Rn 102
Mit Stellung eines Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellt sich kein automatisches Vollstreckungsverbot ein. Nicht einmal als Maßnahme der Sicherung des schuldnerischen Vermögens i.S. von § 21 InsO kann es zur Anordnung eines Vollstreckungsstopps durch das Insolvenzgericht kommen, weil die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen nicht von dem allgemeinen Vollstreckungsverbot nach § 21 Abs. 2 Nr. 3, das in aller Regel gleichzeitig mit Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung erlassen wird, erfasst wird. Denn das allgemeine Vollstreckungsverbot nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 greift nur, "soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind". Die Einschränkung der Nr. 3 des § 21 Abs. 2 InsO ("soweit") wurde erst auf Betreiben des Rechtsausschusses des Bundestages vorgenommen und war in der Fassung des Regierungsentwurfs noch nicht enthalten. Die Einschränkung dient in erster Linie der Verhinderung eines Wechsels der Zuständigkeiten für die Entscheidung über eine einstweilige Einstellung der Immobiliarzwangsvollstreckung mit Antragstellung: Zuständig ist und bleibt das Vollstreckungsgericht. Mit der Verlagerung gehen freilich auch inhaltliche Änderungen einher, insbesondere die Ausgestaltung als Antragsverfahren (unten Rn. 103) sowie das Erfordernis der Glaubhaftmachung (unten Rn. 104).
Rn 103
Die Möglichkeit der einstweiligen Einstellung der Zwangsversteigerung durch das Vollstreckungsgericht besteht aber auch im Insolvenzeröffnungsverfahren und ergibt sich dort aus § 30d Abs. 4 ZVG: Ist vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein vorläufiger Verwalter bestellt, so ist auf dessen Antrag die Zwangsversteigerung einstweilen einzustellen, wenn die einstweilige Einstellung zur Verhütung nachteiliger Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners erforderlich ist. Damit weicht die zwangsvollstreckungsrechtliche Möglichkeit der einstweiligen Einstellung von der im Reformprozess zwischenzeitlich avisierten insolvenzrechtlichen Lösung nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO (oben Rn. 102 a. E.) insoweit ab, als die Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO von Amts wegen ergriffen werden. Ferner darf nicht übersehen werden, dass das Erfordernis der Antragsstellung eine einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung im Eröffnungsverfahren sogar unmöglich macht, wenn das Insolvenzgericht keinen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.
Rn 104
Die zur Begründung des Antrags nach § 30d Abs. 4 ZVG vom vorläufigen Insolvenzverwalter vorzutragenden Tatsachen, welche also die drohende nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners belegen, sind glaubhaft zu machen. Für die Mittel der Glaubhaftmachung gilt § 294 Abs. 1 ZPO. Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich nach dieser Vorschrift aller Beweismittel bedienen und außerdem zur Versicherung an Eides Statt zugelassen werden. Die Schwelle sollte für den Insolvenzverwalter freilich nicht allzu hoch liegen und eine Glaubhaftmachung in aller Regel gelingen. In dem Erfordernis der Glaubhaftmachung liegt auch ein Unterscheid zu der im Reformprozess zwischenzeitlich avisierten insolvenzrechtlichen Lösung nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO (oben Rn. 102 a. E.).
Rn 105
Der Nachteil in der Vermögenslage des Schuldner als Gegenstand der Glaubhaftmachung muss sind nach dem Sinn und Zweck des § 30d Abs. 4 ZVG – und dem Sinn und Zweck der Vorschriften über die Verwertung nach §§ 165 ff. insgesamt – aus der Zerschlagung von Verbundwerten oder einer Betriebsnotwendigkeit der Immobilie ergeben. Das bloße Ausscheiden der Immobilie aus dem Vermögen des Schuldners infolge der Zwangsversteigerung ist zur Begründung des Nachteils i.S. von Abs. 4 des § 30d ZVG unzureichend.
Rn 106
Ist das Versteigerungsverfahren schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 30d Abs. 4 ZVG einstweilen eingestellt worden, so ist die Zahlung von Zinsen nach § 30e Abs. 1 Satz 2 ZVG spätestens von dem Zeitpunkt an anzuordnen, der drei Monate nach der ersten einstweiligen Einstellung liegt (allgem. zum Ausgleich des Zinsverlusts infolge Verzögerung der Verwertung oben Rn. 79 ff.). Damit wird er Zeitraum, in dem der Gläubiger einen Eingriff in sein Sicherungsrecht ohne Ausgleich hinzunehmen hat, auf maximal drei Monate begrenzt.
Rn 107
Hinsichtlich einer etwaigen späteren Aufhebung der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 30f Abs. 1 ZVG gelten keine Besonderheiten. Insbesondere in der Konstellation, dass die einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung auf den Einstellungsgrund des § 30d Abs. 4 ZVG gestützt wurde, darf aber nicht übersehen werden, dass für die Aufhebung der Fortfall sämtlicher Einstellungsgründe nach § 30d ZVG erforderlich ist (oben Rn. 65 ff.). Die einstweilige Einstellung nach § 30d Abs. 4 ZVG kann also nicht allein infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Antrag aufgehoben werden. Zusätzlich kann aber die einstweilige Einstellung nach § 30d Abs. 4 ZVG auf Antrag des Gläubigers aufgehoben werden, ...