Rn 57
Wenn der Insolvenzverwalter einzelne Arbeitnehmer bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr beschäftigen kann bzw. möchte, muss er sie von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freistellen. Der Arbeitnehmer wird im Insolvenzfall nicht "automatisch" von seiner Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung befreit. Erforderlich ist vielmehr, dass der Insolvenzverwalter eindeutig zu erkennen gibt, dass und ab wann er die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht mehr in Anspruch nehmen will. Eine derartige Freistellungserklärung des Insolvenzverwalters kann durch den Arbeitnehmer nicht nach § 174 BGB zurückgewiesen werden. Eine Verpflichtung des Insolvenzverwalters, die Arbeitspflicht der Arbeitnehmer ab einem bestimmten Zeitpunkt zu suspendieren, besteht grundsätzlich nicht. Vielmehr entscheidet der Insolvenzverwalter sowohl über das "Ob" als auch über Art und Umfang (widerruflich, unwiderruflich) der Freistellung nach pflichtgemäßem Ermessen, wobei nur eine unwiderrufliche Freistellung den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers erfüllt. Sonstige Freizeitausgleichsansprüche (z.B. Überstundenguthaben) können auch durch eine widerrufliche Freistellung abgegolten werden. Das vertragliche Wettbewerbsverbot (§ 60 HGB) wird durch die Freistellung grundsätzlich nicht aufgehoben. Eine andere Auslegung ist allerdings dann denkbar, wenn in der Freistellungserklärung/-vereinbarung die Anrechnung anderweitigen Verdienstes ausdrücklich festgelegt bzw. vereinbart ist. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer – jedenfalls bei einer unwiderruflichen Freistellung – in der Regel davon ausgehen, in der Verwertung seiner Arbeitsleistung frei und nicht mehr an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden zu sein. Demgegenüber liegt in der bloßen Freistellung eines Arbeitnehmers nicht ohne Weiteres die Erklärung, auf ein etwaig vereinbartes nachvertragliches Wettbewerbsverbot verzichten zu wollen.
Auch wenn die Sozialgerichte von einer Beendigung des leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses bereits dann ausgehen, wenn Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt tatsächlich nicht mehr erbracht werden und der Arbeitgeber auf seine Verfügungsbefugnis verzichtet oder seine (arbeitsrechtliche) Verfügungsmöglichkeit faktisch nicht wahrnimmt, führt eine lediglich widerrufliche Freistellung nach Auffassung der Arbeitsverwaltung und eines Teils der Sozialgerichte regelmäßig noch nicht zum Eintritt von Beschäftigungslosigkeit i.S.d. § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Ein Antrag auf Bezug von Arbeitslosengeld wird in diesen Fällen daher grundsätzlich auch dann abgelehnt, wenn die übrigen Voraussetzungen der §§ 135 ff. SGB III vorliegen. Auch wenn es keinen Anspruch des Arbeitnehmers auf eine bestimmte Form der Freistellung gibt, kann es daher zur Vermeidung von (zahllosen) Rückfragen betroffener Mitarbeiter sinnvoll sein, unmittelbar eine unwiderrufliche Freistellung auszusprechen.
Rn 58
Unter welchen Voraussetzungen die Freistellung erklärt werden kann, richtet sich im Übrigen nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen. Ein eigenständiges, insolvenzspezifisches Freistellungsrecht besteht nicht. Es lässt sich weder aus § 113 Satz 1 noch aus § 55 Abs. 2 Satz 2 oder § 209 Abs. 2 Nr. 3 herleiten.
7.1 Vertraglich vereinbartes Freistellungsrecht
Rn 59
Insofern kommt es zunächst darauf an, ob durch Arbeits- bzw. Anstellungs- oder Kollektivvertrag (z.B. eine Betriebsvereinbarung) rechtswirksam eine Freistellungsmöglichkeit vereinbart worden ist. Soweit dies der Fall ist, sind die vertraglichen Vorgaben einzuhalten.
7.2 Freistellung bei fehlender Freistellungsvereinbarung
Rn 60
Falls eine Freistellungsbefugnis vertraglich nicht bzw. nicht rechtswirksam festgelegt worden ist, ist eine Suspendierung der Arbeitspflicht nur bei Vorliegen eines den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers überwiegenden schutzwürdigen Interesses des Arbeitgebers (Insolvenzverwalters) an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers möglich. Im Rah...