Leitsatz
Ist in einem an eine Personengesellschaft gerichteten bestandskräftigen Verlustfeststellungsbescheid i.S.v. § 10a GewStG der Fehlbetrag nicht um den Anteil eines ausgeschiedenen Mitunternehmers gekürzt worden, steht der anteilige Fehlbetrag den zum Feststellungszeitpunkt tatsächlich beteiligten Mitunternehmern entsprechend ihrer Beteiligungsquote zur Verrechnung mit deren künftigen Erträgen zur Verfügung.
Normenkette
§ 10a GewStG, § 182 AO
Sachverhalt
Aus der klagenden GmbH & Co. KG waren in den Jahren 1994 und 1995 Kommanditisten ausgeschieden. Dies war bei der Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts unbeachtet geblieben. In den Feststellungsbescheiden bis einschließlich 2000 waren daher anteilige Verluste enthalten, die an sich auf die damals ausgeschiedenen Gesellschafter entfielen. Bei der Verrechnung der Verlustvorträge mit späteren Gewinnen berücksichtigte das FA die auf die ausgeschiedenen Gesellschafter entfallenden Beträge jedoch nicht.
Die KG war der Meinung, der zuletzt auf den 31.12.1996 bestandskräftig festgestellte Verlustvortrag stehe den zu jenem Zeitpunkt beteiligten Gesellschaftern zu. Im Klageverfahren konnte sich die KG damit zunächst nicht durchsetzen (FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30.01.2008, 3 K 536/06, Haufe-Index 1965858).
Entscheidung
Der BFH gab der Revision der KG jedoch statt. Der Verlustbetrag sei den zum Feststellungszeitpunkt beteiligten Gesellschaftern zuzurechnen. Die Klage sei im Übrigen auch zulässig, soweit sich in einigen Jahren wegen der dann möglichen Verlustverrechnung ein geringerer vortragsfähiger Verlust ergebe.
Zur Ermittlung der nun festzustellenden Verlustvorträge wurde das Verfahren an das FG zurückverwiesen. Dabei wies der BFH darauf hin, dass der auf einen ausgeschiedenen Gesellschafter entfallende, aber dennoch in Folgejahren nicht gekürzte Verlustvortrag nach einem späteren Wiedereintritt des Gesellschafters von diesem nicht mehr genutzt werden könne.
Hinweis
1. Ungeachtet des Objektsteuercharakters der GewSt behandelt der BFH die Mitunternehmer als Zuordnungssubjekt des Gewerbeertrags und damit auch des vortragsfähigen Gewerbeverlusts. Scheidet ein Gesellschafter aus, geht der auf ihn entfallende und bis dahin nicht genutzte Verlustvortrag unter. Er kann vom Ausscheidenden nicht "mitgenommen" werden, weil die Verlustverrechnung neben der Unternehmeridentität auch Unternehmensidentität voraussetzt.
2. Der anteilige Untergang des Verlustvortrags muss bei der nächsten gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Fehlbetrags berücksichtigt werden. Wird die anteilige Streichung des Verlustrücktrags übersehen, kommt es zu einer zu hohen Feststellung. Das Besprechungsurteil beschäftigt sich mit der Frage, was mit einem derart zu hoch festgestellten Verlustvortrag in der Zukunft geschieht, wenn die Feststellung nicht mehr korrigiert werden kann.
Die Finanzverwaltung steht auf dem Standpunkt, dass der betreffende Anteil am Verlustvortrag unbegrenzt weiter vorzutragen ist, aber niemals mehr genutzt werden kann. Loose/Suck bezeichnen einen solchen Verlustvortrag deshalb treffend als "Fata Morgana" (FR 2008, 864). Nach Meinung des BFH gibt es solch einen scheinbar verfügbaren Verlustvortrag aber nicht. Aus der Bestandskraftwirkung des Feststellungsbescheids ergibt sich vielmehr, dass der festgestellte Vortrag ungeachtet seiner Fehlerhaftigkeit den zum Feststellungszeitpunkt beteiligten Gesellschaftern zuzuordnen ist. Diese können ihn also zur Verrechnung mit künftigen Gewerbeerträgen der Personengesellschaft nutzen.
3. Der Urteilsfall wies die Besonderheit auf, dass ein ausgeschiedener Gesellschafter, auf den ein solcher überschießender Vortrag anteilig entfiel, nach einigen Jahren wieder in die Gesellschaft eingetreten war. Die Gesellschaft war der Meinung, dass der Gesellschafter den nun über Jahre fehlerhaft "mitgeschleppten" Verlustvortrag nach seinem Wiedereintritt wieder nutzen könne. Dieser Auffassung tritt der BFH entgegen, denn mit dem Ausscheiden ist der Vortrag für den Ausscheidenden endgültig verloren gegangen. Wird der Verlustvortrag fehlerhaft weiter festgestellt, steht er künftig nur noch den verbliebenen Gesellschaftern zu.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 16.06.2011 – IV R 11/08