Rn 22
Leistet im Eröffnungsstadium ein Dritter auf eine Verbindlichkeit gegenüber dem Schuldner, so ist die Entgegennahme dieser Leistung und die Herbeiführung der Erfüllungswirkung gemäß § 362 BGB durch den Schuldner schon gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 rechtlich unwirksam, denn auch eine solche Rechtshandlung des Schuldners stellt eine Verfügung i. S. d. § 81 Abs. 1 dar, denn sie ist auf Einräumung, Aufhebung oder Veränderung (z. B. bei Teilleistungen) eines Rechts gerichtet (zu den Rechtsfolgen s. u. Rn. 26). Deswegen statuiert § 23 Abs. 1 Satz 3 eine Hinweispflicht des Gerichts. Über die Verweisung auf § 82 wird ein gewisser Gutglaubensschutz für den Leistenden sichergestellt. Infolge der entsprechenden Anwendung müssen die auf das Eröffnungsverfahren zugeschnittenen Begriffe der Norm ("Eröffnung des Insolvenzverfahrens", "Insolvenzmasse") wie bei § 81 auf die Besonderheiten des Eröffnungsverfahrens angepasst werden (s. o. Rn. 6 ff.). Bei einer Leistung auf ein im Grundbuch eingetragenes Recht trifft § 893 BGB eine Sonderregelung. Danach wird der Leistende frei, wenn er die Verfügungsbeschränkung nicht kennt und diese nicht im Grundbuch eingetragen ist.
Rn 23
Geschützt wird der gutgläubig leistende Drittschuldner, also dessen gutgläubige Unkenntnis von den verhängten Verfügungsbeschränkungen. Diese verliert er erst, wenn er positive Kenntnis von der Verfügungsbeschränkung erlangt, eine grob fahrlässige Unkenntnis der Anordnung der Verfügungsbeschränkung oder eine positive Kenntnis vom Eintritt der Zahlungseinstellung genügen nicht. Den eigentlichen Schutzbereich des § 82 bildet das Vertrauen des Leistenden auf die Empfangszuständigkeit des Schuldners. Die Norm findet hingegen keine Anwendung, wenn Empfänger der Leistung ein Dritter ist und dessen Empfangszuständigkeit fehlt, weil bspw. die Abtretung der Forderung oder die Erteilung einer Einziehungsermächtigung durch den Schuldner wegen der Verfügungsbeschränkung unwirksam war.
Rn 24
Eine positive Kenntnis wird sich dann leicht nachweisen lassen, wenn der Anordnungsbeschluss an den Drittschuldner gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 zugestellt worden ist (vgl. hierzu die Kommentierung bei § 23 Rn. 11 ff.). Mit Rücksicht auf die Schwierigkeit des prozessualen Nachweises subjektiver Umstände enthält § 82 Satz 2 eine Beweislastregelung. Danach wird an den Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntmachung der verhängten Sicherungsmaßnahmen angeknüpft. Liegt der Leistungszeitpunkt vor dieser öffentlichen Bekanntmachung, so wird zugunsten des Leistenden vermutet, dass er die Verfügungsbeschränkungen nicht kannte. In diesem Fall hat also der vorläufige Insolvenzverwalter bzw. der spätere Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Verfahrens vollen Beweis für die Kenntnis des Leistenden zu erbringen. Liegt dagegen der Leistungszeitpunkt nach der öffentlichen Bekanntmachung, trägt der Leistende die Beweislast für seine Unkenntnis von der Verfügungsbeschränkung. Abzustellen ist insoweit auf den Wirksamkeitszeitpunkt des § 9 Abs. 1 Satz 3. Auch an dieser Stelle zeigt sich die erhebliche Bedeutung, die der Veröffentlichung von Verfügungsbeschränkungen durch das Gericht auch über die zwingende Regelung des § 23 Abs. 1 hinaus zukommt.
Der Beweis einer negativen Tatsache ist für den Leistenden mit Schwierigkeiten verbunden. Zumal bei Handelsgesellschaften die Kenntnis eines Organs ausreicht und entsprechende Vorsorge getroffen werden muss, damit dieses Informationen über Verfügungsbeschränkungen zur Kenntnis nehmen kann. Allerdings besteht keine anlasslose Obliegenheit von Banken und Versicherungen vor der Bewirkung von Zahlungen eine Abfrage der Internetveröffentlichungen durchzuführen.
Rn 25
Im Eröffnungsverfahren ohne Anordnung einer vorläufigen Insolvenzverwaltung verliert der Schuldner im Rahmen der gerichtlich angeordneten Beschränkungen gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 seine Verfügungsbefugnis, jedoch fehlt es an einer Person, die diese Verfügungsbefugnisse anstelle des Schuldners wahrnimmt. Kennt also bei dieser Konstellation der Leistende die gerichtlich angeordneten Verfügungsbeschränkungen, kann bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich überhaupt nicht mehr schuldbefreiend geleistet werden. Der Leistende wird also in diesem Fall gut beraten sein, seine Leistung bis zur Entscheidung über den Insolvenzantrag zurückzustellen. Verzugsfolgen braucht er hierbei nicht zu befürchten, da zum einen der Schuldner hinsichtlich der betreffenden Forderung nicht mehr verfügungsbefugt, also nicht zum Einzug berechtigt ist, und zum anderen dem Verpflichteten eine Leistung an den Schuldner gar nicht mehr möglich ist. Leistet der Verpflichtete in diesen Fällen dennoch an den Schuldner, kommt seine Befreiung insbesondere im Falle der späteren Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nur in Betracht, wenn die Leistung in das zu sichernde Vermögen des Schuldners gelangt und im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung auch noch dort vorhanden ist, da der Leis...