Leitsatz

Dem Feststellungsfinanzamt steht keine bindende Entscheidungskompetenz für die Frage zu, ob von den Gesellschaftern getätigte dauernde Lasten im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung tatsächlich steuermindernd zu berücksichtigen sind. Das Abzugsverbot des § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG u.a. betreffend Sonderausgaben i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG verstößt gegen die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 63 AEUV, so dass Versorgungsleistungen für die Übertragung eines inländischen gewerblichen Geschäftsbetriebs auch von beschränkt Steuerpflichtigen im Rahmen der Veranlagung als Sonderausgaben abgezogen werden können.

 

Sachverhalt

Der Kläger ist in Deutschland beschränkt steuerpflichtig. Seine Mutter hat ihren Kommanditanteil an einer inländischen KG auf ihn übertragen. Im Gegenzug hat sich der Kläger verpflichtet, an die Mutter jährlich 75.150 EUR zu zahlen. In den VZ 2003, 2004 und 2007 wurden in dem Feststellungsbescheid der KG bei dem Kläger als Sonderausgaben i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abzugsfähige Renten und dauernde Lasten i.H.v. 75.150 EUR festgestellt. In den jeweiligen Einkommensteuerbescheiden wurden die Sonderausgaben jedoch nicht berücksichtigt. Die Steuerbescheide der Jahre 2003 und 2004 wurden bestandskräftig. Gegen die Nichtberücksichtigung der dauernden Lasten wird Klage erhoben. Der EuGH habe mit Urteil v. 31.3.2011 entschieden, dass die Versagung des Sonderausgabenabzugs für beschränkt Steuerpflichtige europarechtswidrig sei, wenn die Versorgungsleistung auf der Übertragung von in Deutschland steuerpflichtigen Vermögenswerten beruhe. Zudem sei über die Frage der Abzugsfähigkeit der Versorgungsleistungen als Sonderausgaben im Feststellungsbescheid und nicht bei der Einkommensteuerveranlagung zu entscheiden.

 

Entscheidung

Die Klage ist nur teilweise begründet. § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG bestimmt, dass verschiedene Vorschriften, u.a. § 10 EStG, bei beschränkt Steuerpflichtigen nicht anzuwenden sind. Dies ist jedoch mit der gemeinschaftsrechtlich garantierten Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) nicht zu vereinbaren. Daraus folgt, dass bei der Veranlagung die vom Kläger gezahlten dauernden Lasten steuermindernd zu berücksichtigen sind. Für das Streitjahr 2007 war eine Berücksichtigung der Sonderausgaben somit problemlos möglich. Dies galt aber nicht für die bereits in Bestandskraft erwachsenen Steuerbescheide für 2003 und 2004. Hier muss geklärt werden, ob die Entscheidung über die Berücksichtigung der Sonderausgaben im Feststellungs- oder im Veranlagungsverfahren getroffen werden muss. Dies hängt davon ab, ob der Gewinn streitig ist oder ob es sich um Steuermerkmale handelt, die den einzelnen Gesellschafter betreffen. Demnach ist die Entscheidung dem individuellen Veranlagungsverfahren vorbehalten, da sie von Umständen abhängt, die der Gesellschafter außerhalb der Gesellschaft verwirklicht. Über die Abzugsfähigkeit der dauernden Last im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung ist somit im Feststellungsverfahren nicht entschieden worden, so dass auch eine Anpassungspflicht nicht besteht. Im vorliegenden Fall gab es aber die Besonderheit, dass die Feststellungsbescheide der Jahre 2003 und 2004 noch geändert wurden, so dass die Voraussetzungen für die Änderung der Einkommensteuerbescheide gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO vorlagen mit der Folge, dass die Sonderausgaben innerhalb des Änderungsrahmens nach § 177 Abs. 1 AO - zumindest teilweise - doch noch berücksichtigt werden konnten.

 

Hinweis

Es ist als strittig anzusehen, dass dem Wohnsitzfinanzamt die bindende Entscheidungskompetenz für die Frage zusteht, ob von den Gesellschaftern getätigte dauernde Lasten im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung steuermindernd zu berücksichtigen sind. Es wurde daher Revision zugelassen. In ähnlich gelagerten Fällen ist aber dringend zu empfehlen, stets Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid selbst einzulegen. Auf diese Weise wäre keine Bestandskraft eingetreten mit der Folge der vollständigen Berücksichtigung der Sonderausgaben.

 

Link zur Entscheidung

FG Köln, Urteil vom 23.05.2012, 4 K 2429/09

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