Rn 59
Als weiteres Kriterium zum zwingenden Ausschluss von dem Verbraucherinsolvenzverfahren nennt § 304 Abs. 1 Satz 2 das Bestehen von "Forderungen aus Arbeitsverhältnissen". Der Gesetzesbegründung lässt sich die Erwartung entnehmen, dass bei einem typischen Verbraucher solche Verbindlichkeiten nicht existieren.
Rn 60
Der Begriff der "Forderungen aus Arbeitsverhältnissen" ist nach dem Willen des Gesetzgebers weit zu verstehen, sodass nicht nur Forderungen eines Arbeitnehmers selbst hierzu zählen, sondern beispielsweise auch gemäß § 169 SGB III auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangene Ansprüche und auch Verbindlichkeiten gegenüber Steuergläubigern und Sozialversicherungsträgern, soweit sie einem Arbeitsverhältnis entspringen und nicht lediglich den Schuldner selbst betreffen. Eine vom Bundesrat angeregte weitere Klarstellung wurde im Gesetzgebungsverfahren vom Rechtsausschuss abgelehnt, da sich dies bereits aus der Begründung zum Regierungsentwurf ergebe. Eine Beschränkung auf rein privatrechtliche Rechtsbeziehungen lässt sich vor dem Hintergrund der Gesetzgebungsgeschichte nicht rechtfertigen.
Rn 61
Zu den Forderungen aus Arbeitsverhältnissen gehören nach diesem weiten Verständnis u. a.:
- Die Forderungen der Arbeitnehmer bezüglich aller mit ihrer Arbeitstätigkeit verbundenen und vereinbarten Ansprüche, wie Lohn, Urlaubsgeld, Prämie etc. Umfasst sind auch Forderungen aus einem faktischen Arbeitsverhältnis, bei dem ein Arbeitnehmer ohne (oder ohne wirksamen) Arbeitsvertrag Arbeit leistet.
- Steuerforderungen soweit sie durch ein Arbeitsverhältnis veranlasst sind (z. B. wegen rückständiger Lohnsteuern).
- Forderungen von Sozialversicherungsträgern, soweit sie einem Arbeitsverhältnis entspringen und nicht lediglich den Schuldner selbst betreffen. Dies gilt auch für deliktische Forderungen gegen ehemalige Geschäftsleiter oder Gesellschafter, wegen einer Verletzung der Pflicht zur Abführung von Arbeitnehmeranteilen.
- Gemäß § 169 i. V. m. § 165 Abs. 2 Satz 3 SGB III auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangene Ansprüche.
- Beitragsforderungen von Berufsgenossenschaften, soweit diese auf der Beschäftigung von Arbeitnehmern beruhen.
Rn 62
Verbindlichkeiten, die zwar anlässlich der Arbeitgebertätigkeit des Schuldners entstanden sind, aber keinen Arbeitnehmer, sondern den Schuldner selbst betreffen, sind nicht als Forderungen aus Arbeitsverhältnissen im Sinne des § 304 Abs. 1 Satz 2 anzusehen. Im Zweifel muss sich das Gericht Unterlagen (z. B. den Beitragsbescheid) vorlegen lassen oder eine amtliche Auskunft (z. B. bei der Berufsgenossenschaft) einholen, um den Ursprung der Verbindlichkeiten zu prüfen. Keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen sind daher:
- Beiträge zur Berufsgenossenschaft, die den Schuldner selbst betreffen, bspw. der Beitrag eines selbstständigen Handwerkers für sich selbst.
- die Beitragsforderungen der SOKA-Bau für das Wintergeld.
- der Anspruch auf Rückzahlung eines Eingliederungszuschusses für einen Schwerbehinderten, da dieser sich als Subvention des Arbeitsplatzes durch die öffentliche Hand darstellt und von der Lohnzahlung unabhängig ist.