Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsbezeichnung eines Steuerbevollmächtigten als „praktischer Betriebswirt” und „Wirtschaftsberater” unzulässig
Leitsatz (amtlich)
Führt ein Steuerbevollmächtigter auf Praxisschildern die Berufsbezeichnung „praktischer Betriebswirt” und/oder „Wirtschaftsberater”, so liegt darin ein Verstoß gegen § 11 Abs. 2 StBerG und gleichzeitig auch gegen § 1 UWG.
Normenkette
StBerG § 11 Abs. 2; UWG § 1
Tatbestand
Der Beklagte ist Steuerbevollmächtigter. Er betreibt seine Praxis in Berlin. Am Eingang des Hauses und an der Wohnungstür hat er jeweils zwei Schilder angebracht:
Schild am Hauseingang:
Dipl.-Kfm. K.
prakt. Betriebswirt
Wirtschaftsberater.
Schild am Hauseingang:
Repetitorium für Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsrecht
Dipl.-Hdl. Dipl.-Kfm. K.
Wirtschaftsberater.
Schild an der Wohnungstür:
Dipl.-Kfm. K.
Steuerbevollmächtigter.
Schild an der Wohnungstür:
Repetitorium für Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsrecht
Dipl.-Hdl. Dipl.-Kfm. K.
Wirtschaftsberater.
Die klagende Kammer der Steuerbevollmächtigten in Berlin, deren Mitglied der Beklagte ist, sieht in dem trotz mehrfacher Abmahnung fortgesetzten Gebrauch der Berufsbezeichnungen „praktischer Betriebswirt” und „Wirtschaftsberater” einen Verstoß gegen § 11 Abs. 2 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten vom 16. August 1961 – BGBl 1961 I S. 1301 – (Steuerberatungsgesetz – StBerG) und zugleich einen Verstoß gegen § 1 UWG. Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, es bei Vermeidung einer vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Geldstrafe in unbegrenzter Höhe zu unterlassen, an dem Hauseingang und an der Wohnungstür in diesem Hause außer Schildern mit seiner Berufsbezeichnung „Steuerbevollmächtigter” auch noch Schilder mit der unzulässigen Berufsbezeichnung „Praktischer Betriebswirt” sowie „Wirtschaftsberater” zu führen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Kammergericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt.
Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
I.
Beide Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, daß für die auf die Behauptung eines Verstoßes gegen § 1 UWG gestützte Klage der ordentliche Rechtsweg gegeben ist. Entgegen der Meinung des Beklagten schließt die Möglichkeit eines berufsgerichtlichen Verfahrens den ordentlichen Rechtsweg jedenfalls dann nicht aus, wenn das beanstandete Verhalten nach der Klagebehauptung neben der Verletzung des Standesrechts auch einen Verstoß gegen die allgemeinen Wettbewerbsregeln darstellt (vgl. BGH GRUR 1957, 131, 132), weil für die Zulässigkeit des Rechtsweges die von der Klägerin auf Grund des vorgetragenen Sachverhalts in Anspruch genommene Rechtsfolge maßgebend ist.
II.
Auch die Aktivlegitimation der Klägerin gemäß § 13 Abs. 1 UWG ist von den Vorinstanzen zutreffend bejaht worden. Die Aufgabe der Klägerin besteht u. a. darin, die beruflichen Belange der Steuerbevollmächtigten zu wahren und zu fördern (§ 34 StBerG); sie ist mithin ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen. Da die mit der Klage angegriffene Verletzungshandlung in Beziehung zu den satzungsmäßigen Aufgaben der Klägerin steht und ihre Verhinderung nicht außerhalb des Verbandszwecks liegt, ist auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage zu bejahen.
III.
1. Das Berufungsgericht sieht in der Führung der Bezeichnungen „praktischer Betriebswirt” und Wirtschaftsberater” einen Verstoß gegen § 11 Abs. 2 StBerG. Dazu führt das Berufungsgericht im einzelnen aus, die Beschränkung des § 11 Abs. 2 StBerG gelte auch für Tätigkeiten, die ein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter nach § 22 StBerG zulässigerweise ausübe, und auch dann, wenn eine solche Tätigkeit im Einzelfall nicht mit der Tätigkeit als Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter verbunden sei. Auf eine Trennung in der Führung der verschiedenen Berufsbezeichnungen komme es nicht an. Nach Wortlaut und Sinn des Gesetzes sei die Führung von Berufsbezeichnungen nur im Rahmen des § 11 StBerG zulässig. Das Steuerberatungsgesetz habe die steuerberatenden Berufe weitgehend den rechtsberatenden Berufen angleichen wollen; es solle eben kein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter sich durch eine nach § 11 Abs. 2 StBerG nicht zugelassene Berufsbezeichnung gegenüber den übrigen Angehörigen dieses Standes hervorheben. Diese Regelung verstoße auch nicht gegen das Grundgesetz (Art. 12).
2. Die gegen diese Ausführungen gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.
a) Tenor und Gründen des Berufungsgerichts ist zu entnehmen, daß dem Beklagten verboten ist, an dem Hauseingang und an der Wohnungstür in diesem Hause Schilder mit der Berufsbezeichnung „Praktischer Betriebswirt” und/oder „Wirtschaftsberater” zu führen.
b) Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, daß § 11 StBerG die Zulässigkeit und den Umfang der Führung von Berufsbezeichnungen für Personen, die unter dieses Gesetz fallen, abschließend regelt, und zwar auch für die Fälle, in denen diese Personen eine nach § 22 Abs. 3 StBerG mit dem Beruf eines Steuerberaters oder eines Steuerbevollmächtigten zu vereinbarende Tätigkeit ausüben. Das ergibt sich eindeutig aus der Stellung des § 11 StBerG innerhalb des Gesetzes und aus seinem Inhalt; diese Auslegung wird auch durch die Entstehungsgeschichte bestätigt und entspricht einheitlicher Auffassung im Schrifttum (vgl. Kolbeck/Peter/Rawald, StBerG, 2. Auflage, Gruppe 320 Seite 3 und 9; Klöcker/Mittelsteiner/Gehre, Handbuch der Steuerberatung, 1965, Gruppe 2 (§ 11) S. 3, Gruppe 3 (1) Seite 23; Bühring, StBerG 1961 Anm. 7 zu § 22, Seite 108; Schnauber, StBerG 2. Auflage, Anm. 4 zu § 11; Maassen, Das Recht der Steuerberatung, 2. Auflage, Seite 122; Make/Hoch/Mühlhäußer/Haaga, StBerG 1967 K § 11 Nr. 20 S. 16). In diesem Zusammenhang ist der Gesichtspunkt der Wettbewerbsgleichheit innerhalb des Berufsstandes und ferner des Schutzes der Allgemeinheit vor Irreführung von maßgeblicher Bedeutung. Dabei ist davon auszugehen, daß die in § 22 Abs. 3 StBerG als mit der Tätigkeit eines Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten zu vereinbarend bezeichneten Tätigkeiten ihrer Natur nach sich auch in der Sache bei der steuerberatenden Tätigkeit mehr oder weniger anbieten, der Gedanke demnach, daß ein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter auch allgemein in Wirtschafts- oder Betriebsfragen berät, naheliegt; andererseits sind die hier zur Erörterung stehenden Berufsbezeichnungen „Praktischer Betriebswirt” und „Wirtschaftsberater” nicht solche, die ein bestimmtes gesetzlich geregeltes Berufsbild mit Ausbildungs- und Prüfungsvorschriften enthalten; es kann daher jeder diese Berufungsbezeichnungen führen, soweit dem nicht gesetzliche Regelungen entgegenstehen.
Die Beschränkung des Rechtes, Berufsbezeichnungen frei wählen zu dürfen, durch § 11 Abs. 2 StBerG ist demnach einmal gerechtfertigt durch das sich z. B. auch bei den Rechtsanwälten findende Verbot der Hervorhebung besonderer Spezialkenntnisse im Interesse der Wettbewerbsgleichheit; zum anderen soll der Gefahr begegnet werden, daß durch Bezeichnungen wie hier „Praktischer Betriebswirt” und „Wirtschaftsberater” der Anschein einer besonderen Qualifikation erweckt wird und damit die Gefahr einer Irreführung des Publikums besteht, die um so größer wäre, weil die Bezeichnungen Steuerberater und Steuerbevollmächtigter nur nach entsprechender Ausbildung, Prüfung und Bestellung durch die zuständige Behörde geführt werden dürfen, ein nicht unerheblicher Teil des Verkehrs daher von den Bezeichnungen „Praktischer Betriebswirt” und „Wirtschaftsberater” daher das Vorliegen ähnlicher Voraussetzungen und Gegebenheiten annehmen könnte. Demnach ist es entgegen der Auffassung der Revision auch nicht zulässig, die Beschränkung des § 11 Abs. 2 StBerG in den Fällen nicht anzuwenden, in denen ein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter einmal nicht steuerberatende, sondern eine nach § 22 Abs. 3 StBerG damit zu vereinbarende Tätigkeit ausübt. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob der Beklagte seine verschiedenen Berufsbezeichnungen auf getrennten Schildern kundmacht und ob auf den Schildern, auf denen sonstige nach § 11 Abs. 2 StBerG nicht zulässige Bezeichnungen angebracht sind, sich die Berufsbezeichnung „Steuerbevollmächtigter” nicht findet.
c) Diese Auslegung des § 11 Abs. 2 StBerG verstößt auch nicht gegen Grundrechte. Ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG scheitert schon daran, daß die Regelung der Berufsbezeichnung in § 11 Abs. 2 StBerG weder objektiv noch subjektiv eine Voraussetzung für die Zulassung zum Beruf ist, so daß die vom Bundesverfassungsgericht normierte Voraussetzung für einen Eingriff in die Freiheit der Berufswahl, daß nämlich bestimmte Voraussetzungen für die Aufnahme des Berufes aufgestellt werden (vgl. BVerfGE 7, 377, 405 f; 9, 213, 221; 10, 185, 197; 18, 353, 361 f; 23, 50, 56 f), nicht erfüllt ist. Der Beklagte war und ist nicht gehindert, alle von ihm ausgeübten Tätigkeiten zu ergreifen und ihnen auch weiterhin zu Erwerbszwecken nachzugehen.
Die Beschränkung der zulässigen Berufsbezeichnungen in § 11 Abs. 2 StBerG verstößt auch nicht gegen Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann die Freiheit der Berufsausübung im Wege der Regelung beschränkt werden, „soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen” (BVerfGE 7, 377, 405). Wie bereits ausgeführt, rechtfertigt sich die Regelung des § 11 Abs. 2 StBerG aus dem Gesichtspunkt der Sicherung der Wettbewerbsgleichheit durch das Verbot der Hervorhebung von Spezialkenntnissen und ferner des Schutzes der Allgemeinheit vor den Gefahren einer Irreführung. Angesichts der sachlichen Nähe der, nach § 22 Abs. 3 StBerG zulässigen anderweiten Tätigkeiten kann auch nicht von einem nicht zumutbaren Wettbewerbsnachteil (durch das Verbot, die Tätigkeit in einer Berufsbezeichnung zu fixieren) gesprochen werden.
Die Vorschrift des § 11 Abs. 2 StBerG enthält deshalb auch keinen Eingriff in einen erworbenen Besitzstand (Art. 14 GG); denn da die Berufsbezeichnungen, um deren Zulässigkeit es hier geht, keinen fest umrissenen Inhalt haben, vielmehr, wie bereits dargelegt, bei ihnen die Gefahr von Irreführungen besteht, kann an deren Führung auch kein schützenswertes Recht erworben werden.
Ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 GG liegt auch nicht darin, daß § 18 Abs. 2 WPO für die Wirtschaftsprüfer Berufsbezeichnungen für die Tätigkeiten zuläßt, die nach § 43 WPO zulässigerweise neben der Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers ausgeübt werden, den Wirtschaftsprüfern demnach ein weitergehendes Bezeichnungsrecht als den Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten zugebilligt wird. Einmal entfällt hier die Gefahr einer Irreführung des Verkehrs bei Führung der Bezeichnung „Praktischer Betriebswirt” und „Wirtschaftsberater”, weil für die Zulassung als Wirtschaftsprüfer entweder ein abgeschlossenes Hochschulstudium oder eine langjährige Wirtschaftspraxis vorausgesetzt wird (§ 8 WPO). Außerdem rechtfertigt die gesetzlich umschriebene Tätigkeit der Wirtschaftsprüfer einerseits und der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten andererseits eine unterschiedliche Regelung der Führung von Berufsbezeichnungen. Hauptinhalt der Tätigkeit eines Wirtschaftsprüfers ist (§ 2 WPO), betriebswirtschaftliche Prüfungen, insbesondere solche von Jahresabschlüssen wirtschaftlicher Unternehmen, durchzuführen und Bestätigungsvermerke über die Vornahme und das Ergebnis solcher Prüfungen zu erteilen, sie liegt demnach im wirtschaftlichen Bereich; demgegenüber nähern sich die Hauptaufgaben des Steuerberaters und des Steuerbevollmächtigten (§ 2 StBerG), nämlich Beratung, Vertretung und Bearbeitung von Steuerangelegenheiten sowie Hilfeleistung in Steuerstrafsachen, dem Arbeitsgebiet des Rechtsanwalts (Rechtsberatung) und dulden deshalb eine engere, die Berufsbezeichnung betreffende Regelung.
d) Der Beklagte darf nach alledem, solange er Steuerbevollmächtigter ist, nach § 11 StBerG im beruflichen Verkehr die Bezeichnungen „Praktischer Betriebswirt” und „Wirtschaftsberater” nicht führen.
IV.
Der Verstoß des Beklagten gegen § 11 Abs. 2 StBerG rechtfertigt ohne weiteres die Unterlassungsklage nach § 1 UWG. Denn die Regelung der Führung von Berufsbezeichnungen in § 11 Abs. 2 StBerG dient, wie bereits dargelegt, der Sicherung der Wettbewerbsgleichheit in diesem Beruf und dem Schutz der Allgemeinheit vor Irreführung; ein Verstoß gegen diese Vorschrift ist daher zugleich ein Verstoß gegen § 1 UWG, ohne daß es noch auf das Vorliegen weiterer Umstände ankommt.
Fundstellen