Leitsatz (amtlich)
Der Handelsvertreter hat den Anspruch auf die vereinbarte Provision, wenn der Unternehmer ein Geschäft aus einem von ihm zu vertretenden Grund nicht ausführen kann. In diesem Falle kann der Unternehmer sich nicht darauf berufen, die Ausführung des Geschäfts sei ihm nicht zuzumuten gewesen. Die beiden Tatbestände des § 87 a Abs. 3 Satz 2 HGB schließen einander aus; im Falle der Unmöglichkeit stellt sich die Frage, ob die Ausführung eines Geschäfts dem Unternehmer zuzumuten war, nicht.
Normenkette
HGB § 87 a Abs. 3
Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Urteil vom 29.09.1969) |
LG Regensburg |
Tenor
Die Revision der Beklagten und die Anschlußrevision des Klägers gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Nürnberg vom 29. September 1969 werden zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt 3/4, der Kläger 1/4 der Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger, der in der Branche für Parfümerien- und Toilettenartikel als Handelsvertreter tätig war, trat im Jahre 1965 an die Beklagte mit dem Vorschlag heran, die Herstellung von Aerosol-(Spray)-Dosen aufzunehmen. Die Beklagte ging auf den Vorschlag ein und gliederte ihrem Betrieb die Fabrikation solcher Dosen an, die für sie technisches Neuland war.
Ende 1965 vermittelte der Kläger der Beklagten als deren Handelsvertreter einen Auftrag der Firma M. & S. (M & S) auf Lieferung von 5 Millionen Dosen im Laufe des Jahres 1966 zum Preis von je 26 Pf. Der Kläger sollte je Dose eine Provision von 1 Pf, also zusammen 50.000 DM Provision erhalten.
Bei der Abwicklung des Liefervertrags ergaben sich erhebliche Schwierigkeiten. Die Firma M & S beanstandete mehrere Teillieferungen der Beklagtem und lehnte nach Lieferung von 89.000 Dosen mit Schreiben vom 28. Juli 1966 die Annahme weiterer Dosen mit der Behauptung ab, diese wiesen einen zu großen Ausschuß auf. Die Beklagte bestand nicht auf der weiteren Durchführung des Geschäfts. Sie kam im Laufe des Sommers 1966 mit der Firma S. in S., die schon längere Zeit derartige Dosen herstellte, in Geschäftsverbindung und betrieb von da an die Dosenfabrikation mit dieser Firma gemeinsam.
Mit Schreiben an den Kläger vom 16. August 1966 stellte sich die Beklagte auf den Standpunkt, zwischen ihm und ihr habe nur ein Vertretervorvertrag bestanden, und kündigte diesen Vertrag mit der Begründung, die Produktion und der Absatz der Dosen hätten eine für beide Parteien nicht voraussehbare Entwicklung genommen, die den Einsatz eines Vertreters überflüssig mache.
Die Beklagte hat dem Kläger für die an M & S gelieferten Dosen Provision in Höhe von 1.997,71 DM gezahlt.
Der Kläger hat mit der Klage Zahlung der Provision von 50.000 DM für die Vermittlung des Auftrages von M & S sowie Abrechnung und Buchauszug über alle von der Beklagten bis zum 30. September 1966 in Aerosol-Dosen getätigten Geschäfte und Zahlung der sich hieraus ergebenden weiteren Provision sowie eines angemessenen Ausgleichs verlangt.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 48.002,29 DM (= 50.000–1.997,71 DM) nebst Zinsen verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen. Die Beklagte hat gegen ihre Verurteilung Berufung eingelegt. Der Kläger hat mit Anschlußberufung seine abgewiesenen erstinstanzlichen Anträge insoweit weiterverfolgt, als er Abrechnung und Buchauszug über alle von der Beklagten in der Zeit vom 1. April 1966 bis 30. September 1966 mit der Firma Staehle getätigten Geschäfte in Aerosol-Dosen und Zahlung der sich daraus ergebenden Provision begehrt hat.
Das Oberlandesgericht hat beide Rechtsmittel zurückgewiesen.
Mit Revision und Anschlußrevision verfolgen die Parteien ihre im Berufungsverfahren gestellten Anträge weiter; jede Partei beantragt, das Rechtsmittel des Gegners zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Zur Revision der Beklagten:
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger könne, obwohl die Beklagte das Geschäft zum größten Teil nicht ausgeführt habe, dennoch gemäß § 87 a Abs. 3 HGB für den Auftrag der Firma M & S die volle Provision verlangen, weil sie die Unmöglichkeit der Ausführung zu vertreten habe. Die Firma M & S sei nämlich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme wegen mangelhafter Lieferungen der Beklagten mit Recht vom Vertrag zurückgetreten.
1. Das Berufungsgericht entnimmt dem Schriftwechsel und den Aussagen der Zeugen, daß die Ausschußquote bei den Lieferungen der Beklagten an M & S auch beim damaligen Stand der Technik unverhältnismäßig hoch war und daß es sich dabei um schwerwiegende, mit Gefahr für die Belegschaft der Abfüllfirma verbundene Mängel (Dosen mit deformiertem Boden) handelte. Diesen Feststellungen des Tatrichters steht der von der Revision geltend gemachte Umstand nicht entgegen, die Firma M & S habe sämtliche Teillieferungen bezahlt. Es ist sehr wohl möglich, daß die Firma von einem Abzug für schlechte Dosen in den Teillieferungen abgesehen hat, weil es sich hierbei um keine allzu erheblichen Beträge handelte. Zur Abnahme weiterer Lieferungen war sie jedenfalls unter den vom Berufungsgericht festgestellten Umständen nicht verpflichtet. Mit dem Vorbringen, die Ausschußziffern hätten im Rahmen des üblichen gelegen, setzt die Revision unzulässigerweise ihre Würdigung des Sachverhalts an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts. Die Revision muß es auch hinnehmen, daß dieses mit eingehender Begründung im Hinblick auf den Schriftwechsel und die Bekundungen der übrigen Zeugen den Aussagen der bei der Beklagten tätig gewesenen Zeugen S. und K. kein entscheidendes Gewicht beigemessen hat.
Die Verfahrensrügen der Revision hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet.
2. Daß die eingehenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts seine Annahme rechtfertigen, die Beklagte habe die Unmöglichkeit der weiteren Ausführung des Geschäfts zu vertreten, zieht auch die Revision nicht in Zweifel. Die Unmöglichkeit ergibt sich daraus, daß die Firma M & S mit Recht vom Vertrag zurückgetreten ist. Die Beklagte hat das zu vertreten, weil sie für die ordnungsgemäße Erfüllung der von ihr eingegangenen Verpflichtungen einzustehen hat. Wenn ihre Produktion damals noch nicht ausgereift war, hätte sie sich zu einer so großen Lieferung noch nicht oder jedenfalls nicht ohne entsprechende Vorbehalte verpflichten dürfen.
3. Das Berufungsgericht ist unter Hinweis auf Schröder, Recht der Handelsvertreter 4. Aufl. § 87 a Anm. 38 der Auffassung, da feststehe, daß die weitere Ausführung des Geschäfts der Beklagten aus von ihr zu vertretenden Gründen unmöglich gewesen sei, brauche nicht geprüft zu werden, ob die weitere Ausführung ihr zumutbar gewesen sei.
a) Auch dem ist beizutreten. Im Falle der vom Unternehmer zu vertretenden Unmöglichkeit stellt sich die Frage der Zumutbarkeit überhaupt nicht. Eine unmögliche Leistung ist schon im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs in keinem Falle zumutbar. Das Gesetz bejaht aber eindeutig, auch wenn das Geschäft unmöglich ausgeführt werden kann, den Provisionsanspruch des Handelsvertreters, sofern der Unternehmer die Unmöglichkeit zu vertreten hat. Daraus folgt, daß § 87 a Abs. 3 Satz 2 HGB eine Prüfung, ob die Ausführung des Geschäfts dem Unternehmer nicht zuzumuten ist, nur für den Fall vorschreibt, daß die Ausführung ihm an sich möglich ist. Die Meinung der Revision, die Vorschrift enthalte zwei verschiedene voneinander unabhängige Tatbestände, von denen jeder für sich allein geeignet sei, den Provisionsanspruch des Handelsvertreters entfallen zu lassen, trifft zwar zu. Jedoch schließen nach dem Vorgesagten die beiden Tatbestände einander aus. Es können nicht, wie die Revision meint, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit nebeneinander vorliegen.
b) Es kommt deshalb auf die Hilfserwägung des Berufungsgerichts, der Beklagten sei das Bestehen auf der weiteren Durchführung des Geschäfts, erforderlichenfalls auf dem Prozeßwege, zuzumuten gewesen, und auf die Angriffe der Revision dagegen nicht an.
4. Das Berufungsgericht hat auch ohne Rechtsfehler den Einwand der Beklagten zurückgewiesen, der Kläger habe stillschweigend auf seinen Provisionsanspruch verzichtet. Es konnte aus dem Schreiben des Klägers vom 22. Juli 1966 entnehmen, daß dieser der Beklagten erkennbar auf seinem Provisionsanspruch bestand. Demgegenüber brauchte es aus dem anfänglichen Schweigen des Klägers auf die ihm mitgeteilte Abschrift eines Schreibens der Beklagten an die Firma M & S vom 11. August 1969 keine gegenteiligen Schlüsse zu ziehen. Da der Kläger bereits wenige Monate nach der Kündigung der Beklagten am 16. August 1966, nämlich im Januar 1967, den hier streitigen Provisionsanspruch eingeklagt hat, kann auch von einer Verwirkung dieses Anspruchs, die die Revision ferner noch geltend macht, keine Rede sein.
5. Das Berufungsgericht verneint auch das Bestehen einer „Risikogemeinschaft” zwischen den Parteien derart, daß der Provisionsanspruch des Klägers entfallen müßte, falls der Beklagten die ordnungsgemäße Durchführung des Auftrags von M & S nicht gelinge. Die Revision meint, der Kläger verstoße unter den hier gegebenen Umständen mit der Geltendmachung seines Provisionsanspruchs für ein zum größten Teil nicht zur Ausführung gekommenes Geschäft jedenfalls gegen Treu und Glauben, da er die Beklagte dazu veranlaßt habe, sich auf die Dosenfabrikation zu verlegen, und dabei gewußt habe, daß es sich für sie um völliges Neuland handele, er habe wissen müssen, daß das Aufziehen einer solchen neuen Spezialproduktion nie ohne Risiko möglich sei.
Auch insoweit kann der Revision nicht gefolgt werden. Die Vorschriften des § 87 a HGB enthalten eine klare Abgrenzung der Geschäftsrisiken zwischen Unternehmer und Handelsvertreter. Der Handelsvertreter trägt das Risiko, ob es ihm gelingt, Abschlüsse zu vermitteln. Hat aber der Unternehmer ein vom Handelsvertreter vermitteltes Geschäft abgeschlossen, so soll dem Handelsvertreter der Provisionsanspruch zustehen, auch wenn der Unternehmer aus von ihm zu vertretenden Gründen das Geschäft nicht ausführen kann. Die Beklagte hat keine genügend bestimmten Anhaltspunkte für die Vereinbarung einer anderen Risikoverteilung zwischen den Parteien angeführt. Für die Annahme einer solchen genügt es nicht, daß der Kläger der Beklagten den Vorschlag gemacht hat, diese Neuproduktion aufzunehmen. Er konnte davon ausgehen, daß die Beklagte das damit verbundene Risiko kannte und in Rechnung stellte. Die Beklagte hat dem Kläger sodann für die Vermittlung des Auftrags der Firma M & S eine Provision von 50.000 DM zugesagt. Es ist nicht ersichtlich, woraus mit hinreichender Eindeutigkeit zu entnehmen sein sollte, daß der Kläger bereit gewesen wäre, unter weiteren als den im Gesetz angeführten Voraussetzungen auf diesen Provisionsanspruch zu verzichten. Es wäre, wie bereits erwähnt, Sache der Beklagten gewesen, sowohl der Firma M & S als auch dem Kläger gegenüber entsprechende Vorbehalte zu machen, wenn sie sich in dem neuen Produktionszweig noch nicht sicher fühlte und das damit verbundene Risiko nicht allein übernehmen wollte. Daß sie dem Kläger gegenüber etwas derartiges zum Ausdruck gebracht habe, hat sie selbst nicht behauptet. Die Beklagte kann sich unter diesen Umständen auch nicht auf Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen.
II. Zur Anschlußrevision des Klägers:
Das Berufungsgericht hat einen Provisionsanspruch des Klägers aus Geschäften der Beklagten mit der Firma Staehle verneint. Es hat es dahingestellt sein lassen, ob der Kläger Alleinvertreter der Beklagten in dem von ihm behaupteten Sinne gewesen sei. Jedenfalls habe es sich bei den Geschäften mit der Firma Staehle um Geschäfte ganz anderer Art gehandelt als diejenigen, mit deren Vermittlung er betraut worden sei.
Auch die Anschlußrevision des Klägers hat keinen Erfolg.
1. Entscheidend dafür ist, daß die Beklagte seit der Aufnahme der Geschäftsbeziehungen mit der Firma Staehle, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, selbst keine Aerosol-Dosen mehr am Markt verkauft, vielmehr nur noch für Staehle in Lohnauftrag solche Dosen ganz oder teilweise anfertigt. Das Berufungsgericht sagt ohne Rechtsfehler, den Parteivereinbarungen sei nichts dafür zu entnehmen, daß die Vertretertätigkeit des Klägers auch derartige nicht vorgesehene Geschäfte habe umschließen sollen.
2. Die Anschlußrevision meint, da der Kläger Alleinvertreter der Beklagten gewesen sei, sei es dieser untersagt gewesen, Geschäfte in Aerosol-Dosen ohne ihn zu machen, auch nicht als Geschäfte anderer Art; daher sei sie ihm wegen Verletzung seines Alleinvertretungsrechts schadenersatzpflichtig.
Das Berufungsgericht hat auch Ansprüche des Klägers unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt mit Recht verneint. Dem Unternehmer steht grundsätzlich das Recht zu, seinen Betrieb so einzurichten und gegebenenfalls umzugestalten, wie es ihm wirtschaftlich vernünftig und sinnvoll erscheint; er darf sich dabei nur nicht willkürlich und ohne einen vertretbaren Grund über die schutzwürdigen Belange seiner Handelsvertreter hinwegsetzen (Urteil des erkennenden Senats vom 9. November 1967 BGHZ 49, 39, 42, ferner BGHZ 26, 161).
Hier hat das Berufungsgericht festgestellt, daß die Beklagte aus zwingenden wirtschaftlichen und technischen Gründen zu der ganz anders gearteten Zusammenarbeit mit der Firma Staehle übergegangen ist. Der Kläger kann daher daraus keine Schadensersatzansprüche herleiten.
3. Die Anschlußrevision macht ferner noch geltend, die Beklagte hätte dem Kläger rechtzeitig mitteilen müssen, daß sie keine weiteren Geschäfte mit vom Kläger zu vermittelnden Kunden abschließen, sondern in Zukunft ausschließlich mit der Firma S. zusammenarbeiten werde; sie habe bereits im Juni 1966 Verbindung mit Staehle aufgenommen und im Juli 1966 die Zusammenarbeit begonnen, dem Kläger aber erst mit Schreiben vom 16. August 1966 gekündigt, ihn also wochenlang im Ungewissen gehalten.
Der erkennende Senat hat in dem vorerwähnten Urteil BGHZ 49, 39, 44 auch ausgesprochen, der Unternehmer könne sich dem Handelsvertreter gegenüber schadensersatzpflichtig machen, wenn er es unterlasse, diesen über die von ihm geplante Umstellung seines Vertriebsystems unverzüglich und klar zu unterrichten.
Das Berufungsgericht hat diesen rechtlichen Gesichtspunkt nicht übersehen. Es ist der Frage aber nicht weiter nachgegangen, weil der Kläger es insoweit an jedem substantiierten Sachvortrag, insbesondere hinsichtlich der Höhe seines Anspruchs, habe fehlen lassen. Auch darin ist kein Rechtsirrtum zu erkennen.
Die Anschlußrevision beruft sich demgegenüber ohne Erfolg auf den Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 28. Juni 1968 S. 23, er schätze die Unkosten, die ihm durch seine Tätigkeit für die Beklagte entstanden seien, auf 15.000 bis 20.000 DM, Es handelt sich hierbei ersichtlich um die gesamten Unkosten des Klägers bei seiner Tätigkeit für die Beklagte, nicht nur um solche, die ihm durch nicht rechtzeitige Unterrichtung von der geplanten Vertriebsumstellung entstanden sein sollen. Im übrigen ist dem Vortrag des Klägers auch keine wesentlich verspätete Unterrichtung durch die Beklagte zu entnehmen; es kommt höchstens ein Zeitraum von einigen Wochen in Frage (vgl. dagegen den in BGHZ 49, 39 entschiedenen Fall). Ohne genaue zeitliche und ziffernmäßige Angaben des Klägers über ihm nutzlos entstandene Unkosten konnte das Berufungsgericht daher einen Schadensersatzanspruch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 86 a HGB als unsubstantiiert ansehen.
III. Nach alledem sind sowohl die Revision der Beklagten als die Anschlußrevision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92, 97 ZPO.
Unterschriften
Glanzmann, Rietschel, Erbel, Finke, Bundesrichter Dr. Girisch kann nicht unterschreiben, weil er seinen Urlaub angetreten hat. Glanzmann
Fundstellen