Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerhinterziehung
Verfahrensgang
LG Oldenburg (Urteil vom 25.09.2001) |
Tenor
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 25. September 2001
- dahin abgeändert, daß der Angeklagte der Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 80 Fällen, der versuchten Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 113 Fällen sowie der Urkundenfälschung in 135 Fällen schuldig ist und
- im Strafausspruch aufgehoben, soweit der Angeklagte zu Geldstrafen verurteilt worden ist.
II. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
III. Die Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.
IV. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Jedoch werden die Revisionsgebühr um ein Drittel ermäßigt und der Staatskasse ein Drittel der durch dieses Rechtsmittel im Revisionsrechtszug entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten auferlegt. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen –
Tatbestand
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Umsatzsteuerhinterziehung in 81 Fällen und wegen versuchter Umsatzsteuerhinterziehung in 247 Fällen, jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt sowie zugleich wegen der Umsatzsteuerhinterziehung in 81 Fällen eine Gesamtgeldstrafe von 500 Tagessätzen à 40 DM verhängt. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte in vollem Umfang Rechtsmittel eingelegt. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrer – vom Generalbundesanwalt vertretenen – Revision die Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen den Angeklagten. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg; die Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
I.
Nach den Feststellungen wollte sich der Angeklagte im September/Oktober 1999 durch die ungerechtfertigte Geltendmachung tatsächlich nicht angefallener Vorsteuern innerhalb kurzer Zeit bei Finanzämtern einen Betrag von 1 Mio. DM verschaffen. Hierzu meldete er zunächst bei einer Vielzahl von Finanzämtern im Bundesgebiet fiktive Grundstücksgesellschaften bürgerlichen Rechts an, um für diese die Zuteilung von Steuernummern zu erreichen. Die Anmeldung dieser Gesellschaften nahm er unter der Firma der ebenfalls nicht existierenden „DOS Steuerberatungs-GmbH” vor und übersandte dabei den Finanzämtern neben weiteren Geschäftsunterlagen fingierte Gesellschaftsverträge und Vollmachten, auf denen er als Unterschriften der angeblichen Gesellschafter jeweils unleserliche Namenszeichen selbst angebracht hatte. Sodann reichte er bei den Finanzämtern für die Monate von Januar bis August 1999 – zum Großteil gleichzeitig – mit in gleicher Weise unleserlichen Namenszeichen unterzeichnete Umsatzsteuervoranmeldungen mit erfundenen Umsätzen und Vorsteuern ein. Mit diesen Steueranmeldungen wollte er eine Erstattung des sich jeweils nach den dort gemachten Angaben ergebenden, tatsächlich aber nicht bestehenden Umsatzsteuerguthabens erreichen. Insgesamt kam es bei von ihm geltend gemachten Erstattungsansprüchen in Höhe von ca. 3,2 Mio. DM zu Erstattungen von mehr als 750.000 DM an den Angeklagten.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Angeklagten führt zur Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung der gegen ihn verhängten Geldstrafen.
1. Der Verurteilung des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung steht nicht entgegen, daß er Steuererstattungen für Scheinfirmen geltend machte; auch Fälle, in denen die Existenz eines Unternehmens nur vorgetäuscht wird, für das sodann ohne Bezug auf reale Vorgänge fingierte Umsätze angemeldet und Vorsteuererstattungen begehrt werden, sind als Steuerhinterziehung (und nicht als Betrug) zu beurteilen (BGHSt 40, 109).
§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO knüpft für die Tatbestandsverwirklichung an die Täuschung der Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen an, durch die Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt werden. Steuervorteile in diesem Sinne sind nach § 370 Abs. 4 Satz 2 AO auch Steuervergütungen, die aufgrund eines steuerrechtlich erheblichen Verhaltens dem Täter von der Finanzverwaltung zu Unrecht gewährt oder belassen werden (BGH aaO S. 111). Hierzu gehört auch die Erstattung angeblicher Vorsteuern, weil sie sich nach steuerrechtlichen Grundsätzen richtet (§§ 37, 218 AO), ohne daß es im einzelnen darauf ankommt, welche tatsächlichen Verhältnisse zugrunde liegen. Zudem ist der durch § 370 AO geschützte Anspruch des Steuergläubigers auf den vollen Ertrag der Umsatzsteuer (vgl. BGHSt 36, 100, 102 m.w.N.) unabhängig davon betroffen und beeinträchtigt, ob einer geltend gemachten Vergütung ein gegenüber dem Rechnungsempfänger tatsächlich bewirkter Umsatz zugrunde liegt oder ob die Vorsteuererstattung aufgrund einer Täuschung der Finanzbehörden ohne Umsatz erfolgt (BGHSt 40, 109, 111).
2. Eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung wegen Einreichung falscher Umsatzsteuervoranmeldungen wird – entgegen der Ansicht der Revision – auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß die eingereichten Steueranmeldungen nur mit einem unleserlichen Namenszeichen versehen waren.
Eine Steuererklärung muß grundsätzlich der gesetzlich vorgeschriebenen Form genügen. Wie sich aus § 150 Abs. 3 Satz 1 AO ergibt, hängt es dabei von den Steuergesetzen ab, ob der Steuerpflichtige die Steuererklärung eigenhändig zu unterschreiben hat. Eine eigenhändige Unterschrift ist bei Umsatzsteuervoranmeldungen (vgl. § 18 Abs. 1 UStG) im Gegensatz zu Umsatzsteuerjahreserklärungen (§ 18 Abs. 3 Satz 3 UStG) nicht erforderlich (vgl. Brockmeyer in Klein, AO 7. Aufl. § 150 Rdn. 12).
Die im amtlichen Vordruck der Steueranmeldung zur Wahrheitsversicherung vorgesehene Unterschrift (vgl. § 150 Abs. 2 Satz 2 AO) wurde vom Angeklagten jeweils geleistet. Hierfür wird eine Lesbarkeit des Namenszuges nicht gefordert; es genügt ein individueller Schriftzug mit charakteristischen Merkmalen (vgl. BGH NJW 1997, 3380, 3381; NJW 1987, 1333, 1334; BB 1970, 52), so daß eine Unterscheidungsmöglichkeit gegenüber anderen Unterschriften gewährleistet ist (vgl. BGHSt 12, 317). Auf der Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen ist der vom Angeklagten angebrachte Schriftzug hier zwar nicht als lesbare, dennoch aber als gültige Unterschrift anzusehen.
Im übrigen könnte selbst das Fehlen der gesetzlich vorgeschriebenen Unterschrift dem Vorliegen von Angaben im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht entgegenstehen.
Zwar ist eine Steuererklärung, welche die gesetzlich vorgeschriebene Unterschrift nicht enthält, unwirksam, weil durch sie ein ordnungsgemäßes Veranlagungsverfahren nicht in Gang gesetzt werden kann (vgl. BFH BStBl II 1999, 203; BFH/NV 2002, 963). Zweck der eigenhändigen Unterschrift im Sinne von § 150 Abs. 3 AO ist nach ständiger Rechtsprechung nämlich die erkennbare Übernahme der Verantwortung für die der Erklärung zugrundeliegenden tatsächlichen Angaben durch den Steuerpflichtigen (vgl. BFH/NV 1998, 8; BFH BStBl II 1999, 203, 204). Die Eigenhändigkeit der Unterschriftsleistung soll dem Steuerpflichtigen die Bedeutung seiner Steuererklärung als Wissenserklärung bewußt machen (BFH BStBl II 1999, 203, 204).
Der Mangel einer fehlenden Unterschrift ist aber dann steuerrechtlich unbeachtlich, wenn auf eine solche Steuererklärung hin trotzdem ein wirksamer Steuerbescheid ergeht (BFH/NV 2002, 963; Tipke/Kruse, AO 16. Aufl. § 150 Rdn. 31). Dasselbe gilt, wenn – wie hier – eine zu einer Steuervergütung führende Steueranmeldung erst durch eine Zustimmung des Finanzamts nach § 168 Satz 2 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht (vgl. BFH/NV 2002, 963).
Für eine Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO ist der Mangel der fehlenden Unterschrift darüber hinaus grundsätzlich bereits dann unbeachtlich, wenn eine Steuererklärung zum Zwecke der Steuerverkürzung oder der Erlangung ungerechtfertigter Steuervorteile eingesetzt werden soll. § 370 AO setzt nämlich tatbestandlich keine wirksame Steuererklärung voraus, sondern lediglich Bekundungen zu den genannten Zwecken, die sogar mündlich oder schlüssig gemacht werden können (vgl. BGHSt 25, 190, 203; Kohlmann, Steuerstrafrecht 7. Aufl. § 370 AO Rdn. 21 f.).
Solche Bekundungen liegen hier vor in der Angabe tatsächlich nicht vorhandener Umsätze und Vorsteuern im Rahmen von Umsatzsteuervoranmeldungen. Diese Bekundungen dienten der Erlangung ungerechtfertigter Steuererstattungen und hatten in Form von Auszahlungen in Höhe von mehr als 750.000 DM sogar Erfolg. Es ist daher – unabhängig von der Frage der Unterschriftsleistung – ohne Bedeutung, daß die von dem Angeklagten eingereichten Steueranmeldungen schon per se keine ordnungsgemäßen Steuererklärungen darstellen, weil sie sich auf nicht existente Firmen sowie fingierte Umsätze und Vorsteuern beziehen.
3. Auch die Schuldsprüche wegen Urkundenfälschung lassen keinen Rechtsfehler erkennen; die Tatsache, daß die Namenszüge unter den eingereichten Steueranmeldungen und den sonstigen bei den Finanzämtern eingereichten Schriftstücken unleserlich waren, steht auch einer Urkundenfälschung nicht entgegen.
Eine unechte Urkunde im Sinne des § 267 StGB stellt derjenige her, der über deren Aussteller täuscht. Zurecht sieht das Landgericht hier eine solche Täuschung durch den Angeklagten. Indem er Steuererklärungen sowie Gesellschaftsverträge und sonstige Firmendokumente für tatsächlich nicht existierende Firmen und unter Bezugnahme auf unbeteiligte Personen erstellte und bei Finanzämtern einreichte, täuschte er die Finanzbehörden über die Aussteller der Schriftstücke. Die Unterschrift erweckte dabei – unabhängig von der Frage, ob sie leserlich war oder nicht – jeweils den Anschein, daß die entsprechende Urkunde von dem Organ der Gesellschaft stammte, die in dem Dokument als Absender bezeichnet war.
Zutreffend ist das Landgericht hinsichtlich der Urkundenfälschung auch von Tatmehrheit ausgegangen. Ohne Rechtsfehler hat es die Erstellung der einzelnen Urkunden stets als selbständige Tat gewertet, weil gegenüber den betroffenen Finanzämtern jeweils eine neue falsche Urkunde mit einem selbständigen Erklärungswert abgegeben wurde. Da die verschiedenen Urkunden an jeweils unterschiedliche Finanzämter als Adressaten versandt wurden, kommt auch eine von der Revision des Angeklagten behauptete Klammerwirkung nicht in Betracht.
4. Soweit das Landgericht den Angeklagten allerdings wegen vollendeter Umsatzsteuerhinterziehung in 81 Fällen verurteilt hat, bedarf der Schuldspruch der Änderung. In den Fällen 267 und 269 der Urteilsgründe liegt entgegen der Ansicht des Landgerichts keine vollendete Umsatzsteuerhinterziehung vor, weil es nach den Urteilsfeststellungen nicht zu einer Erstattung von Vorsteuern gekommen ist. Da diese beiden Umsatzsteuervoranmeldungen zu einer Steuervergütung geführt hätten, hätte es einer Zustimmung der Finanzbehörde bedurft, damit die Steueranmeldungen einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichgestanden hätten (§ 168 Satz 2 AO). Eine solche Zustimmung der Finanzbehörde ist aber nach den Feststellungen nicht erfolgt.
Zu einer Auszahlung eines vermeintlichen Umsatzsteuerguthabens ist es dagegen – ohne daß dies vom Landgericht ausgeurteilt wurde – im Fall 174 der Urteilsgründe gekommen. Deshalb ist der Angeklagte nur in 80 Fällen der vollendeten, dafür aber in einem weiteren Fall der versuchten Steuerhinterziehung, jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung, schuldig zu sprechen.
5. In den 135 Fällen, in denen der Angeklagte sich unter Vorlage gefälschter Firmenunterlagen bei verschiedenen Finanzämtern lediglich eine Steuernummer erteilen ließ, unter der später unzutreffende Steuererklärungen abgegeben werden sollten, ohne daß es in der Folge zur Einreichung von Umsatzsteuervoranmeldungen kam, hält der Schuldspruch wegen versuchter Steuerhinterziehung rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Der Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO setzt unrichtige oder unvollständige Angaben gegenüber Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen voraus. Tatsachen sind dann steuerlich erheblich, wenn sie zur Ausfüllung eines Besteuerungstatbestands herangezogen werden müssen und damit Grund und Höhe des Steueranspruchs oder des Steuervorteils beeinflussen oder wenn sie die Finanzbehörden zur Einwirkung auf den Steueranspruch sonst veranlassen könnten (vgl. Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 5. Aufl. § 370 Rdn. 130).
Soweit der Angeklagte durch falsche Angaben gegenüber dem Finanzamt (zunächst) nur die Erteilung einer Steuernummer erstrebte, hat er damit keine Angaben zu steuerlich erheblichen Tatsachen gemacht. Die Schwelle zum Versuch der Steuerhinterziehung wird in solchen Fällen erst dann überschritten, wenn eine falsche Steuererklärung beim Finanzamt eingereicht wird. Hierzu war es in den genannten 135 Fällen nicht mehr gekommen. Die bloße Einreichung falscher Urkunden, um eine Steuernummer zu erlangen, stellt sich hinsichtlich der geplanten Steuerhinterziehung als bloße Vorbereitungshandlung dar. Insoweit liegt allein eine Urkundenfälschung nach § 267 StGB vor. Der Senat ändert deshalb in diesen Fällen den Schuldspruch dergestalt ab, daß jeweils die tateinheitlich mit Urkundenfälschung ausgeurteilte versuchte Steuerhinterziehung entfällt.
6. Die Änderung des Schuldspruchs nötigt indes nicht zu einer Aufhebung des Ausspruchs über die verhängten Freiheitsstrafen. Das Landgericht hat bei der Strafzumessung jeweils danach differenziert, ob eine Umsatzsteuervoranmeldung eingereicht wurde oder nicht. Während es in den Fällen einer (im Ergebnis erfolglosen) auf eine Vorsteuererstattung gerichteten Steueranmeldung eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt hat, wurde in den Fällen ohne Einreichung einer Steueranmeldung eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten festgesetzt. Da bereits die Mindeststrafe der zugleich vorliegenden Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 3 StGB sechs Monate beträgt, konnte das Landgericht hier keine niedrigere Strafe verhängen. Von dem Regelstrafrahmen des besonders schweren Falles abzuweichen, bestand im vorliegenden Fall kein Grund.
Im Hinblick auf die Vielzahl der Einzeltaten und den straffen Zusammenzug der Einzelstrafen innerhalb einer Tatserie schließt der Senat auch aus, daß sich die Schuldspruchänderung in den Fällen 267 und 269 der Urteilsgründe zum Vorteil des Angeklagten auf die Höhe der Gesamtstrafe auswirken könnte. Hinsichtlich der Einzelstrafen setzt der Senat für diese Fälle in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die vom Landgericht einheitlich für alle jeweils gleichartigen Taten verhängten Einzelstrafen von einem Jahr als Freiheitsstrafen fest. Im Fall 174 der Urteilsgründe verbleibt es hingegen bei der vom Landgericht verhängten Strafe von einem Jahr Freiheitsstrafe. Obwohl insoweit statt der vom Landgericht angenommenen versuchten eine vollendete Steuerhinterziehung vorliegt, ist eine Änderung der hierfür verhängten Strafe zum Nachteil des Angeklagten ausgeschlossen (vgl. § 331 Abs. 1 StPO), weil die Staatsanwaltschaft ihre Revision auf die Ablehnung der Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung beschränkt hat.
7. Keinen Bestand haben dagegen die vom Landgericht wegen 81 Fällen der (vollendeten) Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Steuerhinterziehung gemäß § 41 StGB verhängten Geldstrafen. Zwar ermöglicht die Regelung des § 41 StGB, wenn dies unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters angebracht ist, diesen nicht nur an der Freiheit, sondern auch am Vermögen zu strafen. Insbesondere bei längeren Freiheitsstrafen ist dies aber nur dann ausnahmsweise angebracht, wenn der Täter über nennenswerte eigene Einkünfte verfügt. Allein in diesen Fällen läßt sich der Strafzweck einer zusätzlichen Vermögenseinbuße erreichen (vgl. BGHR StGB 41 Bereicherung 1). Anderenfalls liefe die Verhängung einer gesondert festgesetzten Geldstrafe darauf hinaus, daß diese entweder durch Dritte beglichen oder im Wege der Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt wird. Im vorliegenden Fall schließt der Senat auf der Grundlage der landgerichtlichen Feststellungen aus, daß der hochverschuldete Angeklagte über solche Einnahmequellen verfügt, welche die Verhängung einer Geldstrafe neben der längeren Gesamtfreiheitsstrafe rechtfertigen könnten.
III.
Die wirksam auf die Ablehnung der Maßregel der Sicherungsverwahrung beschränkte (vgl. BGHSt 7, 101; BGH NStZ 1994, 280, 281) Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg. Das Landgericht hat bereits rechtsfehlerfrei das Vorliegen eines Hanges im Sinne des § 66 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 3 StGB verneint. Es hat dabei dem Umstand Gewicht beigemessen, daß der Angeklagte die Straftaten letztlich deshalb begangen hat, um seine Flucht vor der drohenden Freiheitsstrafe finanzieren zu können. Diese hier vom Landgericht festgestellte Motivlage spricht für eine Tat, die aus einer aktuellen persönlichen Situation des Angeklagten erwachsen ist.
Das Landgericht ist dabei auch zurecht von der Einschätzung des Sachverständigen abgewichen, weil dieser den Hang des Angeklagten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB im Ergebnis letztlich mit dessen Wertindifferenz begründet hat. Dieser Gesichtspunkt ist aber nicht tragfähig (BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 10). Vielmehr kann auch ohne eine entsprechende Gewissensausbildung allein die Furcht vor Strafe – insbesondere bei Taten wie der Steuerhinterziehung – den notwendigen Gesetzesgehorsam bewirken. Deshalb reicht eine sich aus dem Fehlen einer moralischen Verankerung ergebende Tatneigung für die Annahme eines Hanges, der von der Rechtsprechung (BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 1, 4) als eingeschliffener innerer Zustand definiert wird, nicht aus. Insoweit hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, daß der Angeklagte als ein kühl Vor- und Nachteile abwägender Vermögensstraftäter durch den Vollzug einer längeren Freiheitsstrafe zu beeindrucken sein wird. Erst wenn dieses Mittel versagt, wird sich die Einschätzung, der Angeklagte werde um seiner persönlichen Bereicherung willen regelmäßig das Risiko einer Straftat eingehen, rechtfertigen lassen. Das Landgericht hat sich daher im Hinblick auf das vom Sachverständigen geschilderte Persönlichkeitsprofil des Angeklagten nicht davon überzeugen können, daß schon jetzt ein Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB angenommen werden kann. Dies ist – auch wenn dies in den Gründen der landgerichtlichen Entscheidung ebensowenig unterschieden wird wie von der Beschwerdeführerin – keine Frage der Ermessensausübung im Sinne des § 66 Abs. 2 StGB, sondern betrifft die vorgelagerte Feststellung eines Hanges im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB (vgl. BGH, Urt. vom 21. März 2002 – 5 StR 14/02).
Unterschriften
Harms, Raum, Brause, Schaal, Hubert
Fundstellen
HFR 2003, 518 |
Inf 2003, 88 |
ZAP 2002, 1407 |
wistra 2003, 20 |
NStZ-RR 2003, 20 |
StV 2004, 25 |
StraFo 2003, 101 |