In dieser Agenda-Entscheidung befasste sich das IFRS IC mit der Frage, ob ein Softwarehändler im dargestellten Sachverhalt als Prinzipal oder als Agent bei der Anwendung von IFRS 15 zu behandeln ist.
Die Entscheidung des IFRS IC erfolgte auf der Basis des folgenden Sachverhalts:
- Ein Händler hat eine Vertriebsvereinbarung mit einem Softwarehersteller, die dem Händler das Recht einräumt, die Standardsoftwarelizenzen des Herstellers an Kunden zu verkaufen. Der Händler ist verpflichtet, jeden Kunden vor dem Verkauf der Softwarelizenzen zu beraten, um die Art und Anzahl der Softwarelizenzen zu ermitteln, die den Bedürfnissen des Kunden entsprechen. Außerdem legt der Händler die Preise für die Softwarelizenzen fest.
- Falls der Kunde sich entscheidet, keine Softwarelizenzen zu kaufen, bezahlt er nichts. In diesem Fall kommt zwischen dem Händler und dem Kunden kein Vertrag zustande. Falls der Kunde sich für den Kauf einer bestimmten Art und Anzahl von Softwarelizenzen entscheidet, legt der Händler den Preis fest, gibt im Namen des Kunden eine Bestellung beim Softwarehersteller auf (und bezahlt den Hersteller) und stellt dem Kunden den vereinbarten Preis in Rechnung.
- Der Softwarehersteller stellt dem Kunden die bestellten und auf seinen Namen ausgestellten Softwarelizenzen über ein Softwareportal zusammen mit dem benötigten Aktivierungsschlüssel zur Verfügung. Der Softwarehersteller und der Kunde schließen einen Vertrag, in dem das Recht des Kunden zur Nutzung der Software, eine Garantie für die Funktionalität der Software und die Laufzeit der Lizenz festgelegt sind.
- Wenn der Händler den Kunden falsch berät, kann der Kunde die Lizenzen ablehnen. Der Händler kann die nicht abgenommenen Lizenzen nicht an den Softwarehersteller zurückgeben oder an einen anderen Kunden verkaufen.
Die Einstufung des Händlers als Agent oder Prinzipal erfolgt nach den Regelungen in IFRS 15.B34 – B38. Wenn eine andere Partei an der Lieferung der Güter oder an der Erbringung der Dienstleistung an den Kunden beteiligt ist, hat das Unternehmen die Art seiner Zusage zu bestimmen und festzustellen, ob seine Leistungsverpflichtung darin besteht, die Güter zu liefern oder die Dienstleistung selbst zu erbringen (in diesem Fall agiert es als Prinzipal), oder darin, diese andere Partei mit der Lieferung der Güter bzw. Erbringung der Dienstleistung zu beauftragen (in diesem Fall agiert es als Agent).
Um die Art der Zusage zu bestimmen, sind nach IFRS 15.B34A zunächst die gemäß Vertrag versprochenen Güter und Dienstleistungen zu bestimmen. Anschließend ist zu prüfen, ob der Händler für jedes spezifische Gut und jede spezifische Dienstleistung vor der Übergabe an den Kunden die Verfügungsgewalt i. S. v. IFRS 15.33 besitzt. Bei dieser Beurteilung können die Indikatoren aus IFRS 15.B37 bezüglich der Übertragung der Verfügungsgewalt herangezogen werden.
Für den vorliegenden Sachverhalt entschied das IFRS IC, dass die dem Kauf der Softwarelizenzen vorgelagerte Beratung durch den Händler zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits abgeschlossen und damit keine Leistung gegenüber dem Kunden ist. Demnach stellen die Standardsoftwarelizenzen die spezifischen Güter nach IFRS 15.B34A dar.
Ob der Händler Verfügungsgewalt über die Standardsoftwarelizenzen vor Übertragung an den Kunden hatte, beantwortete das IFRS IC nicht. Stattdessen verwies es auf den Ermessensspielraum des Händlers in Abhängigkeit von den spezifischen Vertragsbedingungen zwischen allen 3 Parteien. Falls nach Anwendung der Grundsätze und Anforderungen an die Verfügungsgewalt in IFRS 15 unklar ist, ob der Händler Prinzipal oder Agent ist, müssen die Indikatoren gemäß IFRS 15.B37 herangezogen werden.
Des Weiteren stellte das IFRS IC fest, dass wesentliche Bilanzierungsmethoden nach IAS 1 offenzulegen und die in IFRS 15.119 und IFRS 15.123 geforderten Angaben bezüglich der Leistungsverpflichtungen und getroffenen Ermessensentscheidungen zu beachten sind.
Das IFRS IC kam zu dem Schluss, dass die Grundlagen und Anforderungen in den IFRS eine angemessene Basis für die Bestimmung, ob der Händler als Prinzipal oder Agent handelt, darstellen. Daher entschied es, diese Fragestellung nicht auf seine Agenda für die Standardsetzung aufzunehmen.
In Übereinstimmung mit § 8.7 des Due Process Handbook hat der IASB diese Agenda-Entscheidung in seiner Sitzung im April 2022 diskutiert und nicht beanstandet. Sie wurde deshalb im April 2022 in einem Addendum zum IFRIC Update April 2022 veröffentlicht.