2.1 Vollstreckbare Schuldtitel i.S. des § 141 Alt. 1
Rn 5
§ 141 Alt. 1 ist gegenüber Alt. 2 die allgemeine Vorschrift. Demnach erfasst sie alle Handlungen, die zwar auf einem Schuldtitel beruhen, sich aber nicht als Vollstreckungshandlungen im formellen Sinn darstellen, sondern freiwillig vorgenommen wurden bzw. die Leistung noch aussteht.
Rn 6
Als vollstreckbare Schuldtitel kommen alle die in der ZPO anerkannten Titel in Betracht. Zu nennen sind etwa rechtkräftige bzw. für vorläufig vollstreckbar erklärte Urteile (§ 704 ZPO) sowie die in §§ 794, 796a bis c ZPO aufgezählten weiteren Titel; des Weiteren Arrestsbefehle, einstweilige Verfügungen (§ 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, §§ 928, 936, 940 ZPO), Zuschlagsbeschlüsse im Zwangsversteigerungsverfahren nach § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, §§ 82, 93 ZVG sowie nach § 794 Abs. 1 Nr. 4a, §§ 1060, 1053 ZPO für vollstreckbar erklärte Schiedssprüche oder schiedsgerichtliche Vergleiche.
Rn 7
Darüber hinaus zählen hierzu auch außerhalb der ZPO festgeschriebene Titelarten wie der Auszug aus der Insolvenztabelle über eine festgestellte Forderung (§ 201 Abs. 2), Insolvenzpläne (§ 257), Notarkostenrechnungen (§ 155 KostO), sowie vollziehbare Verwaltungsakte und vollstreckbare Entscheidungen der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit.
2.2 Abgrenzung zur Anfechtbarkeit von die Titelerlangung fördernden (Prozess-) Handlungen
Rn 8
Anfechtungsgegenstand ist die auf der Grundlage des Schuldtitels vorgenommene gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung, nicht der Titel selbst; insbesondere ändert dieser nichts an der Anfechtbarkeit (ausführlich Rn. 3). In Betracht zu ziehen sind die erwirkenden oder ausnutzenden Rechtshandlungen des Titelgläubigers und die fördernden des Schuldners.
Rn 9
Ist die dem Schuldtitel zugrunde liegende Forderung selbst nicht anfechtbar, so ist es auch der sie tenorierende Titel nicht. Denn dem Titelerwerb an sich kommt bei sachlich berechtigter Feststellung keine gläubigerbenachteiligende Wirkung zu. Eine solche kann grundsätzlich erst infolge der Vollstreckung aus dem Titel eintreten, sodass allein eine Anfechtbarkeit der hierdurch bewirkten Rechtshandlung nach § 141 Alt. 2 in Betracht kommt.
Rn 10
Davon zu unterscheiden sind Konstellationen, in denen der Insolvenzschuldner oder ein Gläubiger durch eigene Rechtshandlungen in anfechtbarer Weise zur Erlangung des Titel beigetragen haben bzw. der Gläubiger Rechtshandlungen des Schuldner in ebensolcher Weise ausnutzt (§§ 130, 133). Diese Rechtshandlungen sind isoliert anfechtbar, auch dann, wenn sie später tituliert werden. Das ist insbesondere der Fall, wenn Insolvenzschuldner und Gläubiger in kollusivem Zusammenwirken einen Schuldtitel über eine tatsächlich nicht existierende Forderung (sog. Scheinanspruch) erwirken. Gegenstand der Anfechtung ist in einem solchen Fall das betrügerische Übereinkommen i.V.m. der prozessualen Geltendmachung der erdichteten Forderung, da bereits hierin eine die übrigen Gläubiger benachteiligende Mehrung der Passivmasse zu sehen ist. Ggf. tritt daneben eine Anfechtbarkeit nach § 132.
Rn 11
Kommt mittels einer in gläubigerbenachteiligender Weise vorgenommene oder unterlassene Prozesshandlung seitens des Insolvenzschuldners ein Titel zustande, so sind die Prozesshandlungen selbstständig anfechtbar. Zur Rechtsfolge der materiell-rechtliche Begrenzung der Wirkungen der gerichtlichen Entscheidung vgl. § 143 Rn. 58.