2.1 Allgemeine Verwertungskosten (§ 171 Abs. 2 Satz 1 und 2)
Rn 8
Als Verwertungskosten (§ 171 Abs. 2 Satz 1) sind alle Kosten anzusetzen, die der Insolvenzmasse durch die Verwertung des mit dem Absonderungsrecht behafteten Gegenstands tatsächlich und in erforderlichem Umfang entstehen; hierzu zählen z.B.
- Kosten für die verkaufsfähige Aufbereitung der Gegenstände in den Geschäftsräumen, um einen optimalen Erlös zu erzielen;
- Kosten einer Auktion;
- Transportkosten;
- zusätzliche Tätigkeit des Verwalters.
Rn 9
Ebenso wie schon bei den Feststellungskosten hat sich der Gesetzgeber in § 171 Abs. 2 Satz 1 auch bei den Verwertungskosten primär für die Zahlung eines Pauschalbetrags entschieden (vgl. aber auch Rn. 10). Die Höhe des Betrags wurde unter Berufung auf Auskünfte von Kreditinstituten und Kreditversicherern auf 5 % des Verwertungs(Brutto)erlöses festgesetzt, die diesenWert als Durchschnittswert der entstehenden Verwertungskosten ansehen. In Anbetracht der zuvor regelmäßig im Wege einer Verwertungsvereinbarung erzielbaren Quoten von 15 bis 35 % fällt die gesetzliche Vorgabe deutlich zu niedrig aus und lässt häufig noch nicht einmal eine kostendeckende Verwertung zu. Daher sollte der Insolvenzverwalter auch künftig versuchen, an die bisher in der Praxis verbreiteten Absprachen (und deren Quoten) anzuknüpfen.
2.2 Erheblichkeit der Abweichung
Rn 10
Anders als bei den Feststellungskosten sind die Schwankungen der tatsächlich entstehenden Verwertungskosten jedoch sehr groß, so dass § 171 Abs. 2 Satz 2 deshalb den Ansatz der tatsächlich entstandenen und für die Verwertung erforderlichen Kosten zulässt. Es wird sowohl dem Verwalter (bei besonders hohen) als auch jedem Gläubiger (bei besonders niedrigen Kosten) freigestellt, die durch die gesetzliche Anordnung getroffene Vermutung zu widerlegen.
Rn 11
Um allerdings das Ziel einer Entlastung der Gerichte nicht zu gefährden, muss die Abweichung zwischen der Pauschale und den wirklichen Verwertungskosten erheblich sein. Deswegen ist die Erheblichkeit als echtes Tatbestandsmerkmal zu verstehen, weil ansonsten ständig Streitigkeiten zwischen den Gläubigern und dem Verwalter vorprogrammiert wären. Eine geringfügige Abweichung reicht nicht aus. Von Erheblichkeit kann erst gesprochen werden, wenn der Pauschbetrag um die Hälfte unterschritten (< 2,5 %) oder um das Doppelte überstiegen (> 10 %) wird. Eine unbillige Belastung wird hierin nicht gesehen, da diese Kosten auch bei Zwangsversteigerung oder Freigabe des Gegenstands durch den Insolvenzverwalter entstanden wären; im Übrigen könne der Gläubiger diese Kosten in seine Kalkulation aufnehmen. Eine erhebliche Abweichung ist bei der Verwertung einer Lebensversicherung angenommen worden, die zu diesem Zweck gekündigt wird; hier liegen die tatsächlichen Kosten (unabhängig vom mitunter beträchtlichen Rückkaufswert) bei DM 50,00.
Rn 12
Erforderlich sind nicht nur diejenigen Kosten, die aufgewendet werden müssen, um den Gegenstand überhaupt zu verwerten, sondern auch die Kosten, mit deren Hilfe ein höherer Verwertungserlös erzielt wird. Maßgeblich ist insoweit eine Ex-ante-Betrachtung aus der Sicht eines objektiven Dritten. Es besteht bei der Frage nach der Erforderlichkeit ggf. die Möglichkeit der Schätzung nach § 298 ZPO a.F.
2.3 Umsatzsteuer als Sonderfall der Verwertungskosten (§ 171 Abs. 2 Satz 3)
2.3.1 Anfall von Umsatzsteuer
Rn 13
Die Verwertung des mit dem Absonderungsrecht behafteten Gegenstands führt regelmäßig – von Ausnahmen wie §§ 4 Nr. 1a) i.V.m. 6 UStG (Verkauf in das Ausland) oder §§ 4 Nr. 1b) i.V.m. 6a UStG (Lieferungen innerhalb der EU) abgesehen – zu einer Umsatzsteuerschuld der Insolvenzmasse:
- Verwertet der Insolvenzverwalter, liegt umsatzsteuerrechtlich ein Umsatz direkt mit dem Abnehmer vor, Umsatzsteuer entsteht einmal.
- Gibt der Insolvenzverwalter Sicherungsgut frei, liefert er umsatzsteuerrechtlich an den Sicherungsgläubiger, und es liegt ein steuerbarer Umsatz vor, bei späterer (Weiter-)Veräußerung durch den Sicherungsgläubiger liegt ein zweiter steuerbarer Umsatz vor; Umsatzsteuer fällt im Ergebnis zweimal an (Theorie des sog. Doppelumsatzes).
2.3.2 Regelung vor Inkrafttreten der InsO
Rn 14
Obwohl es sich bei den aus Verwertungshandlungen entstehenden Umsatzsteuerverpflichtungen (und damit bei deren Erstattungspflicht zugunsten der Masse) um Vorgänge von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung handelt, fehlte es bisher an einer gesetzlichen Regelung. Diese Kosten waren wirtschaftlich von der insoweit im Verhältnis zum Fiskus steuerpflichtigen Masse zu tragen. Die aus Verwertungshandlungen resultierenden Umsatzsteuerverpflichtungen der Masse waren nach der Rechtsprechung auch nicht als Konkursforderungen anzusehen, da sie erst mit der Verwertungshandlung und damit nach der Eröffnung...