Rn 44
Die Behandlung der vormals eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung im geltenden Recht gehört zu einer der umstrittensten Fragen nach Inkrafttreten des MoMiG. Erst kurz vor dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ist mit dem Abs. 3 in § 135 InsO eine Regelung der Fallgruppe der eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung in das MoMiG aufgenommen worden. Hiernach besteht eine "Aussonderungssperre" für die Dauer des Insolvenzverfahrens, höchstens aber für eine Zeit von einem Jahr ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wenn dem Schuldner von einem Gesellschafter ein Gegenstand zum Gebrauch oder zur Ausübung überlassen wurde und der Gegenstand für die Fortführung des Unternehmens des Schuldners von erheblicher Bedeutung ist. Der neue Abs. 3 von § 135 InsO setzt einen Aussonderungsanspruch voraus, was wegen der Regel des Fortbestehens von Miet- und Pachtverhältnissen nach § 108 InsO (und der Folge der Einordnung der Miet- oder Pachtzinsen als Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO) zunächst einmal eine ausnahmsweise Beendigung der vertraglichen Nutzungsbefugnis voraussetzt (z.B. im Wege der Kündigung nach § 109 InsO). Die Nutzungsüberlassung nach § 135 Abs. 3 InsO erfolgt dann allerdings nicht (mehr) per se unentgeltlich. Vielmehr gebührt dem Gesellschafter nach Satz 2 des § 135 Abs. 3 InsO für den Gebrauch ein Ausgleich, bei dessen Berechnung der Durchschnitt der im letzten Jahr vor Verfahrenseröffnung geleisteten Vergütung in Ansatz zu bringen ist.
Rn 45
Klar dürfte sein, dass die Regelung der Nutzungsüberlassung in dem neu eingefügten Abs. 3 des § 135 InsO – entgegen ihrem Standort im Gesetz – nichts mit Kreditgewährung und Subordination i.S.d. §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 Abs. 1 InsO zu tun hat. Ob § 135 Abs. 3 InsO die Anwendung der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 Abs. 1 InsO im Sinne eines Vorrangs auf Konkurrenzebene ausscheidet, ist umstritten. Richtigerweise lässt sich ein Vorrang nicht schon auf Konkurrenzebene begründen, sodass der Blick vor wie nach dem MoMiG neben § 135 Abs. 3 InsO auch auf den Tatbestand des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und hier auf das Merkmal der "wirtschaftlichen Entsprechung" gerichtet ist. Ob hier auf Tatbestandsseite auch nach Inkrafttreten des MoMiG alles beim Alten geblieben ist, wird ebenfalls breit diskutiert.
Rn 46
Für die hier im Mittelpunkt stehende Frage nach der Kollision der Rechtsfolge des § 135 Abs. 3 InsO oder – im dem Fall, dass man mit Blick auf den Tatbestand des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO von einer "wirtschaftlichen Entsprechung" der Nutzungsüberlassung mit einer Darlehensgewährung ausgeht – auch der Rechtsfolgen der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 Abs. 1 InsO mit Maßnahmen der Zwangsvollstreckung soll jedoch alles beim Alten bleiben: Es gilt der Grundsatz des uneingeschränkten Vorrangs der Zwangsvollstreckung. Der Grundpfandrechtsgläubiger bzw. Zwangsverwalter kann ab dem Eintritt der Beschlagnahmewirkungen nicht auf die Überlassungspflicht trotz Beendigung des Miet- oder Pachtverhältnisses nach § 135 Abs. 3 InsO verwiesen werden, auch nicht um den Preis des Ausgleichs nach Satz 2 von § 135 Abs. 3 InsO. Entsprechend muss auch ein Dritter, der das Grundstück im Wege der Zwangsversteigerung erwirbt, das Grundstück nicht nach § 135 Abs. 3 InsO oder nach den §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 Abs. 1 InsO der Gesellschaft zwangsweise für maximal ein Jahr zur Nutzung überlassen, auch wenn der Verkäufer hierzu wegen seiner Gesellschafterstellung verpflichtet wäre.