Rn 91
Nach dem Wortlaut des § 103 Abs. 1 führt die Wahl der Erfüllung durch den Insolvenzverwalter dazu, dass dieser an Stelle des Schuldners den Vertrag zu erfüllen hat und die Erbringung der Gegenleistung des anderen Teils verlangen kann.
Rn 92
Gemäß § 55 Abs. 1 Ziff. 2 stellen die Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen Masseverbindlichkeiten dar, soweit der Insolvenzverwalter deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt.
Wie bereits vorstehend zur Wirkungsweise des § 103 ausgeführt, dient die Regelung zum einen dem Schutz des Vertragspartners des Schuldners, der nur noch dann zur Erbringung der geschuldeten Leistungen verpflichtet bleiben soll, als er auch die entsprechende Gegenleistung unmittelbar aus der Insolvenzmasse erhält.
Rn 93
Eine maßgebliche Funktion des § 103 ist indes in der Ermöglichung einer Mehrung der Insolvenzmasse zu sehen. Dem Insolvenzverwalter wird die Rechtsmacht eingeräumt, den Vertragspartner des Schuldners an der weiteren Erfüllung eines Vertrages festzuhalten, der für die Insolvenzmasse günstig ist.
Rn 94
Nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zunächst dazu, dass die noch offenen Leistungspflichten aus einem gegenseitigen Vertrag beiderseits nicht mehr durchsetzbar sind, da jeweils Einreden gemäß §§ 320 ff. BGB erhoben werden können, soweit der Anspruch nicht bereits vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen betrifft.
Rn 95
Die Erklärung des Insolvenzverwalters, mit der er die Erfüllung des Vertrages wählt, führt zu einer Änderung der Qualität der noch offenen Vertragspflichten. Diese werden zu originären Forderungen der und gegen die Insolvenzmasse; die Erfüllungswahl des Insolvenzverwalters entspricht danach in ihren Wirkungen dem Neuabschluss eines Vertrages zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Vertragspartner des Schuldners, sofern vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens beiderseits noch keine Leistungen erbracht worden waren.
Rn 96
Der Inhalt des Vertrages ist identisch mit dem ursprünglichen Vertrag, so dass sowohl der Insolvenzverwalter als auch der Vertragspartner alle Leistungen zu den ursprünglich vereinbarten Bedingungen zu erbringen haben; ist der Vertragspartner nach den Vereinbarungen verpflichtet vorzuleisten, kann er sich wegen der Insolvenz des Vertragspartners nicht auf die Unsicherheiteneinrede des § 321 BGB berufen. Sein Vertragspartner ist nunmehr der Insolvenzverwalter, sein Anspruch stellt eine Masseverbindlichkeit dar. In Betracht kommt danach die Einrede des § 321 BGB allenfalls dann, wenn erkennbar ist, dass die Insolvenzmasse nicht ausreichen wird, die vertraglich geschuldete Gegenleistung tatsächlich in vollem Umfang zu erbringen. Indes stellt sich in einer solchen Konstellation die Frage der persönlichen Haftung des Insolvenzverwalters gemäß § 61.
Rn 97
Da der Vertrag durch den Insolvenzverwalter grundsätzlich so zu erfüllen ist, wie es vor Insolvenz vereinbart war, gelten Abreden zu Zahlungsmodalitäten, Lieferzeiten und -bedingungen sowie sonstige Nebenabreden fort.
Rn 98
Umstritten ist, ob vor Insolvenzeröffnung bereits angefallene Verzugszinsen, verwirkte Vertragsstrafen oder anderweitige Schadensersatzansprüche durch die Erfüllungswahl ebenfalls in den Status von Masseverbindlichkeiten erhoben werden. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des BGH, der eine Aufspaltung des Vertrages vornimmt in Leistungsphasen vor und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wenn bereits teilweise Leistungen erbracht waren, scheint eine Differenzierung erforderlich, insbesondere im Hinblick auf den Zweck der Massemehrung durch Erfüllungswahl. Nach Darlegung von Kreft, der die jüngere Rechtsprechung des BGH zur Wirkungsweise des Verwalterwahlrechtes maßgeblich geprägt hat, erfolgt durch die Erfüllungswahl nur insoweit eine Aufwertung der Erfüllungsansprüche zu Masseansprüchen, als die Leistung tatsächlich zur Insolvenzmasse gelangt und diese wertentsprechend zu vergüten ist. Die Erfüllungswahl hat demnach auf Ansprüche, die ohne Erfüllungswahl als Insolvenzforderungen zu qualifizieren sind, keinen Einfluss. Eine Privilegierung von Sekundäransprüchen, die vor Verfahrenseröffnung bereits entstanden sind, erfolgt somit durch Erfüllungswahl nicht.
Rn 99
Entsprechendes muss für Mängelansprüche (Nacherfüllung, Minderung, Schadensersatz) gelten, wenn sich diese auf abgrenzbare Leistungsteile beziehen, die vor Erfüllungswahl bereits erbracht waren. Ist eine solche Abgrenzung nicht möglich, wird eine Verpflichtung des Insolvenzverwalters zur Berichtigung solcher Ansprüche als Masseverbindlichkeit jedoch zu bejahen sein.
Rn 100
Da die offenen Vertragsleistungen als originäre Masseansprüche zu den ursprünglichen Vertragsbedingungen zu erfüllen sind, wird der Insolvenzverwalter bei Dauerschuldverhältnissen durch die Erfüllungswahl auch an vertraglich vereinbarte, ggf. lange Laufzeiten gebunden, obgleich die weitere Nutzung des Vertragsgegenstandes nur für einen kürzeren Zeitraum sinnvoll ist. Praxisrelevant...