Rn 40
Als Fortführungswert wird dagegen der Wert bezeichnet, der sich für das betreffende Wirtschaftsgut im Falle eines nicht zerschlagenen, sondern gerade weiterbetriebenen Unternehmens oder eines Unternehmensteils des Insolvenzschuldners errechnet. Auch dieser Wert kann nicht mit dem Buchwert des jeweiligen Gegenstandes (ermittelt nach den Regelungen des HGB) in eins gesetzt werden. Die (Absicht zur) Unternehmensfortführung erhöht regelmäßig den (Unternehmenszerschlagungs-)Wert und ist dementsprechend bei der Bewertung zu berücksichtigen. Zur Ermittlung der Einzelfortführungswerte greift man deshalb entweder auf die ursprünglichen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zurück, die bei der Abnutzung unterliegenden Gegenständen um zeitanteilig bemessene (reale) Wertminderungen zu bereinigen sind (Teilwertkonzept entsprechend § 6 Abs. 1 EStG). Oder aber man stellt auf den Wiederbeschaffungswert (Reproduktionswert) des betreffenden Gegenstandes ab, der üblicherweise recht genau seinen künftigen Ertragswert abbildet (Substanzwertkonzept).
Rn 41
Beide Verfahren sind allerdings grundsätzlichen Einwänden ausgesetzt. Bei isolierter Betrachtung der einzelnen materiellen Gegenstände wirkt sich die (beabsichtigte) Unternehmensfortführung wertmäßig zumeist nicht aus (etwa beim Firmenfahrzeug, bei Produktionsrohstoffen usw.). Eine Vielzahl immaterieller Vermögenswerte lässt sich praktisch nicht oder nur schwer bewerten und darstellen. Das gilt namentlich für Vertriebs- und Kundenstrukturen, gewerbliche Erfahrungen im Unternehmen, die Kompetenz der Mitarbeiter sowie ganz generell den Geschäfts- und Firmenwert insgesamt (Goodwill), aber etwa auch für Lizenzen, Konzessionen und gewerbliche Schutzrechte (Marken, Patente usw.). Derartige Vermögenspositionen beeinflussen zwar i.d.R. den Wert des Unternehmens, lassen sich aber einzelnen (materiellen) Vermögensgegenständen nicht zuordnen. Bei einer freiberuflichen Unternehmung ergibt sich der maßgebliche Unternehmenswert ohnehin fast immer (nur) aus der jeweiligen Person des Freiberuflers. In der Betriebswirtschaft hat sich zudem ganz generell die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Summe der (wie auch immer isoliert ermittelten) Einzelwerte aller Unternehmensbestandteile (Substanzwert des Unternehmens) regelmäßig nicht dem Unternehmenswert entspricht.
Rn 42
Demnach kommt es für die Entscheidung der Gläubiger maßgeblich auf den Gesamtwert des Unternehmens an, der sich aus dem Kaufpreisangebot eines Übernahmeinteressenten oder aber aus der künftig aus der Unternehmensfortführung zu erwartenden Rendite ergibt. Praktisch besteht die – vom Gesetzgeber weitgehend übersehene – Schwierigkeit sowohl darin, den Unternehmenswert als Bezugsgröße aller anzugebenden Einzelwerte zu ermitteln, als auch darin, aus diesem Gesamtwert des Unternehmens die Einzel(fortführungs-)werte aller Massegegenstände zu errechnen, was notwendig ist, um diese Werte im Einzelnen im Verzeichnis der Massegegenstände darzustellen.
Rn 43
Was die Unternehmensbewertung anbelangt, wird ein Kaufangebot für das gesamte Unternehmen zumeist (noch) nicht vorliegen und kurzfristig (innerhalb der Dreimonatsfrist bis zum Berichtstermin) nicht zu erlangen sein. Auch eine fundierte Unternehmensbewertung ist (kosten- und zeit-)aufwändig und in der Insolvenzsituation zudem höchst spekulativ. Das ergibt sich zwangsläufig anhand der hierfür relevanten Umstände. Bei der in der Praxis dominierenden Ertragswertmethode werden die voraussichtlichen künftigen Jahreserträge geschätzt und unter Zugrundelegung eines geeigneten Kapitalisierungszinssatzes auf den Bewertungszeitpunkt abgezinst. Ausgangspunkt ist das Ergebnis des letzten Geschäftsjahres ausweislich der Gewinn- und Verlustrechnung. Sodann hat der Insolvenzverwalter den nachhaltig erzielbaren Zukunftsertrag entweder anhand von Planungsrechnungen durch Schätzung zukünftiger Umsätze und wesentlicher Aufwandspositionen, geplanter Investitionen, des künftigen Liquiditätsbedarfs usw. (analytische Methode) oder anhand der Durchschnittserträge der letzten drei bis fünf Geschäftsjahre, die um zukünftige Ereignisse bereinigt werden (pauschale Methode), zu ermitteln.
Rn 44
Derartige Prognosen sind besonders schwierig, wenn das Unternehmen insolvent ist; das gilt auch, wenn auf das Discounted Cashflow-Verfahren zurückgriffen wird, das sich in Abwandlung der Ertragswertmethode stärker an der Liquidität des Unternehmens orientiert, oder sich (vornehmlich bei Freiberuflern) der Multiplikator-Methode bedient. Dementsprechend vermag der Insolvenzverwalter mit sachverständiger Hilfe regelmäßig nur eine vorläufige, schätzende Gesamtbewertung des Unternehmens vorzunehmen, die sich – im Vorgriff auf dessen mögliche Reorganisation – vornehmlich auf Marktanalysen, aussagekräftige Zukunftsprognosen und konkrete Businesspläne stützen muss. Mittels des ohnehin festgestellten Substanzwertes des Unternehmens (Summe der Liquidationswerte aller Unternehmensgegenstände)...