Rn 101
Soweit Rechte dem Schuldner zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung nicht, noch nicht oder nicht vollständig zustehen, gilt Folgendes:
4.1 Teilrechte
Rn 102
Ist der Insolvenzschuldner bezüglich der oben genannten Massebestandteile nur teilweise berechtigt, z. B. Miteigentum, oder gesamthänderisch gebunden, ist auch dieses "beschränkte Recht" Massebestandteil. Bei einem Miteigentumsanteil (§§ 1008 ff. und 741 ff. BGB) des Schuldners kann der Verwalter entweder den Anteil verwerten oder nach § 749 Abs. 1 BGB Aufhebung der Gemeinschaft verlangen.
4.2 Anwartschaftsrecht
Rn 103
Ein beim Insolvenzschuldner begründetes Anwartschaftsrecht, also eine Rechtsposition, deren Erwerb sich bereits derart verfestigt hat, dass der Veräußerer den Erwerb nicht mehr durch einseitige Handlungen verhindern kann, fällt in die Masse. In der Praxis sind als Anwartschaftsrechte des Schuldners vor allem der Eigentumsvorbehalt nach § 449 Abs. 1 BGB und die Vormerkung nach § 883 BGB von Bedeutung.
Rn 104
Das sich in der Insolvenz des Vorbehaltskäufers aus einem (einfachen oder verlängerten bzw. erweiterten) Eigentumsvorbehalt ergebende Anwartschaftsrecht ist als Vorstufe des Vollrechts (Eigentum) zunächst ohne weiteres Teil der Masse. Dem steht jedoch die formale Eigentumsposition des Verkäufers gegenüber, nach der dieser – sofern der Verwalter nach § 103 die Erfüllung des Kaufvertrags ablehnt – im Wege der Aus- bzw. Absonderung gegen den Verwalter vorgehen kann, so dass der Gegenstand bzw. dessen Surrogat vom Verwalter herauszugeben ist. Wählt der Verwalter hingegen die Erfüllung des Kaufvertrags, wird durch das dann fortbestehende Anwartschaftsrecht des Schuldners und Zahlung der ausstehenden Raten durch den Verwalter der Aus- bzw. Absonderungsanspruch abgewendet. Die Zahlungen sind entsprechend den ursprünglichen vertraglichen Vereinbarungen zu leisten, so dass der Verwalter ggf. in Raten zahlen darf.
Rn 105
Rückübertragungsanspruch bei auflösend bedingter Sicherungsübereignung: Ein Anwartschaftsrecht kann sich auch bei einer Sicherungsübereignung ergeben, allerdings nur dann, wenn im Falle der Insolvenz des Sicherungsgebers die Übereignung unter der auflösenden Bedingung der vollständigen Tilgung der gesicherten Forderung vorgenommen wurde. Der Verwalter kann daher eine vom Schuldner gestellte Sicherheit in der Masse halten, indem er die Forderung des Gläubigers voll befriedigt. In der Praxis lehnen die Kreditinstitute jedoch eine solche bedingte Übereignung regelmäßig ab, so dass lediglich ein schuldrechtlicher Rückübertragungsanspruch und kein Anwartschaftsrecht entsteht.
Rn 106
Besteht für einen vom Insolvenzschuldner geplanten Rechtserwerb an einem Grundstück bereits eine Vormerkung (§ 883 BGB), so kann sich auch der Verwalter später auf deren Schutzwirkungen berufen. Damit sind erstens Zwischenverfügungen des Verkäufers an Dritte dem Verwalter gegenüber unwirksam (§ 883 Abs. 2 BGB). Zweitens bestimmt sich der Rang des in die Masse fallenden Rechts gemäß § 883 Abs. 3 BGB nach dem Zeitpunkt der Eintragung der Vormerkung. Drittens kann der Verwalter gutgläubig vom Nichtberechtigten erwerben, wenn nur der Schuldner bis zur Stellung des Antrags auf Eintragung der Vormerkung gutgläubig gewesen ist (§ 878 BGB analog).
4.3 Bedingungen
Rn 107
Aufschiebend bedingte Rechte fallen wegen der Einbeziehung des Neuerwerbs Fall in die Insolvenzmasse.
Rn 108
Im Gegensatz dazu steht dem Gläubiger bei auflösend bedingten Rechten ab Bedingungseintritt ein Aussonderungsrecht zu. Bis dahin gehört das Recht zur Insolvenzmasse.
4.4 Neuerwerb als Teil der Masse
Rn 109
Im Gegensatz zu § 1 KO wird gem. § 35 Abs. 1 Var. 2 auch der Neuerwerb, d. h. dasjenige Vermögen, welches während des laufenden Insolvenzverfahrens vom Insolvenzschuldner erworben wird, zur Insolvenzmasse gerechnet. Dabei kann die Abgrenzung zwischen dem in die Masse fallenden Neuerwerb und dem Erwerb im Anschluss an das Insolvenzverfahren schwierig sein. Dieses Problem entspricht der Trennung von Insolvenzmasse und Neuerwerb im alten Recht, so dass bei einmalig entstehenden Vermögengegenständen entscheidend ist, ob der Rechtsgrund für den Erwerb bereits vor der Beendigung des Verfahrens gelegt wurde und der Vermögenswert deshalb den Gläubigern haftungsrechtlich zugewiesen ist. Abzustellen ist überwiegend auf die wirtschaftliche und nicht auf die rechtliche Zuordnung.
Rn 110
Relevant ist diese Neuerung zum einen insbesondere beim Arbeitseinkommen des natürlichen Insolvenzschuldners. Dieses fällt, soweit es nicht dem Pfändungsschutz der §§ 850 ff. ZPO i. V. m. § 36 Abs. 1 Satz 2 unterliegt (zur Zuständigkeit bei Streit über dessen Höhe siehe Rn. 134 f.), in die Insolvenzmasse. Die Intention der KO, dem Schuldner über den Neuerwerb die Möglichkeit zu schaffen, sich eine neue Existenz aufzubauen, wurde nach der BegrRegE zur InsO ausdrücklich aufgegeben. Die Schaffung einer neuen Existenz soll nunmehr über die Restschuldbef...