Leitsatz (amtlich)
Zu der Frage, ob ein Anwaltsnotar, der bei einem Anlagegeschäft als Treuhänder eingeschaltet wird, als Notar oder als Rechtsanwalt tätig wird.
Zu der Frage, wann ein Anlagegeschäft ein unerlaubtes Bankgeschäft darstellt.
Normenkette
BNotO § 24 Abs. 1; KWG § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1; KWG § 32 Abs. 1 S. 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 28. Juli 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an den 1. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Das Urteil ist im Hinblick auf den Beklagten zu 1 vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die klagenden Eheleute zeichneten am 1. November 1994 bei E. Gesellschaft für Liegenschaften mbH (im folgenden: E. GmbH), die sich als Bauträger betätigte und deren Geschäftsführer der Erstbeklagte war, auf eine „9 %ige Anleihe – E.-Tranche I über DM 10 Mio.” einen Betrag von 70.000 DM mit einer Laufzeit von drei Jahren. In dem Zeichnungsschein verpflichteten sie sich, diesen Betrag „zu den im erhaltenen Emissionsprospekt festgelegten Bedingungen” innerhalb von 14 Tagen auf das Treuhandkonto „des Treuhänders Herrn Rechtsanwalt und Notar …” (des Zweitbeklagten) zu überweisen. Zugleich unterschrieben die Kläger einen formularmäßigen „Treuhandvertrag” mit dem wiederum als „Rechtsanwalt und Notar” bezeichneten Zweitbeklagten. Darin heißt es, dem Treunehmer (dem Zweitbeklagten) werde „Vollmacht” erteilt, die Abwicklung treuhänderisch durchzuführen, indem er ein Treuhandkonto zugunsten des Treugebers (der Kläger) einrichte, die gezeichneten Anteile/Obligationsscheine entgegennehme, den Treugeber in die Sicherheitenliste eintrage, ihm darüber eine Bestätigung erteile und die Obligationsscheine an den Treugeber versende. Den auf seinem Treuhandkonto eingehenden Betrag sollte der Zweitbeklagte dann unter bestimmten Voraussetzungen an E. GmbH weiterleiten dürfen. Ein von dem Zweitbeklagten gegengezeichnetes und mit dem Stempel „Rechtsanwalt und Notar” versehenes Exemplar dieser Vordrucke überließ dieser den Klägern.
Diese überwiesen den im Zeichnungsschein übernommenen Betrag auf das ihnen angegebene Treuhandkonto des Zweitbeklagten. Dieser verfuhr damit wie in dem Treuhandauftrag vereinbart und leitete den eingezahlten Betrag im wesentlichen an E. GmbH weiter.
In der Folgezeit beanstandete das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen die Emission als unerlaubtes Bankgeschäft. Daraufhin gründeten die Beklagten Anfang 1995 die E. 1. Beteiligungsgesellschaft bürgerlichen Rechts (im folgenden: E. GbR). Zweck dieser Gesellschaft war die Gewährung eines Darlehens in Höhe von 6 Mio. DM an E. GmbH. Beide Beklagten waren an der E. GbR zunächst zu gleichen Teilen beteiligt. Dem Zweitbeklagten, der als sogenannter Treuhandgesellschafter tätig werden sollte, war es jedoch gestattet, weitere Gesellschafter aufzunehmen und das Kapital der Gesellschaft entsprechend zu erhöhen. Dadurch sollte es denjenigen, die eine Anleihe gezeichnet hatten, ermöglicht werden, diese in eine Gesellschaftsbeteiligung umzuwandeln.
In einem Rundschreiben vom 4. April 1995 wies der Erstbeklagte die Anleger darauf hin, daß das Anleihegeschäft wegen der Bedenken des Bundesaufsichtsamtes nicht fortgeführt werden könne und daß deswegen eine rechtliche Neukonstruktion beabsichtigt sei. Die Anleger könnten den bisher als Anleihe zur Verfügung gestellten Betrag entweder zurückerhalten oder sich damit an der E. GbR beteiligen. Diese habe der E. GmbH ein jährlich mit 9,1 % zu verzinsendes Darlehen gewährt, das nach Einzahlung der Gesellschaftseinlagen valutiert werden solle und im bisherigen Umfang durch Grundpfandrechte und Mietzinsforderungen abgesichert sei.
Am 10. April 1995 unterzeichneten die Kläger eine Beitrittserklärung. Damit war ein Angebot auf Abschluß eines „Treuhandvertrages” verbunden. Danach sollte der Zweitbeklagte beauftragt und bevollmächtigt werden, die Anleihe bei E. GmbH zu kündigen und mit den dadurch freigesetzten Mitteln namens der Treugeber den Beitritt zur E. GbR zu bewirken. Gemäß Ziff. I 4 b dieses (zweiten) Treuhandauftrages setzte die Bewirkung des Beitritts durch den Zweitbeklagten voraus, „daß die Erzielung der in der Beitrittserklärung angegebenen voraussichtlichen Ausschüttung für die Laufzeit der Beteiligung gewährleistet und die Investition der Gesellschaft in Höhe der Gesamtheit der von den Treugebern übernommenen Einlagen durch grundbuchmäßige Sicherheiten, deren Werthaltigkeit durch ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen nachgewiesen wurde, … gesichert ist”. Die Beitrittserklärung wurde von dem Zweitbeklagten am 23. November 1995 gegengezeichnet.
Am 18. März 1996 wurde ein am 29. Januar 1996 gestellter Antrag der E. GmbH auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens abgelehnt und das Anschlußkonkursverfahren eröffnet.
Die zunächst auf Zahlung von 81.909,14 DM gerichtete – später auf 67.930 DM ermäßigte – Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung. Da der Erstbeklagte zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, war insoweit durch Versäumnisurteil, jedoch aufgrund umfassender Sachprüfung, zu entscheiden (vgl. BGHZ 37, 79, 81 f).
A.
Das Berufungsgericht hat sein Urteil wie folgt begründet:
Schadensersatzansprüche gegen den Zweitbeklagten aus positiver Vertragsverletzung des ersten Treuhandauftrages seien allenfalls wegen eines unterlassenen Hinweises auf § 54 KWG denkbar. Der Zusammenhang des von den Klägern geltend gemachten Schadens, nämlich der Wertlosigkeit ihrer Gesellschaftsbeteiligungen an der E. GbR, mit dieser Unterlassung sei jedoch so entfernt, daß der Kausalzusammenhang unterbrochen sei. Zudem sei der unterlassene Hinweis mit Schreiben des Erstbeklagten vom 4. April 1995 nachgeholt worden. Eine Schlechterfüllung des zweiten Treuhandauftrages sei nicht dargetan.
Dessen Ziffer I 4 b sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil sie sich nur auf neu gewonnene Gesellschafter, nicht auf umwandlungswillige Anleger beziehe. Daß die Abtretung von Mietzinsforderungen nur bei Realisierung der Bauvorhaben Sicherheit biete, sei selbstverständlich; darauf habe der Zweitbeklagte deshalb nicht hinweisen müssen.
Schadensersatzansprüche gegen den Erstbeklagten aus unerlaubter Handlung seien ebensowenig schlüssig vorgetragen. Es sei nicht ersichtlich, daß der Erstbeklagte eine unzureichende Absicherung der Forderungen der Anleger billigend in Kauf genommen habe.
B.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
I. Zur Haftung des Zweitbeklagten
1. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand ist eine Haftung des Zweitbeklagten wegen schuldhafter Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem ersten Treuhandverhältnis nicht auszuschließen.
a) Allerdings scheidet der vom Berufungsgericht in Erwägung gezogene Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung aus, weil der Zweitbeklagte, wie die Revision mit Recht geltend macht, als Notar tätig geworden ist.
aa) Daß der Zweitbeklagte bei Abschluß und Durchführung des ersten Treuhandgeschäfts, das die Entgegennahme und Abwicklung der „E.”-Einlage zum Gegenstand hatte, als Notar und nicht als Rechtsanwalt gehandelt habe, war in den Tatsacheninstanzen ausdrücklich zwar erst in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz geltend gemacht worden. Indes hatten die Kläger schon zuvor vorgetragen, sie hätten dem Zweitbeklagten „als Rechtsanwalt und Notar” besonderes Vertrauen entgegengebracht. Außerdem waren die maßgeblichen Urkunden vorgelegt worden. Das Berufungsgericht hätte also Anlaß für die Prüfung gehabt, ob das Handeln des Zweitbeklagten seinem notariellen oder seinem anwaltlichen Tätigkeitsbereich zuzuordnen war. Eine derartige Prüfung hat es unterlassen.
bb) Nach § 24 Abs. 2 Satz 1 BNotO ist anzunehmen, daß ein zugleich als Rechtsanwalt zugelassener Notar dann als Notar tätig wird, wenn er Handlungen der in § 24 Abs. 1 BNotO bezeichneten Art vornimmt, die dazu bestimmt sind, Amtsgeschäfte der in den §§ 20 bis 23 BNotO bezeichneten Art vorzubereiten oder auszuführen. Liegen die Voraussetzungen dieser Bestimmung nicht vor, ist nach § 24 Abs. 2 Satz 2 BNotO im Zweifel anzunehmen, daß der Anwaltsnotar als Rechtsanwalt tätig geworden ist. Derartige Zweifel bestehen nicht, wenn nach den objektiven Umständen, insbesondere der Art der Tätigkeit, eine Aufgabe zu erfüllen ist, die in den Bereich notarieller Amtstätigkeit fällt. Dies trifft zu, wenn nicht einseitige Interessenwahrnehmung in Rede steht, sondern eine neutrale, unparteiische Berücksichtigung der Belange sämtlicher Beteiligter (vgl. BGHZ 134, 100, 104 f m.w.N.; BGH, Urt. v. 4. Dezember 1997 – IX ZR 41/97, WM 1998, 335, 337; Zugehör ZNotP 1997, 42 ff). Die Beschreibung der dem Zweitbeklagten nach dem ersten Treuhandauftrag obliegenden Aufgaben belegt, daß er gegenüber den Anlegern als unabhängige, überparteiliche Instanz – also nicht als Rechtsanwalt, sondern als Notar – in Erscheinung treten sollte. Außerdem war im Emissionsprospekt vielfach auf die Mitwirkung eines Notars hingewiesen worden. So heißt es z.B. unter Ziffer 9 der (auch auf der Rückseite des Obligationsscheins abgedruckten) Anlagebedingungen, daß ein Notar als Treuhänder eingeschaltet werden könne. Im übrigen oblagen dem Zweitbeklagten nach dem ersten Treuhandvertrag unter anderem die Eintragung des Treugebers in die Sicherheitenliste und die Bestätigung an den Treugeber sowie der Versand der Obligationsscheine an diesen. Die Bestätigung, daß der Treugeber in die Sicherheitenliste eingetragen ist, war in dem Emissionsprospekt als „notarielle” bezeichnet.
cc) Die Umstände, die für die Annahme sprechen, daß der Zweitbeklagte als Notar zu betrachten ist, muß er sich als bekannt zurechnen lassen. Daß er den Emissionsprospekt nicht gekannt habe, behauptet er selbst nicht.
dd) Daß nach der Behauptung des Zweitbeklagten in anderen Fällen auch Personen, die nicht Notare waren, Treuhandaufträge der vorliegenden Art übernommen haben, hindert nicht die Annahme, der Zweitbeklagte habe im vorliegenden Fall – entsprechend den Erwartungen der Anleger – in seiner notariellen Eigenschaft gehandelt.
b) Als Notar kann der Zweitbeklagte indes Amtspflichten verletzt haben (§ 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO). Er hätte gemäß § 14 Abs. 2 BNotO die Übernahme des Treuhandgeschäfts ablehnen müssen, wenn damit erkennbar unerlaubte Zwecke verfolgt wurden. Dies ist nach den bisherigen Feststellungen nicht auszuschließen.
aa) Die Hereinnahme der „E.”-Einlagen kann ein Bankgeschäft im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG gewesen sein. Unter diese Bestimmung fällt die Annahme fremder Gelder als Einlagen oder anderer rückzahlbarer Gelder des Publikums, sofern der Rückzahlungsanspruch nicht in Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen verbrieft wird, ohne Rücksicht darauf, ob Zinsen vergütet werden. Der Begriff der Einlage wird vom Kreditwesengesetz nicht definiert. Nach der Verkehrsauffassung sind Indizien für eine Einlage die Entgegennahme von Geldern von einer Vielzahl von Geldgebern aufgrund typisierter Verträge als Darlehen oder in ähnlicher Weise, das Fehlen einer banküblichen Besicherung und die Absicht der Mittelverwendung für eigene Zwecke (BGHZ 125, 366, 380; 129, 90, 92 ff. m.w.N.; Fülbier, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG 2000 § 1 Rn. 36; Szagunn/Haug/Ergenzinger, KWG 6. Aufl. § 1 Rn. 18).
Diese Indizien könnten im vorliegenden Fall erfüllt gewesen sein. Als Einlagen gelten nach der ständigen Praxis des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen insbesondere Verbindlichkeiten, über die – wie hier – eine Namensschuldverschreibung ausgestellt wird (zustimmend Fülbier, aaO § 1 KWG Rn. 43 und § 3 KWG Rn. 5; Szagunn/Haug/Ergenzinger, aaO; ablehnend Canaris, BB 1978, 227, 229 f).
Allerdings reichen die genannten Indizien möglicherweise noch nicht aus, um das Einlagengeschäft als Bankgeschäft von der sonstigen, nicht verbotenen Annahme fremder Gelder zu unterscheiden (BGHZ 129, 90, 94; BVerwG WM 1984, 1364, 1367). Die Frage, ob ein Unternehmen fremde Gelder als Einlagen annimmt und dadurch Bankgeschäfte betreibt, ist aufgrund einer Wertung aller Umstände des einzelnen Falles unter Berücksichtigung der bankwirtschaftlichen Verkehrsauffassung zu entscheiden (BGHZ 125, 366, 380 f.; 129, 90, 94; BVerwG aaO). Ein Einlagengeschäft als Bankgeschäft scheidet danach aus, wenn die fremden Gelder nicht in der Absicht entgegengenommen werden, sie für die eigenen Zwecke zu nutzen, vielmehr das Kapital im Interesse des Anlegers möglichst ertragreich woanders angelegt werden (BGHZ 129, 90, 95 f.) oder der Vermögensbildung der Betriebsangehörigen und deren Beteiligung am Unternehmenserfolg dienen soll (BVerwG aaO). Ein gleiches gilt, wenn es sich um ein erkennbar risikobehaftetes Spekulationsgeschäft handelt (BGHZ 129, 90, 96 f.; BGH, Urt. v. 24. August 1999 – 1 StR 385/99, NStZ 2000, 37, 38).
bb) Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG bedurfte E. GmbH für ein als Bankgeschäft zu wertendes Einlagengeschäft der Erlaubnis des Bundesaufsichtsamtes, wenn das Geschäft in einem Umfange betrieben wurde, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erforderte. Dazu ist tatrichterlich nichts festgestellt. Wie sich jedoch aus den bei den Akten befindlichen Obligationsscheinen ergibt, war die Anleihe in 4.000 Stück zu je 2.500 DM aufgeteilt. Bei einem derartigen Massengeschäft liegt es nahe, die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG zu bejahen. Dafür spricht auch die Beanstandung durch das Bundesaufsichtsamt. Eine möglicherweise erforderliche Erlaubnis besaß E. GmbH nicht.
Die Obligationsscheine kannte der Zweitbeklagte, denn er hat sie selbst an die Anleger verschickt. Gegebenenfalls war die Verfolgung unerlaubter Zwecke für ihn also zumindest „erkennbar” im Sinne des § 14 Abs. 2 BNotO.
Die Pflicht, die Mitwirkung an einem Treuhandgeschäft zu versagen, das Bestandteil eines unerlaubten Bankgeschäfts ist, oblag dem Zweitbeklagten auch gegenüber den Treugebern. Die strafbewehrten Genehmigungserfordernisse nach dem Kreditwesengesetz dienen dem Schutz des Publikums (BGHZ 74, 144, 147 ff.; BGH, Urt. v. 8. Mai 1973 – VI ZR 164/71, NJW 1973, 1547, 1549).
c) Eine Pflichtverletzung kann für den Schaden der Kläger kausal gewesen sein. Hätte der Zweitbeklagte die Annahme des Treuhandauftrages unter Hinweis auf das Vorliegen eines verbotenen Bankgeschäfts abgelehnt, liegt es nahe, daß die Kläger dann die Anleihe nicht gezeichnet hätten. Ohne die Betreuung durch einen notariellen Treuhänder, die im Emissionsprospekt werbewirksam herausgestellt worden war, wäre eine Zeichnung – auch und insbesondere aus der Sicht rechtlicher Laien – als überaus riskant erschienen.
d) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat die spätere Umwandlung der Einlage in eine Gesellschaftsbeteiligung den Zurechnungszusammenhang nicht unterbrochen.
Nach der Senatsrechtsprechung kann der Schaden einem Notar haftungsrechtlich nicht mehr zugerechnet werden, wenn der Geschädigte selbst in den Kausalverlauf eingegriffen und dadurch letztlich den Schaden verursacht hat und die Zweithandlung eine ungewöhnliche Reaktion darstellt, die nicht durch die Ersthandlung des Notars herausgefordert wurde (BGH, Urt. v. 7. Januar 1988 – IX ZR 7/87, WM 1988, 392, 394; v. 7. Januar 1993 – IX ZR 199/91, WM 1993, 1189, 1190; v. 6. Juni 1997 – IX ZR 163/96, WM 1997, 1901, 1903; v. 6. Juli 2000 – IX ZR 88/98, WM 2000, 1808, 1810).
Im vorliegenden Fall war die Umwandlung der Einlage in eine Gesellschaftsbeteiligung keine ungewöhnliche, vielmehr eine adäquate Reaktion auf das Verschweigen der kreditaufsichtsrechtlichen Bedenken bei Abschluß des ersten Treuhandvertrages. Beide Beklagten haben im Zusammenwirken dazu beigetragen, daß sich die Wiederanlage des an die E. GmbH ausgekehrten Anlagebetrages durch Erwerb einer Mitgliedschaft in der E. GbR aus der Sicht der Kläger lediglich als ein – sachlich bedeutungsloser – rechtlicher Formwechsel darstellte, der durch die Beanstandungen der Kreditaufsicht erforderlich geworden war. An der Grundkonzeption des Anlagegeschäfts sollte die Umstrukturierung – wie der Erstbeklagte in dem Schreiben vom 4. April 1995 eigens betont hat – nichts ändern. Das galt insbesondere für die rechtliche Absicherung, die vermeintlich durch die notarielle Treuhandtätigkeit des Zweitbeklagten im Zusammenhang mit der Anleihezeichnung gewährleistet war und durch seine neuerliche Einschaltung bei der Umwandlung der Einlage gewährleistet bleiben sollte.
Unerheblich ist, daß das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen nach der Behauptung des Zweitbeklagten die Umwandlung für zulässig gehalten hat. Dieser Umstand hat nicht zur Folge, daß die Kläger sich so behandeln lassen müssen, wie wenn das Anlagegeschäft von Anfang an rechtlich unbedenklich gewesen wäre. Daran wäre allenfalls dann zu denken, wenn die Beklagten im April 1995 die Beanstandungen des Bundesaufsichtsamtes den Klägern offen mitgeteilt und diese sich daraufhin in voller Kenntnis aller Umstände entschlossen hätten, ihr Geld der E.-Gruppe zu belassen. Tatsächlich hat der Erstbeklagte aber mit Schreiben vom 4. April 1995 die Situation verharmlost. Die Adressaten mußten den Eindruck gewinnen, die – von dem Erstbeklagten so genannte – „rechtliche Umkonstruktion” sei allein aus Gründen erfolgt, die nichts mit den Interessen der Anleger zu tun haben, und sei letztlich auch ihnen von Nutzen („…haben wir uns daher im Interesse sämtlicher Beteiligter zu einer rechtlichen Umkonstruktion entschlossen”).
2. Auch in bezug auf den zweiten Treuhandauftrag, der erst mit der Annahme durch den Zweitbeklagten am 23. November 1995 wirksam geworden ist, kommen Pflichtverletzungen des Zweitbeklagten in Betracht (§ 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO).
Bevor der Zweitbeklagte insofern seine Tätigkeit aufnahm, ist er den Klägern von dem Erstbeklagten nochmals als Notar vorgestellt worden. In dem Schreiben vom 4. April 1995 heißt es: „Damit Ihnen kein zusätzlicher Aufwand durch die Abwicklung entsteht, überprüft ein als Treuhänder eingeschalteter Notar zusätzlich die Werthaltigkeit der von der E. übergebenen Sicherheiten und nimmt ferner auch Ihre Rechte als Gesellschafter … wahr.” Daß er von dem Inhalt dieses Schreibens keine Kenntnis gehabt habe, behauptet der Zweitbeklagte nicht.
Die Revision rügt mit Recht, daß das Berufungsgericht auch in bezug auf den zweiten Treuhandauftrag den Prozeßstoff nicht ausgeschöpft (§ 286 ZPO) und die materielle Rechtslage verkannt habe. Die Kläger haben vorgetragen, daß die Einlage schon verloren gewesen sei, als der Zweitbeklagte die Beitrittserklärung gegengezeichnet und an E. GbR weitergeleitet habe. Der Zweitbeklagte hätte den Beitritt nicht herbeiführen dürfen, weil die Voraussetzungen gemäß dem (zweiten) „Treuhandvertrag” nicht vorgelegen hätten. Dem einen hat das Berufungsgericht keine Beachtung geschenkt; das andere hat es zwar verneint, indes aufgrund eines unzutreffenden Verständnisses vom zweiten Treuhandauftrag. Die Auffassung, daß dessen Ziffer I 4 b sich „offensichtlich” nur auf neu gewonnene Gesellschafter und nicht auf frühere Anleger beziehe, ist rechtlich nicht haltbar. Sie findet im Wortlaut des zweiten Treuhandauftrages keinen Anhalt und ist mit dessen Sinn und Zweck nicht vereinbar. Auch wenn die Beteiligung an der GbR Neukunden ebenfalls offenstehen sollte, diente die Gründung der GbR – und die neuerliche Einschaltung des Zweitbeklagten als Treuhänder – nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hauptsächlich dazu, denjenigen Kunden, die aufgrund der verbotenen Emission eine Anleihe gezeichnet hatten, deren Umwandlung in eine Gesellschaftsbeteiligung zu ermöglichen. Gründe dafür, weshalb die Ziffer I 4 b – eine zentrale Bestimmung des Treuhandauftrags – für den weitaus größten Teil der potenziellen Treugeber nicht hätte gelten sollen, sind nicht ersichtlich. Der Hinweis des Berufungsgerichts darauf, daß die Gelder der früheren Anleger bereits aufgrund des ersten Treuhandauftrages an „die E.” weitergeleitet worden seien, fruchtet deshalb nicht, weil es insoweit die GmbH mit der GbR verwechselt hat. Wie sich schließlich aus dem Schreiben des Zweitbeklagten vom 23. November 1995 ergibt, ist er selbst davon ausgegangen, den Klägern nach Ziffer I 4 b des Treuhandauftrages verantwortlich zu sein.
Da die Ziffer I 4 b des zweiten Treuhandauftrages auch für das Treuhandverhältnis der Kläger zum Zweitbeklagten gilt, hätte sich dieser über den aktuellen Wert der dinglichen Sicherheit vergewissern müssen, ehe er die Beitrittserklärung weiterleitete und damit den Beitritt bewirkte. Daß er zuvor die „grundbuchmäßigen Sicherheiten” geprüft habe, behauptet er selbst nicht. Wegen der schon im Frühsommer 1995 vorliegenden Unterdeckung durch die eingetragenen Grundschulden wird auf die Ausführungen unter II. verwiesen. Ebensowenig konnte davon die Rede sein, daß die Auszahlung der Ausschüttungen durch Mieteinnahmen sichergestellt war. Das zu vermietende Objekt ist – wie der Zweitbeklagte selbst vorgetragen hat – nie fertiggestellt worden.
3. Der von der Revisionserwiderung in der mündlichen Verhandlung erhobene Mitverschuldenseinwand hat keinesfalls zur Folge, daß die Haftung des Zweitbeklagten völlig entfällt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist es nicht zutreffend, daß die Kläger – wie die Revisionserwiderung geltend gemacht hat – bei der Anlage ein wirtschaftliches Risiko gesehen und in Kauf genommen hätten. Vielmehr hat der Zweitbeklagte das seine dazu beigetragen, daß die Kläger von der Seriosität und Sicherheit der Anlage überzeugt waren. Ihr letztlich auf dem Ansehen des Notaramtes fußendes Vertrauen kann ihnen grundsätzlich nicht als Mitverschulden angerechnet werden (vgl. BGHZ 134, 100, 114 f.).
Das Schreiben des Zweitbeklagten an die Kläger vom 23. November 1995, auf das die Revisionserwiderung in diesem Zusammenhang hingewiesen hat, ist insofern unbeachtlich. Allerdings hat der Zweitbeklagte in diesem Schreiben versucht, seine Verantwortlichkeit einzuschränken. Insbesondere hat er zum Ausdruck gebracht, nicht „für die wirtschaftlichen Ergebnisse … einstehen” zu können. Ob dieses Schreiben für die Kläger Anlaß zu größerer Vorsicht hätte sein können, kann dahinstehen. Da der Zweitbeklagte am selben Tage, an dem er das Schreiben verfaßt hat, den Beitritt der Kläger zur GbR bewirkt hat, hatten diese keine Möglichkeit mehr, den Schadenseintritt zu verhindern. Unter diesen Umständen liegt nicht einmal nahe, daß den Klägern überhaupt ein Mitverschulden anzulasten ist. Letztlich hat darüber aber zunächst einmal der Tatrichter zu entscheiden.
II. Zur Haftung des Erstbeklagten
Die Revision rügt mit Erfolg, daß das Berufungsgericht bei der Prüfung einer Haftung aus §§ 823 Abs. 2 i.V.m. § 263 StGB, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 32 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 KWG, § 826 BGB die Voraussetzungen an die Darlegungslast verkannt und Vorbringen der Kläger übergangen hat (§ 286 ZPO).
Die Kläger haben vorgetragen, der Erstbeklagte habe am 19. November 1995 in einer Besprechung, an der unter anderem der Instanzanwalt der Kläger teilgenommen habe, eingeräumt, daß das unter dem 2. April 1994 erstattete Wertgutachten des Sachverständigen A., wonach das – mit einer Grundschuld zugunsten der Anleger belastete – Baugrundstück in E. 11,7 Mio. DM wert sei, „von vornherein unzutreffend” gewesen sei. Der von dem Sachverständigen ermittelte Wert sei „exorbitant überhöht” gewesen. Er – der Erstbeklagte – gehe von einem Verkehrswert von 5 bis 6 Mio. DM aus. Dieser Vortrag war schlüssig. Aus ihm ergab sich die Kenntnis des Erstbeklagten von einer – sowohl den Versprechungen im Emissionsprospekt als auch den Angaben im Schreiben vom 4. April 1995 zuwiderlaufenden – mangelhaften Besicherung der Einlagen. Denn die Grundschuld hatte nur die dritte Rangstelle. Nach der Behauptung der Kläger gingen ihr anderweitige Pfandlasten in Höhe von mindestens 2,442 Mio. DM im Range vor. Da die Emission einen Umfang von 10 Mio. DM erreichen sollte, lag es auf der Hand, daß die Grundschuld keine ausreichende Sicherheit bot. Im übrigen hat ein anderer Sachverständiger, H., etwa ein halbes Jahr nach der Begutachtung durch den Sachverständigen A. nur noch einen Verkehrswert von 3,2 Mio. DM ermittelt.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts rechtfertigt das Vorbringen der Kläger den Schluß, daß der Erstbeklagte eine Untersicherung der Anleger billigend in Kauf genommen hat. Ganz besonders gilt dies für den Zeitpunkt der Umwandlung der Einlage in eine Gesellschaftsbeteiligung. In dem Schreiben vom 4. April 1995, in dem der Erstbeklagte die Anleger für diese „Umkonstruktion” zu gewinnen suchte, sprach er davon, die Anleihe sei durch eine werthaltige Grundschuld von 10 Mio. DM gesichert. Im Prozeß hat er vortragen lassen, die unterschiedlichen Ergebnisse der Sachverständigen A. und H. erklärten sich durch eine „starke Rezession auf dem Grundstücksmarkt in Ostdeutschland”. Als auf dem Immobiliensektor Tätiger ist ihm diese Rezession möglicherweise schon damals nicht verborgen geblieben. Dann durfte er im Frühsommer 1995 nicht einmal mehr von einem Wert von 5 bis 6 Mio. DM ausgehen, sondern hätte selbst eine neue Begutachtung in Auftrag geben müssen. Sein eigener Vortrag könnte deshalb dafür sprechen, daß die Zusicherung im Schreiben vom 4. April 1995 ins Blaue hinein erfolgte. Wenn es zutrifft, wie er selbst behauptet, daß die Einlagen zu diesem Zeitpunkt noch hätten zurückgezahlt werden können, sind die Anleger durch das vom Erstbeklagten erweckte Vertrauen in seine Angaben geschädigt worden.
Zu Unrecht nicht berücksichtigt hat das Berufungsgericht auch die in diesem Schreiben fälschlich erteilte Zusicherung, die Auszahlung der Zinsen an die Anleger sei „durch Eingang von Mieten in entsprechender Höhe … gewährleistet”. Das Objekt hat das Stadium der Vermietbarkeit nie erreicht. Es ist vielmehr im Bau steckengeblieben. Die Beklagten haben im Prozeß denn auch nur noch davon gesprochen, die Besicherung durch Mietzinsansprüche sei „beabsichtigt” gewesen.
III. Zur Verjährung
Die von den Beklagten erhobene Verjährungseinrede greift weder in bezug auf die Notarhaftung noch in bezug auf die deliktische Haftung durch. Die Klageänderung, mit der die Schadensersatzansprüche gegen beide Beklagten erstmals geltend gemacht wurden, war bereits in der Berufungsbegründungsschrift im Kern enthalten. Hier haben die Kläger ihr Begehren auch auf den Sachverhalt gestützt, den sie mit Schriftsatz vom 28. Februar 1998 in erweiterter Form zur ausschließlichen Grundlage ihrer Klage gemacht haben. Die Berufungsbegründung wurde den Prozeßbevollmächtigten der Beklagten am 26. Juli 1996 zugestellt. Zu diesem Zeitpunkt war die dreijährige Verjährungsfrist (§ 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO i.V.m. § 852 BGB bzw. § 852 BGB unmittelbar) selbst dann noch nicht abgelaufen, wenn der 1. November 1994 als frühest möglicher Zeitpunkt des Schadenseintritts zugrunde gelegt wird.
C.
Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist – weil noch nicht entscheidungsreif – an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei macht der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.
Bei seiner erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das Berufungsgericht insbesondere festzustellen haben, ob die Hereinnahme der „E.”-Einlagen die Voraussetzungen eines verbotenen Bankgeschäfts erfüllt und ob die Kläger bei zutreffender Aufklärung durch den Zweitbeklagten die Anleihe nicht gezeichnet hätten. Falls es nicht bereits wegen Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem ersten Treuhandauftrag zu einer Haftung des Zweitbeklagten gelangt, wird das Berufungsgericht weiter prüfen müssen, ob die Umwandlung der Einlage in eine Gesellschaftsbeteiligung wegen des in diesem Zeitpunkt nicht (mehr) ausreichenden Bestands der Sicherheiten den Klägern nicht angeraten werden durfte. In bezug auf den Erstbeklagten wird das Berufungsgericht der Frage nachgehen müssen, ob er bei Abfassung seines Schreibens vom 4. April 1995 gewußt hat, daß die Einlagen nicht oder nicht mehr zureichend gesichert waren.
Das Berufungsgericht wird erforderlichenfalls noch erwägen müssen, ob den Erstbeklagten als Geschäftsführer der E. GmbH eine Prospekthaftung trifft (vgl. BGHZ 115, 213, 218; 126, 166, 169; BGH, Urt. v. 1. Dezember 1994 – III ZR 93/93, NJW 1995, 1025; v. 26. September 2000 – X ZR 94/98, NJW 2001, 360, 363, zVb in BGHZ). Dabei wird zu beachten sein, daß Prospekthaftungsansprüche in sechs Monaten ab Kenntnis des Prospektfehlers, spätestens drei Jahre nach dem Erwerb des Anteils verjähren (BGHZ 111, 314, 321 f; BGH, Urt. v. 18. Dezember 2000 – II ZR 84/99, WM 2001, 464).
Unterschriften
Kreft, Stodolkowitz, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Zugehör ist ortsabwesend und deshalb verhindert, seine Unterschrift beizufügen. Kreft, Ganter, Raebel
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 29.03.2001 durch Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 599863 |
DB 2001, 2443 |
BGHR 2001, 692 |
NJW-RR 2001, 1639 |
EWiR 2001, 757 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 1204 |
WuB 2002, 329 |
ZIP 2001, 1503 |
MDR 2001, 948 |
RNotZ 2001, 527 |
ZBB 2001, 279 |