Rn 30
Der Insolvenzverwalter hat anstelle des Schuldners zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und sodann zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres eine Inventur vorzunehmen, mit der er alle dem kaufmännischen Unternehmen des Schuldners zugehörigen Gegenstände – was eher wirtschaftlich als rechtlich zu verstehen ist – zu erfassen und zu bewerten hat (§ 240 HGB). Das entspricht ausschnittsweise dem Masseverzeichnis nach § 151 und dem Gläubigerverzeichnis nach § 152, die der Verwalter dementsprechend nicht doppelt aufstellen muss. Da das erstmalig mit Insolvenzeröffnung aufzustellende Masseverzeichnis ebenso wie das Gläubigerverzeichnis im Laufe des Insolvenzverfahrens entgegen herkömmlicher Auffassung fortlaufend zu aktualisieren ist, vermag der Insolvenzverwalter hieraus auch die Inventare zum Abschluss eines jeden Geschäftsjahres zu entwickeln. Je nach den Gegebenheiten können – wie auch sonst – gleichartige (z. B. Schüttware) oder aufeinander bezogene Gegenstände (etwa Computer und Peripheriegeräte) zusammengefasst werden. Aufgrund des spezifischen Verfahrenszwecks sind reine Stichprobeninventuren aber grundsätzlich nicht zulässig.
Rn 31
Da ohnehin das gesamte insolvenzbeschlagene Vermögen des Schuldners zu erfassen ist (§§ 151, 152 InsO, ggfl. auch § 141 AO), kommt es nicht darauf an, dass kleinunternehmerisch tätige Einzelkaufleute nach § 241 a HGB von der Inventarerstellung befreit sind. Aufgenommen werden müssen alle Gegenstände unabhängig vom jeweiligen Vermögenswert und der Veräußerbarkeit. Zu beachten sind die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Inventur, namentlich die Einzelerfassung der Bestände, die Vollständigkeit der Bestandsaufnahme, die Wahrhaftigkeit, Richtigkeit und Willkürfreiheit der Bestandsaufnahme sowie die Klarheit, Nachprüfbarkeit und Dokumentation der Bestandsaufnahme.
Rn 32
Im Masseverzeichnis zu erfassen sind alle (körperlichen) Vermögenswerte (Grundstücke und Gebäude, Kraftfahrzeuge, Maschinen, Büro- und Geschäftsausstattung usw.) sowie alle unkörperlichen Vermögenspositionen, namentlich Bank- und Kassenbestände, Forderungen des Insolvenzschuldners (aus Warenlieferungen, auf ausstehende Einlagen von Gesellschaftern usw.), ebenso grundstücksgleiche Rechte und sonstige absolute Rechte (auch selbstgeschaffene Patente, Markenrechte usw.). Der Geschäfts- oder Firmenwert wird jedenfalls wie ein Vermögensgegenstand behandelt. Aufzuzeichnen sind zudem Ansprüche, die sich aus einer Insolvenzanfechtung ergeben; Entsprechendes gilt für andere insolvenzspezifische Forderungen, vor allem Ansprüche auf Schadensersatz wegen verspäteter Insolvenzantragstellung (§ 15 a InsO i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB mit der Differenzierung zwischen Alt- und Neugläubigern) oder wegen verbotener Zahlungen nach Insolvenzreife der Gesellschaft (§ 64 Satz 1 GmbHG). Mit Absonderungsrechten belastete Gegenstände sind aufzunehmen; grundsätzlich auch der Aussonderung unterliegende Gegenstände, wenngleich diese besonders zu kennzeichnen sind. Zum Neuerwerb vgl. eingehend zu § 151.
Rn 33
In das Gläubigerverzeichnis aufzunehmen sind alle gegen den Insolvenzschuldner gerichteten (geldwerten) Forderungen. Ob diese zur Tabelle angemeldet worden sind, (ganz oder teilweise) bestritten werden, durchsetzbar sind oder aber dem Grund und der Höhe nach bereits feststehen, ist unerheblich. Ausgenommen bleiben höchstpersönliche Verpflichtungen, unvertretbare Pflichten und Verpflichtungen zu Unterlassungen, weil diese nach § 888 ZPO bzw. 890 ZPO nur gegen den Schuldner vollstreckbar sind und deswegen im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht geltend gemacht werden können. Auch nachrangige Insolvenzforderungen sind darzustellen, denn deren Berücksichtigung bei der Verteilung der Insolvenzmasse ist zwar unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Zu Ab- und Aussonderungsrechten vgl. eingehend zu § 152. Letztlich sind auch Masseverbindlichkeiten (namentlich auch die Kosten, die im Rahmen der Verwertung der Massegegenstände entstehen) in das Verzeichnis aufzunehmen.
Rn 34
Die Bewertung der einzelnen Positionen sollte sich primär an den Vorgaben der §§ 151, 152 orientieren. Aktivpositionen sind mit dem tatsächlichen Wert anzugeben, und zwar – soweit die Fortführung des Unternehmens möglich erscheint – sowohl mit dem Fortführungs- wie mit dem Zerschlagungswert (§ 151 Abs. 2 Satz 2). Der tatsächliche Wert ist vom Insolvenzverwalter so genau wie möglich (anhand gängiger Marktpreise, üblicher Versteigerungserlöse, mittels Begutachtung usw.) zu ermitteln. Nur dann, wenn sich der Wert einzelner Gegenstände nicht nach einem objektiven Maßstab (Nominalwert, Marktwert, Börsenwert usw.) oder nur unter unverhältnismäßigem Aufwand bestimmen lässt, ist er zu schätzen. Vorausgegangene Bewertungen können – ggf. berichtigt – fortgeschrieben werden. Anzugeben sind grundsätzlich Bruttowerte. Soweit Belastungen (im weitesten Sinn verstanden) auf einem Gegenstand ruhen, sind die unbelas...