Rn 80

Die steuerrechtlichen Buchführungs- und Rechnungslegungspflichten des Insolvenzverwalters leiten sich zum Teil aus den handelsrechtlichen Bestimmungen ab, zum Teil ergeben sie sich original aus der AO und den einzelnen Steuergesetzen.

 

Rn 81

Soweit bereits nach handelsrechtlichen Grundsätzen Bücher geführt und Rechnung gelegt wird,[134] sind diese auch bei der Besteuerung zugrunde zu legen (Maßgeblichkeitsprinzip, § 140 AO). Insbesondere bildet die nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung aufgestellte Handelsbilanz – vorbehaltlich besonderer steuerrechtlicher Ansatz- und Bewertungsvorschriften – die Grundlage für die steuerliche Gewinnermittlung (§ 5 Abs. 1 EStG). Bei einer Personal(handels-)gesellschaft (oHG, KG) beziehen sich die Buchführungs- und Rechnungslegungspflichten des Insolvenzverwalters nicht auch auf das Sonderbetriebsvermögen ihrer Gesellschafter; diese müssen zwar (weiterhin) von der Gesellschaft besorgt werden,[135] unterliegen aber nicht dem Insolvenzbeschlag.[136] Zum grundsätzlichem Gleichlauf von (handelsrechtlichem) Geschäftsjahr und (steuerlichem) Wirtschaftsjahr und den diesbezüglichen Auswirkungen der Insolvenzeröffnung im Hinblick auf abweichende Veranlagungszeiträume vgl. bereits oben Rn. 12 ff. Bestehen Bedenken gegen eine ordnungsgemäße Führung der Handelsbücher oder die sachliche Richtigkeit der handelsrechtlichen Buchführung und Rechnungslegung, können die Besteuerungsgrundlagen von den Finanzbehörden geschätzt werden (§ 162 AO).

 

Rn 82

Müssen nicht bereits nach Handelsrecht Bücher geführt und Rechnung gelegt werden, bestimmen § 34, 141 AO, §§ 5 Abs. 1 EStG, 7 Abs. 4 KStG usw., dass derartige Pflichten durch den Insolvenzverwalter zu erfüllen sind. Das betrifft zum einen Fälle, in denen der Schuldner Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG) erzielt(e), zum anderen Fälle, in denen der Schuldner Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) erwirtschaftet(e), wobei dieser noch keinen vollkaufmännischen Umfang erreicht hat(te). In beiden Fällen muss durch die Finanzbehörde (dem Schuldner oder nachfolgend dem Insolvenzverwalter) mitgeteilt worden sein, dass Bücher zu führen und Rechnung zu legen ist, und muss der Geschäftsbetrieb nach Feststellung der Finanzbehörden bestimmte Wertgrenzen überschreiten: entweder Umsätze von mehr als 600 000 EUR im Kalenderjahr oder Eigenbewirtschaftung von land- und forstwirtschaftlichen Flächen mit einem Wirtschaftswert von mehr als 25 000 EUR oder Gewinne aus dem Geschäftsbetrieb von mehr als 60 000 EUR im Wirtschafts- bzw. Kalenderjahr.[137]

 

Rn 83

Der Insolvenzverwalter muss eine Eröffnungsbilanz erstellen, über alle Geschäftsvorfälle im Gewerbebetrieb bzw. im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb Bücher führen, jährliche Bestandsaufnahmen durchführen und auf deren Grundlage Jahresabschlüsse aufstellen. Hinsichtlich der Buchführung, der Inventur und des Jahresabschlusses verweist § 141 AO ganz generell auf die diesbezüglichen Vorschriften des HGB (§§ 238, 240-242 Abs. 1, 243-256). Im Fall eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs muss zudem ein Anbauverzeichnis geführt werden (§ 142 AO). Bei der Führung eines Gewerbebetriebes müssen die maßgeblichen Details zum Wareneingang – zur Ermöglichung von Betriebsprüfungen – gesondert aufgezeichnet werden (§ 143 AO); das gilt bei gewerblicher Weiterveräußerung der Waren auch für den Warenausgang und auch für Land- und Forstwirte (§ 144 AO). Diese besonderen Aufzeichnungspflichten kommen zur allgemeinen Buchführung hinzu.[138]

 

Rn 84

Soweit § 145 AO allgemeine Anforderungen an die – auf Papier oder in elektronischer Form, aber etwa auch in Form der geordneten Ablage von Belegen mögliche – Buchführung und Aufzeichnung statuiert, entsprechen diese den handelsrechtlichen Bestimmungen (§ 238 Abs. 1 Sätze 2 und 3 HGB): Buchführung und Aufzeichnung müssen so beschaffen sein, dass sie es einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit ermöglichen, sich einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Geschäftsbetriebs zu verschaffen. Bei der Buchführung und Aufzeichnung muss sich der Insolvenzverwalter einer "lebenden Sprache" bedienen; deren Übertragung ins Deutsche muss (ggf. mithilfe von Dolmetschern) praktisch möglich sein. Die einzelnen Geschäftsvorfälle sind einzeln, vollständig (lückenlos), richtig, zeitgerecht und geordnet zu buchen und aufzuzeichnen (§§ 146 Abs. 1 Satz 1, 146a Abs. 1 Satz 1 AO); die Einzelaufzeichnung ist lediglich beim Barverkauf von Waren an eine Vielzahl nicht namentlich bekannter Personen und nur dann entbehrlich, wenn die Aufzeichnung nicht mithilfe eines elektronischen Systems erfolgt (§ 146 Abs. 1 AO).

 

Rn 85

Kassenein- und -ausgänge sind täglich festzuhalten. Änderungen sind nur zulässig, wenn sie den ursprünglichen Inhalt und die Tatsache späterer Änderungen hinreichend deutlich erkennen lassen. Die Bücher und sonstigen Aufzeichnungen sind aufzubewahren (§ 146 Abs. 2 Satz 1 AO); die hierbei einzuhaltenden Fristen ergeben sich aus §§ 14...

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