1. Fehlerbegriff
Notwendige Bedingung für die Bilanzberichtigung ist, dass der Bilanzposten dem Ansatz oder der Höhe nach gegen steuerrechtliche Vorschriften verstößt.
Fehlerhafte Wirtschaftsgüter und Rechnungsabgrenzungsposten: Eine Bilanzberichtigung kommt in Frage, wenn Wirtschaftsgüter (WG) oder Rechnungsabgrenzungsposten dem Grunde oder der Höhe nach unrichtig angesetzt wurden.
Beraterhinweis Eine fehlerhafte (z.B. gewinnneutrale statt gewinnwirksame) frühere Einbuchung führt nicht zur Unrichtigkeit eines Bilanzpostens. Sie bietet damit keinen Raum für eine Bilanzberichtigung.
Entnahmen und Einlagen: Auch der unrichtige Ansatz oder Ausweis der einzelnen Teilbeträge des Kapitals bzw. der Zusammensetzung des Eigenkapitals durch unterbliebene oder unzutreffende Erfassung von Entnahmen und Einlagen berechtigt zur Bilanzberichtigung.
Objektiver Fehlerbegriff: Unter Berücksichtigung des doppelten Fehlerbegriffs ist ein Bilanzposten zu berichtigen, wenn er objektiv die vorgenannten Bedingungen erfüllt. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung gemäß einer vertretbaren rechtlichen Beurteilung bilanziert, diese jedoch gegen die objektiv richtige Rechtslage verstößt.
Beachten Sie: Die Rechtsprechung des BFH gilt bereits dann der Allgemeinheit als bekannt, wenn sie zwar nicht veröffentlicht ist, ihre Ergebnisse aber aus den EFG-Mitteilungen über den Ausgang von Rechtsmittelverfahren gegen in den EFG abgedruckte FG-Urteile ersichtlich sind.
Beraterhinweis Ausnahmsweise ist eine im Zeitpunkt der Aufstellung nach pflichtgemäßer und gewissenhafter Prüfung objektiv richtige Bilanz rückwirkend zu berichtigen, wenn im Nachhinein die Voraussetzungen für eine vorgenommene Sonderabschreibung entfallen, weil z.B. eine gesetzlich vorgeschriebene Behalte- oder Nutzungsfrist nicht eingehalten wird.
Subjektiver Fehlerbegriff: Geht der Steuerpflichtige bei der Bilanzierung hingegen von unzutreffenden Tatsachen aus (Prognosen oder Schätzungen) aus, ohne dabei gegen die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten verstoßen zu haben, ist die Bilanz als subjektiv richtig zu werten.
Außerbilanzielle Korrekturen: Fehlerhafte außerbilanzielle Korrekturen, wie z.B.
- eine unzutreffende Hinzurechnung nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben,
- ein unkorrekter Abzug der steuerfreien Einnahmen i.R.d. Halb- oder Teileinkünfteverfahrens oder
- die verkehrte außerbilanzielle Erfassung verdeckter Gewinnausschüttungen etc.,
erfüllen den Fehlerbegriff des § 4 Abs. 2 S. 1 EStG nicht. Sie erlauben mithin keine Bilanzberichtigung.
2. Fehlerkorrektur
Wahlrecht: Sind die Voraussetzungen der Bilanzberichtigung erfüllt, so darf der Steuerpflichtige die Vermögensübersicht ändern. Eine wirksame Bilanzänderung sieht die tatsächliche Erstellung einer geänderten Bilanz durch den Steuerpflichtigen zwingend vor.
Beraterhinweis Die Finanzbehörde ist zu einem abweichenden Ansatz der Besteuerungsgrundlage gehalten, wenn der Steuerpflichtige seine unrichtige Bilanz nicht ändert (§ 85 AO).
Schätzung der Finanzverwaltung: Hält das FA eine Bilanz für fehlerhaft, darf es diese Bilanz nicht der Besteuerung zugrunde legen und muss eine eigene Gewinnermittlung durch BV-Vergleich mit – gegebenenfalls auf Grundlage der fehlerhaften Bilanz – abgeänderten Ansätzen und Werten vornehmen. Dieses Vorgehen ist keine Bilanzberichtigung i.S.d. § 4 Abs. 2 S. 1 EStG. Erweist sich das Abweichen von einer Bilanz des Steuerpflichtigen später als fehlerhaft und hat der Steuerpflichtige die Abweichung auch nicht in seiner Bilanz nachvollzogen, so ist eine spätere Korrektur nur im Veranlagungsjahr des Fehlers möglich, soweit dies nach den Änderungsvorschriften der AO zulässig ist. Dies gilt zu Gunsten wie zu Ungunsten des Steuerpflichtigen.