Rn 70
Die Ausübung des Wahlrechts gemäß § 103 ist als insolvenztypische, d.h. nur in einem eröffneten Insolvenzverfahren mögliche Rechtshandlung zu qualifizieren, so dass die Ausübung dieses Gestaltungsrechts nur durch den Insolvenzverwalter selbst, nicht jedoch durch einen Stellvertreter erfolgen kann.
Rn 71
Die Erklärung des Insolvenzverwalters gemäß § 103 ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, auf welche die Bestimmungen der §§ 130–132 BGB anwendbar sind. Die Erklärung bedarf keiner besonderen Form, auch wenn das Rechtsgeschäft, auf welches sich die Verwaltererklärung bezieht, selbst formbedürftig ist (§ 313 BGB).
Rn 72
Der Insolvenzverwalter kann die Erklärung zur Erfüllungswahl nicht unter eine Bedingung stellen, dies ist ebenso wie eine Erfüllungswahl zu geänderten Vertragskonditionen als Ablehnung der Erfüllung verbunden mit dem Angebot auf Abschluss eines neuen Vertrages zu qualifizieren, da der Insolvenzverwalter hinsichtlich des beiderseits unerfüllten Vertrages nur zwischen der Erfüllung und der Beibehaltung des durch Verfahrenseröffnung eingetretenen Rechtszustandes wählen, nicht aber einseitig den Vertrag modifizieren kann.
Rn 73
Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist zudem nach Zugang unwiderruflich, kann jedoch grundsätzlich nach §§ 119 ff. BGB angefochten werden.
Rn 74
Keinen Anfechtungsgrund stellt ein Irrtum des Insolvenzverwalters über die Rechtsfolgen seiner Erklärung dar, etwa dass das Erfüllungsverlangen dazu führt, dass die Gegenleistung als Masseverbindlichkeit zu erfüllen ist. Eine Anfechtbarkeit kann in Betracht kommen, wenn der Insolvenzverwalter bei Abgabe der Erklärung über den Stand der Vertragsabwicklung geirrt hat, sofern dann nicht ein bloßer Kalkulationsirrtum gegeben ist, nicht aber dann, wenn er in bewusster Unkenntnis gehandelt hat.
Rn 75
Aufgrund der Formfreiheit kommt auch die Abgabe einer Erklärung durch schlüssiges Verhalten des Insolvenzverwalters in Betracht, nicht jedoch durch Stillschweigen.
Rn 76
Für die Beurteilung, ob und mit welchem Inhalt der Insolvenzverwalter konkludent eine Erklärung zum Wahlrecht abgegeben hat, ist maßgebend, welche Bedeutung dem Verhalten der Vertragspartner nach der Verkehrssitte und den Gesamtumständen beimessen konnte und durfte.
Rn 77
Der bewusste Verkauf von Ware durch den Insolvenzverwalter, die unter Eigentumsvorbehalt gestanden hat, bedeutet nicht ohne weiteres die schlüssige Wahl der Erfüllung des Vertrages mit dem Vorbehaltslieferanten dar, Entsprechendes gilt für eine bewusste Weiterverarbeitung von Vorbehaltsware. Ein solches Vorgehen des Insolvenzverwalters kann jedoch Ersatzaussonderungs- oder Schadensersatzansprüche des Vorbehaltslieferanten sowohl gegenüber der Insolvenzmasse als auch gegenüber dem Verwalter persönlich begründen.
Rn 78
Eine bloße Zahlungsaufforderung des Insolvenzverwalters kann nur dann als konkludente Erfüllungswahl angesehen werden, wenn sie klar und eindeutig und für den Empfänger unzweifelhaft erkennen lässt, dass der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Vertrages begehrt; dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn sich aus der Zahlungsaufforderung erkennen lässt, dass der Insolvenzverwalter von einer vollständigen Erfüllung auf Seiten des Schuldners ausgeht. Keine Erfüllungswahl durch schlüssiges Verhalten ist weiter dann gegeben, wenn der Insolvenzverwalter isoliert zur Zahlung eines Kaufpreises auffordert, ohne auf noch zu erbringende Gegenleistungen und deren tatsächliche Erfüllung einzugehen.
Rn 79
Eine konkludente Erfüllungswahl kann in der Aufforderung des Insolvenzverwalters zur Mängelbeseitigung bzw. Nacherfüllung gesehen werden, sofern der Insolvenzschuldner Besteller oder Käufer war, oder in der Durchführung solcher Arbeiten im Auftrag des Insolvenzverwalters, wenn der Insolvenzschuldner Verkäufer oder Werkunternehmer war.