Rn 6

Nach § 150 Satz 1 besteht kein Zwang zur Siegelung. Der Verwalter muss aber sein dahingehendes Ermessen pflichtgemäß, d.h. risiko- und kostenbewusst ausüben (siehe Rn. 5), andernfalls kann er sich haftbar machen (§ 60 Abs. 1). Bei pflichtwidrigem Unterlassen kann das Insolvenzgericht den Verwalter zur Siegelung anhalten (§ 58).[6]

 

Rn 7

Zuständig für die Siegelung ist der Gerichtsvollzieher und darüber hinaus diejenige Person, die durch Landesrecht dazu bestimmt ist.[7] Zur Vornahme bedarf es keiner dahingehenden Anordnung des Insolvenzgerichts,[8] sondern allein der Beauftragung durch den Insolvenzverwalter. Da es sich bei der Siegelung nur um Sicherung handelt, wird der Gerichtsvollzieher (und die landesrechtlich zuständigen Personen) nicht als Vollstreckungsorgan, sondern lediglich als technisches Ausführungsorgan des Insolvenzverwalters tätig. Die Kosten der Siegelung berechnen sich je nach dem, welche Person damit beauftragt wurde (beim Gerichtsvollzieher nach dem GvKostG, im Übrigen nach Landesrecht);[9] sie gehen in jedem Fall zulasten der Masse (§ 55 Abs. 1 Nr. 1).

 

Rn 8

Die Siegelung ist besondere Sicherung "aller Räume und Behältnisse, in welchen sich zur Konkursmasse gehöriges Mobiliarvermögen befindet."[10] Dazu wird das Siegel in äußerlich erkennbarer Weise so über die Zutritts- bzw. Zugriffsmöglichkeit des Raums bzw. Behältnisses befestigt, dass ein Einwirken auf die darin befindlichen Gegenstände nur durch Zerstörung des Siegels möglich ist. Darüber hinaus können aber auch einzelne Sachen (etwa Kraftfahrzeuge, Kunstwerke usw.) gesichert werden.[11] Das Siegel ist auf dem Gegenstand selbst in erkennbarer Weise anzubringen; nicht erforderlich ist, dass es dabei einer Wegnahme, Zerstörung oder Benutzung des Massegegenstandes physisch entgegensteht. Das ergibt sich zwangsläufig aus dem Umstand, dass die erhöhte Sicherungswirkung der Siegelung allein auf deren Strafbewehrung (§ 136 StGB; zu Einzelheiten siehe Rn. 14 f.) beruht.

 

Rn 9

Über die Siegelung ist ein Protokoll[12] anzufertigen. Das Protokoll ist durch den Verwalter auf der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts zur Einsicht niederzulegen. Das soll die Möglichkeit schaffen, sich über die Sachlage eingehend zu unterrichten.[13] Zur Einsicht berechtigt sind jedenfalls die Insolvenzgläubiger; darüber hinaus aber auch Aussonderungsberechtigte[14] und der Schuldner[15]. Einsichtsberechtigt sind außerdem alle Absonderungsberechtigten, selbst wenn sie nicht zugleich Insolvenzgläubiger sind, denn die Siegelung kann ihren Sicherungsgegenstand betreffen.[16] Die Einsicht kann auch durch Vertreter erfolgen; die Beteiligten können sich zudem durch die Geschäftsstelle auf ihre Kosten Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erstellen lassen (§ 299 Abs. 1 ZPO, § 4). Wie auch bei § 299 Abs. 1 ZPO ergibt sich hier das Einsichtsrecht bereits kraft Gesetzes, so dass es keiner vorausgehenden richterlichen Entscheidung bedarf.

 

Rn 10

Die darüber hinausgehenden Einzelheiten des Siegelungsverfahrens sind im Übrigen – über § 154 GVG – in der Gerichtsvollzieherordnung (GVO), der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA) sowie darauf bezogenen weiteren landesrechtlichen Ergänzungsbestimmungen enthalten.[17] Bei der GVO und der GVGA handelt es sich um von den einzelnen Landesjustizverwaltungen erlassene und zwischen diesen abgestimmte Verwaltungsvorschriften. Dieses System der Rechtsgrundlagen wird schon den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie des BVerfG nicht gerecht.[18] Hinzu kommt, dass nur einige allgemein gültige Bestimmungen zur Beauftragung des Gerichtsvollziehers und zum Protokoll (§§ 4 ff., 10 GVGA) getroffen, andere wesentliche Umstände (etwa Anwesenheitsrechte des Schuldners, Weiterleitung des Protokolls usw.) hingegen nicht geregelt sind. Vor allem betrifft das eigentliche Siegelungsverfahren nach der GVGA nur die Einzelzwangsvollstreckung (§ 132 Abs. 2). Allerdings bestehen zwischen Einzelzwangsvollstreckung und Gesamtzwangsvollstreckung (Insolvenzverfahren) ganz erhebliche Unterschiede (Einzelheiten unter Rn. 12). Deshalb verbietet es sich etwa, zur Siegelung das eigentliche Pfandsiegel zu verwenden.

[6] a.A. FK-Wegener, § 150 Rn. 1: direkte gerichtliche Anordnung der Siegelung möglich.
[7] Nachweise darüber z.B. bei Kübler/Prütting-Holzer, § 150 Rn. 8.
[8] LG Baden-Baden, ZIP 1983, 345 (345); Kübler/Prütting-Holzer, § 150 Rn. 2.
[9] Einzelheiten bei Holzer, DGVZ 2003, 147 (151); Kübler/Prütting-Holzer, § 150 Rn. 14 f.
[10] Begründung zu § 112 des RegE der KO von 1877 (Vorläufer zu § 150), abgedruckt bei Hahn, Die gesamten Materialien zur KO vom 1.2.1877, 1881, S. 310.
[11] Holzer, DGVZ 2003, 147 (148); Nerlich/Römermann-Andres, § 150 Rn. 6; Kübler/Prütting-Holzer, § 150 Rn. 5; Hess-Hess, § 150 Rn. 2; Smid-Smid, § 150 Rn. 2.
[12] Muster bei Holzer, DGVZ 2003, 147 (149); Frege/Keller/Riedel, HRP Insolvenzrecht, Rn. 1340, 1342.
[13] Begründung zu § 114 des RegE der KO von 1877, abgedruckt bei Hahn, Die gesamten Materialien zur KO vom 1.2.1877, 1881, S. ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge