Dr. Jürgen Blersch, Prof. Dr. Eberhard von Olshausen
Rn 3
Wie schon nach der Konkursordnung unterliegt die (endgültige) Unterhaltsgewährung an den Schuldner und seine Familie der ausschließlichen Entscheidungsbefugnis der Gläubigerversammlung. Sie beschließt, ob überhaupt und, wenn ja, in welcher Höhe Unterhalt zu gewähren ist. Ein solcher Beschluss muss nicht notwendig in der ersten Gläubigerversammlung nach § 156 gefasst werden, sondern kann in jeder Gläubigerversammlung nach den §§ 74 ff. Beschlussgegenstand sein. In die Beschlusskompetenz der Gläubigerversammlung fällt also zunächst die grundsätzliche Frage, ob überhaupt dem Grunde nach Unterhalt gewährt werden soll. Im Gegensatz zu der nach dem RegE einer Insolvenzordnung vorgesehenen Regelung besteht auch bei Bedürftigkeit keinerlei Unterhaltsanspruch des Schuldners (siehe schon Rn. 1a). Auch hinsichtlich der Höhe des zu gewährenden Unterhalts stellt das Gesetz keine Beschränkungen auf, d.h., es gibt keine Obergrenze, die nicht überschritten werden darf. Vielmehr unterliegt es im Gegensatz zu Abs. 2 der uneingeschränkten Gläubigerselbstverwaltung, zu entscheiden, ob und in welcher Höhe dem Schuldner Unterhalt aus der Insolvenzmasse zufließen soll. Ebenso frei ist die Gläubigerversammlung, die Art des zu gewährenden Unterhalts zu bestimmen, z.B. die Überlassung der eigenen Wohnung entweder unentgeltlich oder gegen ein geringeres Nutzungsentgelt als üblich. Bleibt der Insolvenzschuldner dagegen in seinem in die Insolvenzmasse gefallenen Haus wohnen, ohne dass ihm dessen Nutzung als Unterhaltsgewährung aus der Masse gestattet worden ist, so entsteht für die Masse ein Anspruch aus Bereicherung in sonstiger Weise (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB). Ein entsprechender Anspruch erwächst dann auch gegen den weiterhin in diesem Haus wohnenden Ehegatten des Insolvenzschuldners, und zwar – entgegen einer meist beifällig zitierten Entscheidung des LG Oldenburg – auch dann, wenn dem Ehegatten ein Unterhaltsanspruch gegen den Insolvenzschuldner zusteht. Denn ein solcher Unterhaltsanspruch kann nach § 40 Satz 1 im Insolvenzverfahren grundsätzlich nicht geltend gemacht werden.
Wegen der in der Gläubigerversammlung repräsentierten Befriedigungsinteressen dürfte in den seltensten Fällen dem Schuldner ein laufender Unterhalt aus der Insolvenzmasse bewilligt werden, so dass der Vorschrift – wie bisher – in der Verfahrenspraxis nur eine geringe Bedeutung zukommen dürfte.
Rn 4
Entscheidet sich die Gläubigerversammlung für eine Unterhaltsgewährung, so steht es ihr auch frei, den anspruchsberechtigten Personenkreis festzulegen. Es kann also sowohl dem Schuldner als auch den von der Gläubigerversammlung zu bestimmenden Familienangehörigen ein ggf. der Höhe nach unterschiedlicher und festzulegender laufender Unterhalt aus der Insolvenzmasse gewährt werden. Die Gläubigerversammlung ist bei ihrer Entscheidung nicht an den in Abs. 2 Satz 2 genannten Personenkreis gebunden. Insgesamt entscheidet die Gläubigerversammlung nach ihrem freien, unüberprüfbaren und eigenen Ermessen, und zwar unabhängig davon, ob beim Schuldner und seiner Familie eine Bedürftigkeit im unterhaltsrechtlichen Sinne vorliegt. Auch in diesem Fall steht es der Gläubigerversammlung völlig frei, dem Schuldner keinerlei Unterhaltsleistungen aus der Insolvenzmasse zu bewilligen, so dass dieser auf die Leistungen nach dem BSHG angewiesen bleibt, sollte sein insolvenzfreies Vermögen nicht für den Lebensunterhalt ausreichen (siehe dazu schon Rn. 1a). Da dem Schuldner keinerlei Anspruch auf Unterhaltsgewährung zusteht, kommt auch keine Anspruchsüberleitung nach sozialrechtlichen Vorschriften in Betracht.
Rn 5
Hat die Gläubigerversammlung dagegen Unterhalt bewilligt, so erwächst dem Schuldner daraus ein Anspruch gegen den Insolvenzverwalter, der den allgemeinen und damit auch den sozialrechtlichen Vorschriften bis zu einem abweichenden Beschluss der Gläubigerversammlung unterliegt. Der Anspruch des Schuldners stellt im Insolvenzverfahren eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 dar. Zu beachten ist jedoch, dass diese Masseverbindlichkeit im Falle einer Masseunzulänglichkeit im Rang gegenüber sonstigen Masseverbindlichkeiten nach § 209 Abs. 1 Nr. 3 zurückgestuft wird. Dies gilt auch für die Unterhaltsansprüche eines persönlich haftenden Gesellschafters nach § 101 Abs. 1 Satz 3.