1. Die steuerpflichtigen, zur Einkommensteuer zusammen veranlagten Ehegatten, erzielten im Streitjahr 1992 Einkünfte aus der Vermietung einer Wohnung, für die sie in der Steuererklärung erhöhte, degressive AfA gemäß § 7 Abs. 5 EStG geltend gemacht hatten. Das FA setzte die Einkommensteuer durch Bescheid vom 7. 2. 1994 (Erstbescheid) erklärungsgemäß fest. Der Bescheid erging nach § 165 Abs. 1 AO vorläufig, "soweit dies im Erläuterungsteil ausgeführt ist". Der Bescheid enthält u. a. folgende "Erläuterungen":
„Erläuterung zur Vorläufigkeit
Der Bescheid ist im Hinblick auf anhängige Verfassungsbeschwerden bzw. andere gerichtliche Verfahren vorläufig hinsichtlich der Höhe der Kinderfreibeträge, des Solidaritätszuschlags, der Nichtabziehbarkeit privater Schuldzinsen, der beschränkten Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen.
- Der Bescheid ergeht vorläufig hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, weil z. Z. die Einkunftserzielungsabsicht nicht abschließend beurteilt werden kann (Liebhaberei).
- Auf die Anlage zu diesem Bescheid wird verwiesen.”
In der handschriftlichen Anlage zum Bescheid wird unter "Weitere Begründung und Nebenbestimmungen" ausgeführt: "Die Vorläufigkeit bezieht sich auf das Objekt in B (s. a. Bp-Bericht, Besondere Angaben Nr.10a). Ich bitte um Vorlage entsprechender Unterlagen bzgl. Ersterwerb, Rückkaufsverpflichtung (Einkunftserzielungsabsicht) …".
Das FA änderte am 28. 2. 1994 und am 24. 8. 1994 den Bescheid jeweils gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO und erfasste dabei gesondert und einheitlich festgestellte Einkünfte des Klägers aus der Beteiligung an einer Grundstücksgemeinschaft und gesondert festgestellte Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Die Änderungsbescheide ergingen wiederum vorläufig,"soweit dies im Erläuterungsteil ausgeführt ist". Im Erläuterungsteil wurden jeweils nur die Ausführungen zur Vorläufigkeit im Hinblick auf anhängige Verfassungsbeschwerden bzw. andere gerichtliche Verfahren, nicht jedoch zur Vorläufigkeit hinsichtlich der Einkünfte aus V+V wiederholt.
Das FA änderte sodann die Steuerfestsetzung durch Bescheid vom 12. 10. 1995 gemäß § 165 Abs. 2 AO und gewährte für das Grundstück in B entsprechend den mittlerweile vorliegenden Feststellungen des Bausachverständigen des FA H nur noch die lineare AfA. Gleichzeitig hob das FA die Vorläufigkeit hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf.
Während das Einspruchsverfahren keinen Erfolg hatte, gab das Niedersächsische FG der Klage statt (Urteil v. 24. 2. 1998, EFG 1998 S.1378). Die Revision des FA wurde vom BFH mit Recht als unbegründet zurückgewiesen.
2. An sich kann nach der ständigen Rechtsprechung des BFH eine vorläufige Steuerfestsetzung gemäß § 165 AO nur durch ausdrückliche Erklärung endgültig i. S. von § 165 Abs. 2 AO werden. Ein Vorläufigkeitsvermerk gemäß § 165 AO bleibt danach auch dann wirksam, wenn er in einem nachfolgenden, auf eine andere Änderungsvorschrift gestützten Änderungsbescheid nicht ausdrücklich wiederholt wird.
Das gilt jedoch nicht bei Neubestimmung der Vorläufigkeit im Änderungsbescheid.
Für den Regelungsinhalt der Nebenbestimmung ist danach entscheidend, wie der Adressat ihren materiellen Gehalt nach den ihm bekannten Umständen – seinem "objektiven Verständnishorizont" – unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (vgl. § 133 BGB) verstehen konnte. Da Umfang und Grund der Vorläufigkeit nach § 165 Abs. 1 Satz3 AO anzugeben sind, muss der Steuerpflichtige den in einem Änderungsbescheid enthaltenen – geänderten – Vorläufigkeitsvermerk so verstehen, dass der Umfang der Vorläufigkeit gegenüber dem ursprünglichen Bescheid geändert und nun im Änderungsbescheid abschließend umschrieben worden ist. Es wäre mit dem Grundsatz, dass der Verwaltungsakt mit dem bekanntgegebenen ...