Rn 33
Art. 13 GG unterstellt Wohnungen einem besonderen verfassungsrechtlichen Schutz; Zutritt darf nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch andere, gesetzlich dazu bestimmte Personen angeordnet werden. Mit § 148 Abs. 2 Satz 1 wird insoweit klargestellt, dass der Gerichtsvollzieher die Wohnung betreten darf, um dort befindliche Massegegenstände in Besitz zu nehmen, ohne dass es hierfür einer zusätzlichen richterlichen Anordnung bedürfte. Das gilt auch für die Herausgabe einer (selbst genutzten) Immobilie, die im Eigentum des Schuldners steht oder an der er ein Besitz- und Nutzungsrecht hat. In dem einen wie dem anderen Fall liegt mit dem Eröffnungsbeschluss bereits eine richterliche Entscheidung vor, die angesichts des nach §§ 35, 36 im Umfang feststehenden Insolvenzbeschlags auch hinreichend konkretisiert ist. Bei der Räumung von Wohnraum ist aber Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO möglich. Zutreffender Auffassung nach ist unter den Voraussetzungen von § 721 ZPO dem Schuldner auch eine angemessene Räumungsfrist zu gewähren; dies gebietet der Schutzzweck der Norm (Vermeidung besonderer Härten), der eine Differenzierung zwischen verschiedenen Arten von Räumungsschuldnern ausschließt.
Rn 34
Das Betreten zur Herausgabevollstreckung schließt das Durchsuchen mit ein. Der Insolvenzverwalter kann zusammen mit dem Gerichtsvollzieher (aber selbstverständlich nicht allein) die Wohnung betreten, ansonsten wäre wegen des durch ihn kaum mehr konkretisierbaren Vollstreckungsauftrags eine effektive Vollstreckung in Wohnräumen nahezu ausgeschlossen. Denn auch wenn das Betreten zur Herausgabevollstreckung die Durchsuchung einschließt, so kann der Gerichtsvollzieher doch nicht zur Inventur der schuldnerischen Wohnung verpflichtet werden. Jedenfalls ermöglicht § 22 Abs. 3 Satz 1 dem vorläufigen Verwalter das Betreten und Durchsuchen von Geschäftsräumen des Schuldners, die ebenfalls unter den grundgesetzlichen Schutz des Art. 13 GG fallen; dem endgültig bestellten Verwalter stehen diese Rechte auch zu.
Rn 35
Die Rechtslage ist besonders streitig, wenn der Wohnraum nicht nur durch den Schuldner, sondern zugleich auch durch weitere Personen (insbesondere Familienangehörige) genutzt wird. Was die Herausgabevollstreckung in bewegliche Sachen anbelangt, die sich im Wohnraum des Schuldners befinden, so bedarf es auch dann keiner weiteren, über den Eröffnungsbeschluss hinausgehenden richterlichen Anordnung zur Durchsuchung und Vollstreckung, wenn ein Dritter (kraft eigenen Rechts oder rein tatsächlich) den Wohnraum mitnutzt. Denn das zwangsweise Betreten und Durchsuchen richtet sich gegen den Schuldner, und diesem gegenüber liegt mit dem Eröffnungsbeschluss ein hinreichender Titel vor. Soweit der Dritte dadurch in seiner eigenen Privatsphäre betroffen ist, ist dies eine Schwäche, die seinem Recht durch die Mitberechtigung des Schuldners per se innewohnt.
Rn 36
Was die Räumung von Wohnraum selbst anbelangt, so gelten die Vermutungen der §§ 1362 BGB, 739 ZPO bei unbeweglichem Vermögen nicht. Bei Miteigentum Dritter ist eigentlicher Massegegenstand nicht die Immobilie als solche, sondern das Gesamthandseigentum (§§ 705 ff. BGB oder §§ 1415 ff. BGB) oder der Eigentumsbruchteil (§§ 741 ff. BGB) des Schuldners. Nur das unterfällt dem Inbesitznahme- und Verwaltungsrecht des Verwalters, so dass dieser nur im Rahmen der jeweiligen Mitberechtigungen die Rechte des Schuldners ausüben (verwalten) darf. Eine Besitzausschließung des Mitberechtigten ist aber weder im Bruchteilsrecht noch im Recht der Gesamthand vorgesehen. Folgerichtig ordnet § 84 Abs. 1 Satz 1 die Auseinandersetzung der Gemeinschaft oder Gesellschaft außerhalb des Insolvenzverfahrens an. Hinzu kommt, dass der Eröffnungsbeschluss allein zwischen dem Schuldner, seinen Gläubigern und dem Insolvenzverwalter wirkt, nicht aber auch zugunsten und zulasten Dritter. Aus beidem ergibt sich zwangsläufig, dass eine Räumung nach § 885 ZPO auch zulasten Dritter nur möglich ist, wenn gegen diese ein eigenständiger Vollstreckungstitel existiert. Das Gleiche gilt, wenn der Dritte (nur) schuldrechtlich zum Besitz berechtigt, also etwa neben dem Schuldner Partner des Mietvertrages mit einem Vermieter ist.
Rn 37
Nach neuerer Rechtsprechung scheidet eine Räumung aufgrund des Eröffnungsbeschlusses zulasten Dritter (insbesondere Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer Wohngemeinschaft) selbst dann aus, wenn diese lediglich Mitgewahrsam an der Immobilie haben; auf ein Recht zum Besitz soll es dabei nicht ankommen. Der Eröffnungsbeschluss gegen den Schuldner berechtigt daher zur Räumung nur gegenüber solchen Personen, die als bloße Besitzdiener oder aus sonstigen Gründen die Wohnung des Mieters lediglich mitbenutzen, ohne selbst Mitbesitzer zu sein (z.B. Besucher). Zur Begründung verweist man vor allem auf die sehr weitgehende Formalisierung des Vollstreckungsverfahrens. Vollstreckungsvoraussetzung nach § 750 Abs. 1 ZPO ist ein Titel gegen jede Person, gegen die zw...