Rn 58
Die h. M. hat bereits die Vorgängervorschriften des § 15a Abs. 1, 2 (siehe oben Rn. 3) als Schutzgesetze zugunsten der Gläubiger i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB angesehen. Daran hat sich durch die rechtsformübergreifende Formulierung der Antragspflicht in § 15a Abs. 1, 2 nichts geändert.
8.1.1.1 Der Kreis der geschützten Gläubiger
Rn 59
Die Schutzrichtung des § 15a ist eine doppelte, nämlich zum einen das vorhandene Vermögen den bestehenden Gläubigern zu erhalten und zum anderen den Geschäftsverkehr davor zu schützen, mit der insolvenzreifen Gesellschaft in Vertragsbeziehung zu treten. Einbezogen in den Schutzbereich sind alle Gläubiger, und zwar unabhängig davon, ob sie ihre Forderung vor oder nach Eintritt der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit gegen die Gesellschaft erworben haben. Gleichgültig ist auch die Rechtsnatur des Anspruchs (vertragliche oder gesetzliche Grundlage).
Rn 60
Ausgenommen vom Schutzbereich sind allerdings die Gesellschaft selbst sowie die Gesellschafter. Letzteres gilt aber nicht, wenn der Gesellschafter durch die Insolvenzverschleppung (auch) in seiner Gläubigerstellung beeinträchtigt wird. Hier liegt aber – mit Blick auf § 51a GmbHG – ein Mitverschulden desselben recht nahe. Nicht einbezogen in den Schutzbereich sind zudem diejenigen Gläubiger, die ihre Ansprüche erst mit oder aber erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben haben. Die Verletzung der Insolvenzantragspflicht endet nämlich spätestens mit der Eröffnung des Verfahrens oder Ablehnung des Antrags mangels Masse (siehe oben Rn. 30). Gläubiger, die ihre Ansprüche gegen die Gesellschaft erst nach diesem Zeitpunkt etwa durch cessio legis erwerben, fallen daher nicht in den Schutzbereich der Norm. Aus diesem Grund kann die Bundesagentur für Arbeit nicht nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15a Abs. 1 Ersatz dafür verlangen, dass sie infolge Zahlungsrückständen des Arbeitgebers Insolvenzgeld zahlen muss. Schadensersatzansprüche wegen Insolvenzverschleppung kann sie auch nicht aus übergeleitetem Recht geltend machen, da von der gesetzlichen Abtretung (§ 169 SGB III) zugunsten der Bundesagentur für Arbeit nur die Ansprüche der Arbeitnehmer auf Arbeitsentgelt, nicht aber deren Schadensersatzansprüche gegen das Leitungsorgan erfasst sind.
8.1.1.2 Schuldhafte Pflichtverletzung
Rn 61
Die Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15a Abs. 1, 2 setzt eine schuldhafte Verletzung der Antragspflicht (zum Inhalt, siehe oben Rn. 23 ff.; 20 ff.) voraus. Bzgl. des Verschuldens reicht Fahrlässigkeit hinsichtlich aller Tatbestandsvoraussetzungen. Hierfür spricht auch ein Vergleich mit § 15a Abs. 5. In Bezug auf die Insolvenzreife reicht grds. Erkennbarkeit (siehe oben Rn. 22) aus. Das Verschulden wird dann vermutet. Hat das Leitungsorgan nicht die notwendige Fach- und Sachkunde, muss es externen Rat in Anspruch nehmen (siehe oben Rn. 26). Schaltet das Leitungsorgan Dritte ein, entfällt das Verschulden nur, wenn es sich aufgrund der fehlerhaften Beratung in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden hat.