Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Der Hinzugezogene ist klagebefugt, wenn das Finanzamt dem Einspruch des Einspruchsführers in der Einspruchsentscheidung abhilft, dem Hinzugezogenen die Einspruchsentscheidung bekannt gegeben worden ist und darin (bindende) Feststellungen getroffen sind, die gemäß § 174 Abs. 5 i. V. m. Abs. 4 AO im Folgeänderungsverfahren für den Hinzugezogenen zu einer nachteiligen Korrektur führen können
Sachverhalt
Das Finanzamt erhielt Informationen, dass F für die Vermittlung von Aktienverkäufen Provisionen in erheblicher Höhe erhalten habe. Es schätzte deshalb gegenüber F im Einkommensteuerbescheid für 2000 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von rd. 575.000 DM.
Hiergegen erhob F Einspruch. Im Einspruchsverfahren wurde K gemäß § 174 Abs. 5 AO hinzugezogen. F bestritt, die Provisionen erhalten zu haben, während K vortrug, er habe die Beträge, die bei ihm als Betriebsausgaben den Gewinn gemindert hätten, an F in bar übergeben.
Das Finanzamt änderte den Einkommensteuerbescheid 2000 des F und ging nun davon aus, dass ihm keine Provisionseinnahmen zuzurechnen seien, da nicht mit der erforderlichen Gewissheit zu beweisen sei, dass ihm die entsprechenden Provisionen von K zugewendet worden seien. Das Finanzamt hat die Änderung in einer Einspruchsentscheidung vorgenommen. Eine Ausfertigung dieser Einspruchsentscheidung wurde K bekannt gegeben.
Mit seiner Klage wendet sich K - der Kläger - dagegen, dass F der Betrag von 575.000 DM nicht als Einkünfte zugerechnet wird. Er begehrt eine höhere Festsetzung der Einkommensteuer des F. Zudem stellten die dem F zugewendeten Beträge bei ihm Betriebsausgaben dar.
Entscheidung
Das FG hat die Klage (im zweiten Rechtsgang) abgewiesen und entschieden, dass - dem zum Klageverfahren beigeladenen - F keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Zusammenhang mit den Aktienverkäufen zugerechnet werden können. Denn der Kläger habe nicht bewiesen, dass F aus der Vermittlung von Aktien Einkünfte erzielt hat.
Das FG begründet seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass es nach dem Gesamtbild des Verfahrens und insbesondere aufgrund der an zwei Sitzungstagen durchgeführten einheitlichen mündlichen Verhandlung nicht zu der Überzeugung nach § 96 Abs. 1 FGO gelangt ist, dass F im Jahr 2000 Provisionen zugeflossen sind bzw. dass dieser Forderungen gegenüber dem Kläger auf Provisionszahlungen erworben hat. Nach den Regeln der objektiven Beweislast (Feststellungslast) wirke sich zu Lasten des Klägers aus, dass er nicht den Beweis dafür erbracht habe, dass F Betriebseinnahmen in Höhe von 575.000 DM erzielt hat.
Hinweis
Eine Rechtsverletzung des Hinzugezogenen i. S. des § 40 Abs. 2 FGO wird nach allgemeiner Ansicht bejaht, wenn eine materiell-rechtliche Beschwerde aufgrund der Bindungswirkung der Entscheidung der Finanzbehörde zu seinen Lasten und seine formelle Beschwerde (wegen zurückgewiesener eigener Anträge im Einspruchsverfahren) vorliegen. Wird in einem Verfahren, an dem der Hinzugezogene beteiligt ist, der gegenüber dem Einspruchsführer ergangene Steuerbescheid geändert, dann hat dies grundsätzlich zur Folge, dass damit in verbindlicher Weise gegenüber dem Hinzugezogenen entschieden ist, welche die diesem gegenüber zu ziehenden "richtigen steuerlichen Folgen" gemäß § 174 Abs. 4 und 5 AO sind (BFH, Urteil v. 29.4.2009, X R 16/06, BStBl 2009 II S. 732, m. w. N.).
Das Verfahren befindet sich mittlerweile im 3. Rechtsgang, nachdem der BFH (auch) das Rezensionsurteil auf die Beschwerde des Klägers hin mit Beschluss v. 18.9.2013, X B 38/13 aufgehoben hat, weil dem FG Verfahrensfehler unterlaufen sind. Das FG hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO) verletzt, indem es seine Entscheidung ohne vorherigen Hinweis auf überraschende Aspekte gestützt hat. Darüber hinaus hat das FG seine Pflicht verletzt, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO). Diese Pflicht beinhaltet zwar nicht, jeder fernliegenden Erwägung nachgehen zu müssen. Wohl aber muss das FG die sich im Einzelfall aufdrängenden Überlegungen auch ohne entsprechenden Hinweis der Beteiligten anstellen und entsprechende Aufklärungsmaßnahmen treffen.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 11.12.2012, 10 K 2168/09