Rn 27
Den Geschäftsleiter trifft die Pflicht zur Klärung der Krisensituation. Dabei stehen ihm verschiedene Handlungsalternativen offen, von denen die Antragstellung nur eine ist. Der Geschäftsleiter kann auch Sanierungsverhandlungen mit den Gläubigern und/oder den Gesellschaftern führen. Die verschiedenen Optionen hat er gegenüber der Gesellschaft mit der Pflicht eines ordentlichen Geschäftsmanns/Geschäftsleiters zu prüfen (§ 43 Abs. 1 GmbHG; § 92 Abs. 1 AktG; § 34 Abs. 1 GenG). Eine Pflichtverletzung i. S. des § 15a Abs. 1 liegt aber nur dann vor, wenn die Geschäftsleitung den Eröffnungsantrag verspätet stellt. Die Geschäftsleitung muss ihre Entscheidung innerhalb einer Höchstfrist von drei Wochen treffen. Ausschöpfen darf sie die Frist nur, soweit dies kein "schuldhaftes Zögern" darstellt. Ist bereits vor Ablauf der Frist klar, dass eine Sanierung nicht zu erwarten ist, muss die Geschäftsleitung das Insolvenzverfahren schon vorher einleiten. Die Pflicht entfällt nicht deshalb, weil der Antrag voraussichtlich mangels Masse zurückgewiesen wird. Beantragt der Geschäftsleiter die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu früh, d. h. ohne die Möglichkeiten einer "freien" Sanierung ausreichend geprüft zu haben, verletzt er allenfalls die Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung nach § 43 Abs. 1 GmbHG; § 92 Abs. 1 AktG; § 34 Abs. 1 GenG, nicht aber die Pflicht aus § 15a Abs. 1.
5.2.1 Beginn, Ende und Ruhen der Pflicht
Rn 28
Die Pflicht, den Eröffnungsantrag zu stellen, besteht – vorbehaltlich der Höchstfrist von drei Wochen -, wenn die Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung "offen zutage tritt" (oben Rn. 22). Die Pflicht dauert fort bis zur Insolvenzeröffnung. Ist die Gesellschaft zunächst insolvenzreif und überwindet sie sodann die Krise, erlischt die Insolvenzantragspflicht für die zurückliegenden Zeiträume. Sie lebt aber ex nunc wieder auf, wenn die Gesellschaft erneut in die Krise gerät. Voraussetzung für das Erlöschen der Antragspflicht ist allerdings, dass die Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung (aus damaliger Sicht) "nachhaltig" überwunden wurde. Die Antragspflicht endet auch mit Beendigung der Organstellung (siehe auch oben Rn. 11).
Rn 29
Hat ein Gläubiger den Eröffnungsantrag gestellt, ruht (richtiger, aber umstrittener Ansicht nach) für die Geschäftsleiter ab diesem Zeitpunkt die Insolvenzantragspflicht, lebt aber rückwirkend wieder auf, wenn der Antrag zurückgenommen oder als unzulässig zurückgewiesen wird. Anderer Ansicht nach lässt der Gläubigerantrag die Insolvenzantragspflicht gänzlich unberührt. Letztere erlischt dieser Ansicht zufolge erst mit rechtskräftiger Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund des Fremdantrags (oder Abweisung des Antrags mangels Masse). Die Antragspflicht ruht für die übrigen Geschäftsleiter auch dann, wenn ein Mitglied des Kollegialorgans den Antrag gestellt hat. Wird der Eigenantrag dieses Geschäftsleiters wieder zurückgenommen, lebt die Antragspflicht für alle Geschäftsleiter rückwirkend wieder auf, wenn im Zeitpunkt der (ursprünglichen) Antragstellung bereits Insolvenzreife gegeben war (und die Krise zwischenzeitlich nicht nachhaltig überwunden wurde).
Rn 30
Ist das Insolvenzverfahren eröffnet, endet die Antragspflicht. Fraglich ist, ob Gleiches gilt, wenn der Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen wurde, der (nicht gelöschten) Gesellschaft später aber wieder (neue) Vermögenswerte anfallen, die die Verfahrenskosten decken. Zivilrechtlich lebt hier – richtiger Ansicht nach – die Insolvenzantragspflicht wieder auf.