Rn 65
Ein Zahlungsanspruch der Masse gegen Versicherungsunternehmen resultiert regelmäßig aus der Leistungspflicht des Versicherers nach Eintritt eines Schadensfalls (z. B. Abbrennen von Gebäuden, Diebstahl). Um einen Anspruch gegen den Versicherer zu erhalten, muss der Verwalter das bestehende Versicherungsverhältnis jedoch nicht unter Verzicht auf sein Recht nach § 103 übernehmen. Maßgeblich ist lediglich, dass zum Zeitpunkt des Schadensfalles Versicherungsschutz bestand, so dass keine Prämienrückstände vorgelegen haben dürfen. § 35 umfasst neben den Zahlungsansprüchen vor allem auch sämtliche Widerrufs- und Kündigungsrechte. Nicht erfasst sind dagegen Versicherungsansprüche, wenn sie unpfändbare Gegenstände des Schuldners betreffen (§ 17 VVG).
Rn 66
Besonderheiten gelten im Fall der Versicherung für fremde Rechnung gemäß § 46 Satz 1 VVG, wenn der Verwalter über das Vermögen des Versicherten vom Versicherungsnehmer die Herausgabe der Police einer zugunsten des insolventen Schuldners abgeschlossenen Versicherung fordert. Der Versicherungsnehmer kann zunächst die Befriedigung seiner in Bezug auf die versicherte Sache gegen den Versicherten bestehenden Ansprüche verlangen. Diese Ansprüche ergeben sich aus dem zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem bestehenden Innen(Valuta-)verhältnis, welches Auftrag, Geschäftsbesorgung oder Geschäftsführung ohne Auftrag sein kann. Zu ersetzen sind die geleisteten Prämien, Kosten für die Erfüllung einer Obliegenheit und der Anspruch auf Provision für die Besorgung der Versicherung.
Rn 67
Bei der Lebensversicherung ergibt sich die Besonderheit, dass der Versicherungsnehmer eine andere Person als Bezugsberechtigten einsetzen kann. Hierbei sind drei Konstellationen zu unterscheiden: Die Bezugsberechtigung kann widerruflich (Rn. 68) oder unwiderruflich (Rn. 72) sein. Zuletzt kann die Unwiderruflichkeit unter einem Vorbehalt stehen (Rn. 73). Im Übrigen ist bei Lebensversicherungen, die nur auf den Todesfall des Versicherungsnehmers abgeschlossen sind, § 850 b Abs. 1 Nr. 4 ZPO zu beachten.
Rn 68
Bei fehlender oder widerruflicher Bezugsberechtigung kann der Vertrag durch den Verwalter des Versicherungsnehmers beendet werden. Dazu muss der Verwalter den Versicherungsvertrag nicht nach § 168 VVG kündigen. Ausreichend ist, dass er keine Erfüllung des Vertrages nach § 103 Abs. 1 fordert. Zuvor sollte der Verwalter dem Bezugsberechtigten ein Angebot zum Freikauf unterbreiten, um Haftungsrisiken zu vermeiden, auch wenn das widerrufliche Bezugsrecht allenfalls ein rechtliches Nullum ist. Durch die mit der Nichterfüllung verbundene Aufhebung wird ein Rückzahlungsanspruch in Höhe des Rückkaufswerts fällig, § 169 Abs. 1 VVG, der von der Versicherungsgesellschaft an die Masse zu zahlen ist. Der Rückkaufswert fällt auch dann in die Masse, wenn der Insolvenzschuldner die Todesfallansprüche aus der Versicherung sicherungshalber abgetreten hatte, weil der Rückkaufswert von einer Abtretung der Todesfallansprüche nicht erfasst wird. Es wird keine Schenkungssteuer ausgelöst. Daneben kann der Verwalter nach §§ 985, 952 BGB vom Versicherungsnehmer die Herausgabe des Versicherungsscheins verlangen.
Alternativ kann der Verwalter freilich auch die Erfüllung des Versicherungsvertrags nach § 103 Abs. 1 wählen, wenn durch die Fortführung ein höherer Wert realisiert werden kann. In der Praxis erfolgt häufig auch ein Verkauf der Versicherung an hierauf spezialisierte Unternehmen oder den Bezugsberechtigten gem. § 170 VVG.
Rn 69
Ergänzend ist hervorzuheben, dass der Vertrag mit dem Eintritt des Versicherungsfalls automatisch unwiderruflich wird. War das Bezugsrecht allerdings bis zu diesem Zeitpunkt widerruflich, kann der Insolvenzverwalter die Zuwendung mit Hilfe der Schenkungsanfechtung gem. § 134 zur Masse ziehen. Denn Gegenstand der Insolvenzanfechtung sind nicht bloß die im anfechtungsrelevanten Zeitraum gezahlten Prämien, sondern die gesamte Versicherungsleistung. Wird auch der Anfechtungsgegner insolvent, steht dem anfechtenden Verwalter ein Aussonderungsrecht zu. In der Insolvenz des Versicherers gelten die Vorschriften des Aufsichtsrechts.
Rn 70
Diese Grundsätze gelten auch für eine Direktversicherung nach § 1 b Abs. 2 Satz 1 BetrAVG. Bei dieser Versicherungsform werden die zur Prämienzahlung verwendeten Beträge vom Gehalt des begünstigten Arbeitnehmers abgezogen (zur steuerlichen Behandlung siehe § 4 b EStG). Damit liegt ein Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) vor.
Nach der Rechtsprechung fällt der Rückzahlungsanspruch – ohne Rücksicht auf die Gehaltsumwandlung – so lange vollständig in die Masse, wie das Bezugsrecht des Beschäftigten noch widerruflich (§ 159 Abs. 2 VVG) ist. Maßgeblich für die Frage der Widerruflichkeit ist dabei nicht das Innen(Valuta-)verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer; es muss vielmehr Unwiderruflichkeit im Deckungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Versicherer eingetre...