Rn 24
Handelt es sich bei dem Mietgegenstand um die Wohnung des Schuldners, steht dem Insolvenzverwalter kein Sonderkündigungsrecht zu. Stattdessen kann er gegenüber dem Vermieter eine dahin gehende Erklärung abgeben, dass dessen Ansprüche auf Mietzahlung, die nach Ablauf einer Frist, welche der gesetzlichen Kündigungsfrist entspricht, fällig werden, nicht mehr im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können.
Die Bestimmung wurde mit dem InsOÄndG eingeführt; aufgrund Art. 103a EGInsO ist sie auf Insolvenzverfahren anzuwenden, die ab dem 1.12.2001 eröffnet worden sind.
Erklärtes Ziel des Gesetzgebers war es, mit der Vorschrift insbesondere in Verbraucherinsolvenzverfahren eine nach Einschätzung des Gesetzgebers drohende Obdachlosigkeit des Schuldners zu verhindern und dem Treuhänder die Möglichkeit zu entziehen, aufgrund des Sonderkündigungsrechtes gem. Abs. 1 Satz 1 einen Mietvertrag über den Wohnraum des Schuldners zu kündigen und auf diese Weise an die geleistete Mietkaution zu gelangen. Andererseits sollte der Insolvenzverwalter/Treuhänder weiterhin möglichst kurzfristig die Belastung der Insolvenzmasse mit Mietverbindlichkeiten verhindern können, entsprechend dem Hauptzweck des Sonderkündigungsrechtes.
Tatsächlich konnten über das Sonderkündigungsrecht des Insolvenzverwalters bzw. Treuhänders gem. Abs. 1 Satz 1 die mietrechtlichen Schutzbestimmungen, die dem Mieter gegenüber dem Vermieter zustehen, unterlaufen werden, da diese Schutznormen im Verhältnis zwischen Verwalter/Treuhänder und Schuldner/Mieter keine Anwendung finden, da die Kündigung nicht durch den Vermieter, sondern durch den Insolvenzverwalter ausgesprochen wurde.
Vor dem Hintergrund der Handlungsmöglichkeiten für einen Insolvenzverwalter/Treuhänder aufgrund des Sonderkündigungsrechts wurde bereits in der Vergangenheit die Unanwendbarkeit des Abs. 1 Satz 1 auf ein Mietverhältnis über den Wohnraum des Schuldners ebenso vertreten wie eine nur eingeschränkte Wirkung einer Kündigung durch den Insolvenzverwalter. Diese sollte nicht zur Beendigung des Mietverhältnisses führen, sondern nur Wirkung für die Insolvenzmasse entfalten, mithin dazu führen, dass die Miete nicht mehr zu Lasten der Insolvenzmasse beglichen werden musste. Die jetzige gesetzliche Regelung greift diesen Lösungsansatz auf, indem die Ansprüche des Vermieters aus dem Mietverhältnis über den Wohnraum des Schuldners durch einseitige Erklärung des Insolvenzverwalters nach Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist nicht mehr gegenüber der Insolvenzmasse als Masseverbindlichkeiten geltend gemacht werden können, ohne dass hierdurch der Bestand des Mietverhältnisses berührt wird. Aufgrund dieser "Freigabe" des Mietvertrags aus der Insolvenzmasse ohne eine Zustimmung des Vermieters erfolgt eine Entlastung der Insolvenzmasse; solange der Schuldner aus seinem pfändungsfreien und damit nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegenden Vermögen oder durch bereitgestellte Drittmittel den Zahlungsverpflichtungen aus dem Mietvertrag nachkommt, besteht auch seitens des Vermieters kein außerordentliches Kündigungsrecht.
Nach Abgabe der Erklärung ist der Insolvenzverwalter nicht mehr befugt, das Mietverhältnis ordentlich zu kündigen, da das Mietverhältnis ungeachtet der Stellung des Insolvenzverwalters bzw. Treuhänders zwischen dem Schuldner als Mieter und dem Vermieter fortgesetzt wird, die Vertragsrechte also durch den Schuldner wahrgenommen werden und damit auch eine Kaution des Mieters nicht mehr durch den Insolvenzverwalter beansprucht werden kann.
Rn 25
Die Erklärung des Insolvenzverwalters tritt an die Stelle einer Kündigung, so dass auch für die Erklärung gem. Abs. 1 Satz 2 ein Schriftformerfordernis besteht, § 568 Abs. 1 BGB analog.
Rn 26
Durch die Regelung des Satzes 2 wird das Sonderkündigungsrecht des Insolvenzverwalters gem. Satz 1 ersetzt; keine Änderung erfährt indes das Kündigungsrecht des Mieters, welches nach Verfahrenseröffnung jedenfalls bis zur Abgabe der Erklärung gem. Satz 2 durch den Insolvenzverwalter aufgrund des auf ihn übergegangenen Verwaltungs- und Verfügungsrechts ausgeübt werden kann. Aufgrund der geänderten Bestimmungen für die Kündigungsfristen von Wohnraum gem. § 573c BGB beläuft sich die Kündigungsfrist für den Mieter auf maximal drei Monate zum Monatsende, zum Nachteil des Mieters abweichende vertragliche Vereinbarungen sind gem. § 573c Abs. 4 BGB unwirksam. Insoweit verbleibt dem Insolvenzverwalter ungeachtet des Satzes 2 die Möglichkeit, innerhalb der Grenzen des Rechtsmissbrauches und des Grundsatzes von Treu und Glauben anstelle der Erklärung gem. Satz 2 das Mietverhältnis zu kündigen.