Rn 76
Gemäß Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 kann das Insolvenzgericht anzuordnen, dass Gegenstände, die im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens von § 166 erfasst würden oder deren Aussonderung verlangt werden könnte, vom Gläubiger nicht verwertet oder eingezogen werden dürfen. Sie dürfen darüber hinaus zur Fortführung des schuldnerischen Unternehmens eingesetzt werden, soweit sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind. Ausgangspunkt für die ausdrückliche gesetzliche Regelung dieser Sicherungsmaßnahme war nach der Gesetzesbegründung der Umstand, dass die Insolvenzordnung im eröffneten Verfahren eine stärkere Einbeziehung der Sicherungsgläubiger bzw. Aussonderungsgläubiger in das Insolvenzverfahren zum Ausdruck bringe (vgl. § 169 Satz 1, § 107 Abs. 2), dies aber für das Eröffnungsverfahren nicht ausdrücklich gelte. Solange aber die Fortführungswürdigkeit des Schuldnerunternehmens noch nicht abschließend geprüft ist, soll "das dem unternehmerischen Zweck gewidmete materielle Substrat" vorläufig zusammengehalten werden. Nach der Intention der Insolvenzordnung und dem Willen des Gesetzgebers soll der schuldnerische Betrieb grundsätzlich bis zur Entscheidung der Gläubigerversammlung nach Insolvenzeröffnung fortgeführt werden. Diesem Ziel dient § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5, der es ermöglichen soll Sanierungschancen zu nutzen und eine möglichst optimale Verwertung der Insolvenzmasse zu sichern. Zwar hat sich die bisherige Praxis zur Erzielung eines vergleichbaren Sicherungserfolges entweder mit der Anwendung der Generalklausel nach Abs. 1 oder mit den Möglichkeiten der Vollstreckungsverbote nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 beholfen, jedoch ergaben sich bei diesem Vorgehen erhebliche formal- und materiellrechtliche Unsicherheiten über Reichweite und Zulässigkeit entsprechender Sicherungsanordnungen. Der Gesetzgeber hat dafür eine ausführliche, bei näherer Betrachtung aber nicht ganz unproblematische Regelung geschaffen.
Rn 77
Für die von der Vorschrift erfassten Gegenstände (s.u. Rdn. 80 ff.) kann das Gericht anordnen, dass sie von den betreffenden Gläubigern nicht verwertet oder eingezogen werden dürfen. Letzteres bezieht sich auf sicherungszedierte Forderungen, hinsichtlich derer der Gläubiger beispielsweise im Eröffnungsverfahren dem Schuldner die Einziehung untersagt oder die vertraglich eingeräumte schuldrechtliche Einziehungsbefugnis entzogen hat. Eine dem Schuldner erteilte Einziehungsermächtigung entfällt nicht ohne Weiteres mit der Stellung des Insolvenzantrags oder der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters. Andernfalls wäre eine Betriebsfortführung praktisch unmöglich. Die gerichtliche Anordnung des Verwertungs- und Einziehungsverbots verhindert, dass Sicherungsgläubiger sofort nach dem Insolvenzantrag die Einziehungsermächtigung widerrufen, die Sicherungsabtretung offenlegung und die betreffenden Forderungen einziehen.
Rn 77a
Hinsichtlich sicherungsübereigneter Gegenstände kann das Gericht mit der Maßnahme dem Sicherungsnehmer die Verwertung der Sicherheit untersagen. Um dem beabsichtigten Anwendungsbereich des Gesetzes gerecht zu werden, ist auch das Herausgabeverlangen eines Vermieters oder Leasinggebers eine Verwertungshandlung. Weniger problematisch ist dies beim Herausgabeverlangen eines Vorbehaltslieferanten, da sich dieser das Eigentum an der gelieferten Sache als Sicherheit vorbehalten hat und diese seine Sicherheit nun herausverlangt, um sich deren Wert wieder seinem Vermögen zuzuführen. Bereits hier ist erkennbar, dass die Regelung vorrangig auf reine Sicherungsgläubiger und nicht auf echte Aussonderungsgläubiger abzielt. Wird sie gleichwohl auf diese Rechte bzw. Gegenstände erstreckt, muss dies immer unter besonderer Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geschehen. Darüber hinaus kann das Gericht auch dem vorläufigen Verwalter zugleich eine Nutzungsbefugnis einräumen. Dadurch wird ein hoheitlich begründetes, besonderes privatrechtliches Nutzungsverhältnis geschaffen, das neben ein unter Umständen bestehendes weiteres Nutzungsverhältnis tritt.
Rn 78
Grundlegende Voraussetzung einer Anordnung nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 ist die Fortführung des schuldnerischen Unternehmens im Eröffnungsverfahren. Sowohl die Anordnung gegenüber Fremdrechtsgläubigern als auch die Einräumung einer Nutzungsbefugnis für Fortführungszwecke setzen grundsätzlich voraus, dass die betreffenden Vermögensgegenstände für die Betriebsfortführung von erheblicher Bedeutung sind (zur Ausnahme beim Forderungseinzug, s.u. Rdn. 79). Dies kann von vornherein nicht für alle im Schuldnerbetrieb vorgefundenen Vermögensgegenstände unterstellt werden, so dass schon aus diesem Grund pauschale Anordnungen nach Nr. 5 unzulässig sind. Vielmehr hat der vorläufige Insolvenzverwalter bzw. der mit der Prüfung der Erforderlichkeit weiterer Sicherungsmaßnahmen beauftragte Sachverständige Art und Umfang der Betriebsfortführung und die dafür entstehende Bedeutung des betreffenden Gegenstandes des An...