Rn 31
Um den Gläubigern bereits im Vorfeld einer Schuldenbereinigung, vor allem in Zusammenhang mit dem außergerichtlichen Einigungsversuch, den Anreiz für Vollstreckungsmaßnahmen zu nehmen, sollte eine so erlangte Sicherheit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entwertet werden. Die sog. Rückschlagsperre des §§ 88, nach der solche Sicherungen unwirksam sind, die einzelne Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung innerhalb eines Monats vor Eröffnungsantragstellung erlangt hatten, wurde durch den per 1.12.2001 in Kraft getretenem Abs. 1 Satz 3 für den Fall der Eröffnung des Verfahrens aufgrund eines Eigenantrages des Schuldners auf drei Monate verlängert und damit den Bedürfnissen des Verbraucherinsolvenzverfahrens angepasst. Die Rückschlagsperre wird durch jeden Antrag ausgelöst, auch wenn dieser zunächst unzulässig oder mangelhaft war, weil er beim Schuldnerantrag den gesetzlichen Anforderungen des § 305 nicht entsprochen hatte (z.B. Fehlen einer Bescheinigung über das Scheitern eines außergerichtlichen Einigungsversuches), der Mangel aber nachgeholt wurde.
Rn 32
Soweit die Regelung des § 88 typischerweise inkongruente Sicherheiten erfasst, die nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 ohnehin anfechtbar sind, schafft sie im Regelinsolvenzverfahren im Wesentlichen eine Verfahrenserleichterung für den Insolvenzverwalter, dem in den genannten Fällen langwierige und kostspielige Anfechtungsrechtstreitigkeiten erspart bleiben.
Rn 33
Diesem Gesichtspunkt kommt im vereinfachten Verfahren besondere Bedeutung zu, da der Treuhänder grundsätzlich zur Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen nach den §§ 129 bis 147 gemäß § 313 Abs. 2 Satz 1 nicht berechtigt ist, sondern hierzu gemäß § 313 Abs. 3 i. V. m. § 173 Abs. 2 erst ermächtigt wird, wenn ein verwertungsberechtigter Gläubiger auch nach Fristsetzung und Fristablauf nicht tätig wird.
Rn 34
Mit der Erstreckung der Rückschlagsperre des § 88 auf die Anfechtungszeiträume des §§ 131 Abs. 1 Nr. 2, 3 (bei inkongruenter Deckung), also den Zeitraum von drei Monaten vor Eröffnungsantragstellung durch den Schuldner, hat der Treuhänder, ohne mit der Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen durch die Gläubigerversammlung beauftragt worden zu sein, damit auch die Möglichkeit, die betroffenen Vermögensgegenstände zur Insolvenzmasse zu ziehen.
Die Regelung dient zusätzlich dem Schutz des außergerichtlichen Einigungsversuches des Schuldners mit seinen Gläubigern gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1, aber auch der Gleichbehandlung der Gläubiger.
Rn 35
Flankiert durch die Einführung der Fiktion des Scheiterns des außergerichtlichen Einigungsversuches gemäß § 305a bei Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durch Gläubiger nach Aufnahme der Verhandlungen über den außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan, werden damit endgültige Zugriffe auf Vermögensgegenstände des Schuldners verhindert, von deren Existenz der Gläubiger ggf. erst durch Übersendung des Plans im Rahmen des Einigungsversuchs Kenntnis erlangt hat.
Rn 36
Obwohl die Rückschlagsperre sich gemäß Abs. 1 Satz 3 auf drei Monate erstreckt, muss der Schuldner regelmäßig bereits kurzfristig nach Einleitung einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme, gestützt auf die Fiktion des Scheiterns des Einigungsversuches gemäß § 305a, einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen, um noch die Wirkungen des § 88 und damit den Schutz des außergerichtlichen Einigungsversuches herbeizuführen. Gleichzeitig muss er beantragen, dass das Gericht gemäß § 306 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 21 Abs. 2 Nr. 3 Maßnahmen der Zwangsvollstreckung untersagt bzw. einstweilen einstellt, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind. Gelingt es nämlich dem Gläubiger, durch zügigen Abschluss der Zwangsvollstreckung (etwa im Falle der Ausbringung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses) bereits eine Befriedigung seiner Forderung zu erlangen, greift § 88 nicht, da dieser nur die eingetretene Zwangssicherung, nicht aber die Befriedigung des Gläubigers erfasst. Es bliebe dann wiederum nur die Möglichkeit der Anfechtung gemäߧ 131, deren Durchführung jedoch wegen § 313 Abs. 2 im Ermessen jedes einzelnen Gläubigers bzw. der Gläubigerversammlung steht.
Rn 36a
Für die Berechnung der Monatsfrist des § 88 und auch der Dreimonatsfrist des § 312 Abs. 1 gilt die Berechnung nach § 139. Also ist auch bei einem Eigenantrag des Schuldners und einem Fremdantrag eines Gläubigers, also bei mehreren Eröffnungsanträgen der erste zulässige und begründete Eröffnungsantrag maßgeblich, auch wenn das Verfahren auf Grund eines späteren Antrags eröffnet worden ist.