Rn 57
Einen Unterfall der freihändigen Verwertung durch den Insolvenzverwalter stellt auch die sog. kalte Zwangsverwaltung dar. Als "kalte" Zwangsverwaltung bezeichnet man Verwertungsvereinbarungen zwischen dem Insolvenzverwalter und den gesicherten Gläubigern über die Aufteilung von Miet- oder Pachtzins zur Vermeidung des formalisierten Verfahrens der "echten" Zwangsverwaltung nach dem ZVG. Die Vereinbarung einer "kalten" Zwangsverwaltung kommt auch nach Anordnung der Zwangsverwaltung in Betracht. Dies kann z.B. in den Fällen vorteilhaft sein, in denen ein laufender Geschäftsbetrieb fortgeführt werden soll, um die Kontinuität bei der Fortführung des Geschäfts zu gewährleisten. Die "kalte" Zwangsverwaltung kann in verschiedenen Varianten auftreten, die sich danach unterscheiden, wer in persona die tatsächliche Verwaltung des Grundstücks übernimmt: Der Insolvenzverwalter, der Schuldner und dessen Mitarbeiter oder ein externer Verwalter (in letzterem Fall spricht man dann von der sog. kalten Institutsverwaltung). Welche Variante vorliegt bestimmt sich allein nach der Verwertungsvereinbarung zwischen dem Insolvenzverwalter und den gesicherten Gläubigern. Je nach gewählter Variante stellen sich Folgefragen, insbesondere hinsichtlich der Kostentragungslast, deren Beantwortung in erster Linie ebenfalls der Vereinbarung überlassen ist (zu den steuerlichen Folgefragen siehe Rn. 112).
Grundsätzlich steht den absonderungsberechtigten Gläubigern nach § 49 InsO die Möglichkeit offen, die Anordnung der Zwangsverwaltung in das Grundstück zu beantragen (oben Rn. 34). Im Fall der Anordnung der Zwangsverwaltung gehen der Insolvenzmasse die Einnahmen aus den Miet- und Pachtforderungen verloren, zu deren Einziehung der Insolvenzverwalter bis zur Eröffnung des Zwangsverwaltungsverfahrens berechtigt war. Damit droht aber die Freigabe des Grundstücks an den Schuldner. Um dies zu verhindern, erklären sich die Gläubiger häufig bereit, den Miet- oder Pachtzins unter sich und der Insolvenzmasse aufzuteilen. Für die absonderungsberechtigten Gläubiger hat dies zudem den Vorteil, dass sie sofort an den Miet- oder Pachteinnahmen beteiligt werden. Ohnehin hat die Zwangsverwaltung durch einige Entscheidungen des BGH im Vergleich zur "kalten" Zwangsverwaltung durch den Insolvenzverwalter an Attraktivität verloren. So soll etwa der Zwangsverwalter einer Mietwohnung dem Mieter gegenüber, wenn die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind, zur Herausgabe einer von diesem geleisteten Kaution verpflichtet, selbst wenn der Zwangsverwalter die Kaution weder unmittelbar vom Mieter noch vom Vermieter erhalten hat und der insolvente Vermieter die Kaution nicht von seinem sonstigen Vermögen getrennt "insolvenzfest" verwahrt hat. Ferner hat der Zwangsverwalter eines Grundstücks nach Auffassung des BGH die Betriebskosten für ein Mietobjekt auch für solche Abrechnungszeiträume abzurechnen, die vor seiner Bestellung liegen, sofern eine etwaige Nachforderung von der als Beschlagnahme geltenden Anordnung der Zwangsverwaltung erfasst wird. Soweit der Zwangsverwalter hiernach zur Abrechnung verpflichtet ist, hat er auch ein etwaiges Vorauszahlungsguthaben an den Mieter auszuzahlen; dies gilt – wie im eben genannten Fall der Kaution – auch dann, wenn ihm die betreffenden Vorauszahlungen nicht unmittelbar zugeflossen sind. Diese Haftung des Zwangsverwalters für die Mietkaution oder das Vorauszahlungsguthaben ist nicht auf den Insolvenzverwalter übertragbar.
Rn 58
Ob die absonderungsberechtigten Gläubigern neben der Möglichkeit nach § 49 InsO, die Anordnung der Zwangsverwaltung in das Grundstück zu beantragen, überdies zur Pfändung der Miet- und Pachtforderungen berechtigt sind, ist seit langem streitig: Nach einer Ansicht kann ein Grundschuldgläubiger aus seinem dinglichen Titel die Mieteinnahmen aus dem Grundstück pfänden, da sich die Grundschuld gem. §§ 1192 Abs. 1, 1123 Abs. 1 BGB auch auf die Mietforderungen erstreckt und sein Grundpfandrecht aufgrund des Absonderungsrechts nicht vom Vollstreckungsverbot des § 89 InsO erfasst wird. Nach anderer Ansicht gestatten die §§ 49 ff. InsO und §§ 165 ff. InsO die Durchsetzung von Absonderungsrechten an Immobilien ausschließlich durch Immobiliarzwangsvollstreckung, begrenzen also die Vollstreckungsalternativen des Absonderungsberechtigten auf Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, wobei lediglich die Zwangsverwaltung zur Erlangung der Mietforderungen geeignet ist. Der BGH folgt der zuletzt genannten Ansicht und lehnt die Pfändung der Miet- und Pachtforderungen in einer neueren Entscheidung ab: Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners ist die Pfändung mithaftender Mieten oder Pachten durch absonderungsberechtigte Grundpfandgläubiger nicht mehr zulässig.
Rn 59
Eine aufgrund einer Verwertungsvereinbarung mit einem Grundpfandgläubiger gezahlte Vergütung für eine sog. kalte Zwangsverwaltung ist nicht auf die Vergütung des Insolvenzverwalter...