Leitsatz

An eine tatsächliche Verständigung besteht auch dann eine Bindungswirkung, wenn der Steuerpflichtige sich über deren Auswirkungen in den Folgejahren in einem Irrtum befindet.

 

Sachverhalt

Die Klägerin war eine GmbH, die ihren Gesellschafter-Geschäftsführern Pensionszusagen erteilt hatte, die nicht den gesetzlichen Erfordernissen entsprachen. Demgemäß wurde anlässlich einer Betriebsprüfung eine verdeckte Gewinnausschüttung festgestellt. Darüber hinaus hatte sich die Klägerin im Rahmen der Betriebsprüfung mit dem Finanzamt dahingehend geeinigt, dass Zahlungen an einen ausgeschiedenen Gesellschafter für den Erwerb eigener Anteile der GmbH in Höhe von TDM 500 Abfindungen an einen lästigen Gesellschafter und in Höhe von TDM 1.500 Kaufpreis darstellten. Hierbei wurde über die steuerlichen Auswirkungen dieser Verständigung in den Folgejahren nicht gesprochen. Die tatsächliche Verständigung wurde schriftlich niedergelegt. Die Kläger machten sodann geltend, die tatsächliche Verständigung habe keine Bindungswirkung entfaltet, da sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen habe. Insbesondere hätte das Finanzamt auf die steuerlichen Auswirkungen des § 8b Abs. 2 KStG in den Folgejahren hinweisen müssen. Das Finanzamt versagte nämlich unter Bezugnahme auf die tatsächliche Verständigung die Geltendmachung eines Verlusts aus der Veräußerung der eigenen Anteile.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg wies die Klage in vollem Umfang ab. Es betonte, an der Einstufung der Pensionszusage als verdeckte Gewinnausschüttung keinen Zweifel zu haben. Die allgemeinen Voraussetzungen, die der BFH für die Möglichkeit einer tatsächlichen Verständigung festgelegt hat, wurden als gegeben angesehen. Auch konnte das Gericht keinen Verstoß gegen den allgemeinen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben erkennen, der auch für das Steuerrecht gilt. Es sei nicht ersichtlich, weswegen das Ergebnis der Einigung offenbar unrichtig sei. Eine gesetzliche Regelung wie die des § 8b Abs. 2 KStG sei allgemein bekannt. Zudem sei die Klägerin in der Schlussbesprechung steuerlich beraten gewesen, so dass es in ihrem Verantwortungsbereich gelegen habe, sich Klarheit über die steuerlichen Auswirkungen der tatsächlichen Verständigung zu verschaffen. Schließlich sei nicht ersichtlich, dass das Finanzamt die in Kenntnis des Irrtums der Klägerin auf den Abschluss der tatsächlichen Verständigung gedrängt habe.

 

Hinweis

Das Urteil des Finanzgerichts befasst sich mit der Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung über den der Steuerfestsetzung zugrunde liegenden Sachverhalt (vgl. allgemein zu diesem Rechtsinstitut Frotscher, in: Schwarz, AO, § 162 AO Tz. 76ff). Hierzu hat sich auch jüngst das BMF in einem Schreiben vom 30. Juli 2008 (Az. IV A 3 - S 0223/07/10002) geäußert. Hierbei ist es von besonderer Bedeutung zu erkennen, dass eine tatsächliche Verständigung die Beteiligten grundsätzlich auch dann bindet, wenn sich eine der Parteien in einem Irrtum über die steuerlichen Konsequenzen befindet. Eine Anfechtung nach den Bestimmungen des BGB (§§ 119 ff. BGB) wird regelmäßig nicht in Betracht kommen. Neben einer einvernehmlichen Aufgebung der Verständigung ist eine tatsächliche Verständigung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen als unwirksam anzusehen. Dies gilt vor allem bei einer unzulässigen Beeinflussung, Scheingeschäften sowie einem der Gründe, die in § 130 Abs. 2 AO genannt sind. Vor dem Abschluss einer tatsächlichen Verständigung sind deshalb die steuerlichen Konsequenzen eingehend zu prüfen. Da die Klägerin hier steuerlichen vertreten war und der steuerlichen Berater auf die Auswirkungen des § 8b Abs. 2 KStG nach den Feststellungen des Gerichts nicht hingewiesen hat, dürfte es sich um einen Haftungsfall handeln.

 

Link zur Entscheidung

FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.05.2008, 12 K 8065/06 B

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