. zur Rechtsprechung des Senats: BGHZ 85, 305, 314).
2. Rechtsfehlerfrei – von der Revision als ihr günstig ebenfalls nicht angegriffen – erachtet das Berufungsgericht für unerheblich, daß die Endabnahme möglicherweise nicht am Tag der Protokollaufstellung (30. September 1975), sondern schon (wie die Beklagte behauptet) wenige Tage vorher (23. September 1975) stattfand. Maßgeblich ist, daß die Parteien eine förmliche Bauabnahme wollten sowie durchführten und daß die jeweilige Abnahmebescheinigung als einvernehmliche Niederschrift des Befundes im Sinne von § 12 Nr. 4 Abs. 1 Satz 3 VOB/B galt. Dabei wurde der enge zeitliche Zusammenhang zwischen Abnahmevorgang und Protokollierung gewahrt (vgl. dazu Senatsurteil vom 29. November 1973 – VII ZR 205/71 = BauR 1974, 206).
3. Fehl geht dagegen die Auffassung des Berufungsgerichts, ein Vertragsstrafenvorbehalt könne allgemein, insbesondere aber auch unter den gegebenen Umständen des vorliegenden Falles wirksam nicht „formularmäßig” erklärt werden.
a) Daß Willenserklärungen grundsätzlich auch unter Verwendung von Formularen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen rechtswirksam abgegeben werden können, ist nichts Besonderes. Dabei ist es – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – regelmäßig nicht erforderlich, daß ein Formularverwender etwa durch vorgesehene „Alternativerklärungen”, von denen der nicht gewollte Teil zu streichen ist, gezwungen werden müßte, sich zwangsläufig Gedanken darüber zu machen, ob eine vorgedruckte Erklärung im konkreten Fall auch wirklich von seinem Willen getragen wird.
b) Dies ist auch bei einem Vertragsstrafenvorbehalt nicht geboten. Sinn und Zweck des Vorbehaltserfordernisses, dem Auftragnehmer/Unternehmer gegenüber klarzustellen, daß der Besteller/Auftraggeber unter dem Eindruck der nachgeholten Erfüllung (BGHZ 33, 236, 238; 85, 305, 311 m.w.N.) sein Recht, die Vertragsstrafe zu fordern, nicht aufgibt, verbieten nicht, diesen Vorbehalt formularmäßig vorzubereiten und zum Ausdruck zu bringen. Maßgeblich ist, daß der Vorbehalt rechtzeitig, d.h. grundsätzlich bei der Abnahme (oder ausnahmsweise bei besonderer Vereinbarung bis zur Schlußzahlung – vgl. Senatsurteil BGHZ 72, 222, 228; 85, 305, 310) erklärt wird, ferner daß er – wie hier – in den Fällen des § 12 Nr. 4 VOB/B in die Niederschrift über die Abnahme aufgenommen wird. Nicht zu beanstanden ist dagegen, daß ein Bauherr, der vermeiden will, daß er sich seines Vertragsstrafenanspruchs wegen versehentlich unterlassenen Vorbehalts begibt, schon vorbereitend Abnahmeerklärungsformulare mit Vertragsstrafenvorbehalt herstellt und dann auch verwendet. Die Verwendung eines derartigen Formulars hindert den Auftraggeber keineswegs daran, den Vorbehalt im Einzelfall zu streichen. Geschieht dies nicht, so ist er wirksam erklärt, ohne daß es weiterer Anhaltspunkte dafür bedürfte, ob der formularmäßige Vertragsstrafenvorbehalt von einem bewußten Erklärungswillen getragen wird und „ob der Vorbehalt überhaupt Gegenstand von Überlegungen gewesen” ist, wie das Berufungsgericht meint.
c) Auch im Schrifttum wird die Wirksamkeit eines formularmäßig vorbereiteten Vertragsstrafenvorbehaltes nicht in Frage gestellt (vgl. z. B. Daub/Piel/Soergel/Steffani, VOB/B, ErlZ 11.18). Mit der Unterschrift, die Teil der Abnahme ist, wenn – wie hier – Baustellenbesichtigung und Festigung der Niederschrift in engem zeitlichen Zusammenhang stehen, erkennt der Unternehmer/Auftragnehmer selbstverständlich die Berechtigung der Vertragsstrafe noch nicht an (Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 5. Aufl., Rdnr. 1445). Er erklärt damit vielmehr lediglich, daß er den Inhalt der Abnahmeniederschrift und damit die Vorbehaltserklärung zur Kenntnis genommen hat. Das gilt auch im vorliegenden Fall, in dem die von den Vertretern beider Parteien unterzeichnete formularmäßige Abnahmebescheinigung übersichtlich gestaltet ist und der Vertragsstrafenvorbehalt jeweils den letzten Satz unmittelbar vor der Orts/Datumsangabe und dem Raum für die Unterschriften bildet.
4. Auch soweit das Berufungsgericht das Erfordernis einer „formstrengen Betrachtung” aus der Tatsache herleitet, daß lediglich ein Angestellter des beauftragten Ingenieurbüros und nicht ein verantwortlicher Vertreter der Beklagten das Formular verwendet hat, hält das den Angriffen der Revision ebensowenig stand wie seine Ausführungen zu der Frage, ob der Vorbehalt dem richtigen Adressaten gegenüber erklärt worden ist.
a) Der für die Beklagte auftretende Angestellte des ausdrücklich mit der Abnahme beauftragten Ingenieurbüros hat vielmehr im Rahmen seiner Bevollmächtigung mit der Verwendung des den Vertragsstrafenvorbehalt enthaltenden vorgefertigten Abnahmeschreibens wirksam den Vertragsstrafenvorbehalt erklärt. Es leuchtet nicht ein, weshalb ein – wie hier – wirksam bevollmächtigter Vertreter nicht zugunsten des Bauherrn auf diese Weise einen Vertragsstrafenvorbehalt erklären können soll (vgl. a. Nicklisch in Nicklisch/Weick, VOB Teil B, § 11 Rdnr. 23). Das Berufungsgericht gibt denn auch für seine abweichende Meinung letztlich keine, jedenfalls keine stichhaltige Begründung.
b) Es meint weiter, die Beklagte hätte zur Wahrung ihres Vertragsstrafenanspruchs „in eindeutiger Weise gegenüber einer vertretungsberechtigten leitenden Person der Klägerin” ihren Vorbehalt klarstellen müssen. Die Aushändigung des Abnahmeprotokolls an den Bauleiter habe dazu nicht ausgereicht. Obwohl die Abnahme von der Klägerin selbst beantragt worden sei und sie hierzu eine bevollmächtigte Person entsandt habe, sei sie dennoch nicht gezwungen gewesen, auch einen Vertreter zur Entgegennahme eines Vertragsstrafenvorbehalts zu entsenden. Daß S. und P. zur Entgegennahme eines Vorbehalts bevollmächtigt gewesen seien, habe die Beklagte nicht hinreichend dargetan. Weder die Abnahmevollmacht des P. noch die Bezeichnung des S. als „bevollmächtigter Vertreter der Klägerin im Sinne von § 4 Ziff. 1 Abs. 3 Satz 3 VOB/B” im Bauvertrag könnten daran etwas ändern.
Diese Auffassung des Berufungsgerichts geht an der Wirklichkeit vorbei und überspannt grundlos die Anforderungen an den Empfang einer Vorbehaltserklärung. Bei dem engen Zusammenhang, der zwischen Abnahme und Vertragsstrafenvorbehalt – gerade im Falle der förmlichen Abnahme gemäß § 12 Nr. 4 VOB/B – besteht und auf den der Senat schon früher hingewiesen hat (BGHZ 74, 235, 237), ist im Zweifel anzunehmen, daß ein vom Auftragnehmer zur Durchführung der förmlichen Abnahme bevollmächtigter Vertreter nicht nur zur Entgegennahme der Mängelanzeigen des Auftraggebers befugt ist, sondern auch zum Empfang einer den Vorbehalt einer Vertragsstrafe betreffenden Erklärung (vgl. OLG Düsseldorf, BauR 1986, 457, 460; Ingenstau/Korbion, VOB, 10. Aufl., B § 11 Rdnr. 13; unklar Locher, Das private Baurecht, 3. Aufl., Rdnr. 425 a.E.). Allein dies ist sack- und interessengerecht. Aufgabenbereich und Funktion der für die Klägerin bei der Bauabwicklung und der Abnahme tätigen Bauingenieure S. und P. bekräftigen das auch hier. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die bloße Entgegennahme des Vertragsstrafenvorbehalts auf der Seite des Auftragnehmers keinerlei rasche rechtsgeschäftliche „Reaktion” erfordert. Damit besteht aber auch kein Anlaß zu verlangen, daß der Vertragsstrafenvorbehalt trotz des Auftretens eines (nicht in leitender Position stehenden) Abnahmebevollmächtigten stets gesondert gegenüber einem „Leitungsorgan” des Auftragnehmers ausgesprochen werden müsse.
II.
Nach alledem ist hier – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – ein wirksamer Vertragsstrafenvorbehalt erklärt worden. Das Berufungsgericht wird nunmehr den von ihm selbst erwogenen, aber bisher noch offen gelassenen Fragen nachzugehen haben, ob der Klägerin wegen der Nachtragsaufträge und/oder wegen außergewöhnlich schlechter Witterungsverhältnisse und/oder wegen verspäteter Lieferung der Gerüste ein Anspruch auf Bauzeitenverlängerung zustand, der sich auf die Vertragsstrafe auswirkt. Darüberhinaus wird das Berufungsgericht gegebenenfalls zu prüfen haben, ob die Vertragsstrafe etwa unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage oder ganz allgemein nach Treu und Glauben möglicherweise nicht oder nicht in voller Höhe beansprucht werden darf.
Das Berufungsgericht ist mithin in dem aus dem Urteilsspruch ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch Biber die gesamten Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 856986 |
NJW 1987, 380 |
ZIP 1986, 1570 |