Dr. Florian Müller, Dr. Daniel Licht
3.1.1 Begriff der Bilanzberichtigung und Abgrenzung zur Bilanzänderung
Rz. 49
Bei der Anpassung der Steuerbilanz unterscheidet der Gesetzgeber zwischen der Bilanzberichtigung (§ 4 Abs. 2 Satz 1 EStG) und der Bilanzänderung (§ 4 Abs. 2 Satz 2 EStG). Erstere wird erforderlich, wenn ein Bilanzposten (Wirtschaftsgüter, Schulden, RAP) nicht oder nicht korrekt angesetzt wurde; bei der Bilanzberichtigung wird folglich ein fehlerhafter durch den richtigen Bilanzansatz ersetzt.
Bei letzterer geht es dagegen um den Austausch eines richtigen Bilanzansatzes durch einen anderen, ebenfalls richtigen Bilanzansatz, was das Vorliegen eines Wahlrechts impliziert. Dabei ist die Durchführung einer Bilanzberichtigung eine zwingende Voraussetzung zur Vornahme einer Bilanzänderung. Die separierenden Bezeichnungen sind offensichtlich zu einer exakteren Unterscheidung gewählt worden, insbesondere um den Bereich der Bilanzberichtigung auch auf vorangegangene Wirtschaftsjahre aus Gründen der zutreffenden Abschnittsbesteuerung erweitern zu können und um die Anpassungsmöglichkeiten der Steuerbilanzen im Bereich der (bloßen) Bilanzänderung einzuschränken.
Rz. 50
Begriffsunterschiede bei Veränderungen von Bilanzen nach Handels- und Steuerrecht
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Fehlerhafte Darstellung |
Fehlerfreie Darstellung |
Handelsrecht |
Jahresabschlussänderungen |
Steuerrecht |
Bilanzberichtigung |
Bilanzänderung |
3.1.2 Voraussetzungen zur Bilanzberichtigung
3.1.2.1 Persönlicher Anwendungsbereich
Rz. 51
Eine Bilanzberichtigung darf nur der Steuerpflichtige selbst vornehmen. Ist ein Bilanzansatz unter verschiedenen Gesichtspunkten fehlerhaft und kann dies nach Wahl des Steuerpflichtigen durch die eine oder andere Maßnahme beseitigt werden, kann auch hier allein der Steuerpflichtige bestimmen, auf welche Art der Fehler beseitigt werden soll. Steuerpflichtiger i. S. v. § 4 Abs. 2 EStG ist derjenige, dessen Gewinnermittlung betroffen ist; konkret kommen hierzu Einzelunternehmer, Personengesellschaften, die zwar nicht Steuer-, wohl aber Subjekt der Gewinnermittlung sind, und Körperschaften in Betracht. Handelt es sich bei der zu berichtigenden Bilanz um eine Sonder- oder Ergänzungsbilanz, ist der Gesellschafter der Personengesellschaft Steuerpflichtiger i. S.d. § 4 Abs. 2 EStG. Zuständig für die Berichtigung ist bei Einzelunternehmen der Einzelunternehmer selbst; bei Personen- und Kapitalgesellschaften sind es die gesetzlichen Vertreter.
Rz. 52
Die Finanzämter sind selbst nicht berechtigt, die Bilanz zu berichtigen.
Sie sind aber berechtigt und verpflichtet, die Bilanz des Steuerpflichtigen zu überprüfen und, sofern sie die Bilanz für fehlerhaft erachten, eine eigene Gewinnermittlung anzustellen, die dann der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Die eigene Gewinnermittlung des Finanzamts stellt jedoch keine Bilanzberichtigung dar, und zwar auch dann nicht, wenn im Rahmen einer Außenprüfung (§§ 193 ff. AO) eine sog. Prüferbilanz erstellt wird. Diese Pflicht zu einer eigenen Gewinnermittlung folgt für die Finanzämter indes nicht aus § 4 Abs. 2 EStG, sondern aus § 85 AO, wonach die Finanzämter die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben haben; die Finanzämter haben Bilanzierungsfehler demnach sowohl zugunsten als auch zuungunsten der Steuerpflichtigen zu korrigieren. Der Steuerpflichtige kann sich die vom Finanzamt geänderten Werte sodann zu eigen machen und eine Bilanzberichtigung durchführen. Er ist jedoch nicht verpflichtet, unrichtige Bilanzansätze, die das Finanzamt aufgrund eigenen Verschuldens zu Unrecht einer Steuerveranlagung zugrunde gelegt hat, in seine Bilanz zu übernehmen. Ebenso wie die Finanzämter sind auch die Finanzgerichte berechtigt und verpflichtet, die für die Besteuerung zutreffende Bilanz zugrunde zu legen, wobei jedoch die Klageanträge und das Verböserungsverbot zu beachten sind.