Dr. Florian Müller, Dr. Daniel Licht
3.1.3.1 Berichtigung der Bilanz auch nach ihrer Einreichung beim Finanzamt
Rz. 83
Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz EStG darf der Steuerpflichtige die Vermögensübersicht (Bilanz) nach den dargestellten Voraussetzungen auch nach ihrer Einreichung beim Finanzamt ändern. Zwar lässt der Wortlaut ("auch nach ihrer Einreichung") vermuten, dass die Norm auch für frühere Zeitpunkte anwendbar sein könnte; nach dem Telos der Norm soll der Steuerpflichtige jedoch erst mit der Einreichung der Bilanz den Restriktionen der Vorschrift unterliegen. Vor ihrer Einreichung beim Finanzamt ist es dem Steuerpflichtigen jederzeit möglich, die Bilanz zu ändern. Hat der Steuerpflichtige vor Bilanzeinreichung Bilanzierungs- und/oder Bewertungsfehler erkannt, hat er diese ohne Einschränkung zu berichtigen. Er darf dem Finanzamt nur die richtige Bilanz einreichen (vgl. auch § 150 Abs. 2 AO). Bilanzierungsfehler, die zu einer Steuerverkürzung führen, muss der Steuerpflichtige bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist berichtigen (§ 153 AO). Anzumerken bleibt an dieser Stelle noch, dass § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG keine Anwendung findet, wenn eine für ein Einzelunternehmen aufgestellte und eingereichte Bilanz durch eine Bilanz für eine (ggf. bis dahin nicht als solche erkannte) Mitunternehmerschaft ersetzt werden soll, da die Bilanz der Mitunternehmerschaft mit der Bilanz des Einzelunternehmers nicht übereinstimmt.
3.1.3.2 Recht oder Pflicht zur Bilanzberichtigung
Rz. 84
Liegt ein als unrichtig respektive fehlerhaft erkannter Ansatz in der Steuerbilanz vor, so kann der Steuerpflichtige dem zuständigen Finanzamt den spezifischen Fehler mitteilen und dadurch berichtigen. Strittig ist hierbei, ob dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht ("darf") zur Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz EStG zugestanden wird oder ob es sich um eine grundsätzliche Verpflichtung zur Vornahme der Fehlerbeseitigung handelt. Das Schrifttum führt dazu aus, dass es sich lediglich um ein Wahlrecht im Hinblick auf die Berichtigung der Bilanz bzw. deren berichtigte Einreichung beim Finanzamt handeln kann. Insbesondere sei der Steuerpflichtige nicht gehalten, eine von ihm nicht geteilte Rechtsauffassung des Finanzamts hinsichtlich der Bilanzierung zu übernehmen. Auch vor dem Hintergrund des dargestellten Fehlerbegriffs ist die Annahme eines Wahlrechts nachvollziehbar, wenn die Bilanzberichtigung als Instrument zur Korrektur bereits objektiv fehlerhafter Bilanzansätze betrachtet wird, sodass dem Steuerpflichtigen die Korrektur solcher Fehler freigestellt wird, die er selbst bei Anwendung der gebotenen kaufmännischen Sorgfalt nicht hätte vermeiden können. Ungeachtet dessen ist zu beachten, dass der Steuerpflichtige durch § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO weiterhin bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist dazu verpflichtet ist, eine Berichtigung seiner (Steuer-)Erklärung vorzunehmen, wenn diese unrichtig ist und daraus eine Steuerverkürzung resultieren kann. Sonstige Fehler, die zulasten des Steuerpflichtigen gehen, oder sich steuerlich nicht auswirken, "darf" der Steuerpflichige berichtigen, sodass insoweit ein Wahlrecht besteht. Eine generelle Pflicht zur Bilanzberichtigung besteht jedoch nicht; der Steuerpflichtige kann nur im Einzelfall verpflichtet sein, eine Bilanzberichtigung vorzunehmen, so etwa, wenn er durch ein rechtskräftiges Urteil dazu verpflichtet wurde, oder nach dem Grundsatz von Treu und Glauben, wenn der Steuerpflichtige im Wege einer Selbstanzeige die Fehlerhaftigkeit der Bilanz erklärt.