Rn 122
Unter dem Begriff der "Freigabe" werden verschiedene Handlungsmöglichkeiten des Verwalters im Umgang mit Gegenständen der Insolvenzmasse zusammengefasst.
Für die Bestimmung der Masse relevant ist vor allem die echte Freigabe, die dazu führt, dass der Insolvenzschuldner die Verfügungsbefugnis über den freigegebenen Gegenstand zurückerhält. Dies erfolgt meist dann, wenn allein der Besitz von Vermögenswerten mit Verbindlichkeiten verbunden ist, die gem. § 55 vorrangig zu bedienen sind, und der Gegenstand selbst im Fall einer erfolgreichen Veräußerung nicht zu einem äquivalenten Massezufluss führt.
Rn 123
Von einer unechten Freigabe ist auszugehen, wenn der Verwalter Gegenstände, an denen Aussonderungsrechte bestehen, an die Aussonderungsberechtigten herausgibt. Insoweit kommt der Verwalter eigentlich nur seinen Pflichten aus § 47 nach, womit gerade keine konstitutive Wirkung verbunden ist.
Rn 124
Die modifizierte Freigabe (siehe Rn. 133) ermöglicht es dem Verwalter, einen Gegenstand zur Verwertung an einen (zumeist absonderungsberechtigten) Gläubiger (§ 170 Abs. 2) oder den Schuldner, z. B. gegen Zahlung eines Geldbetrags, auszuhändigen.
Rn 125
Das Institut der Freigabe soll es dem Insolvenzverwalter ermöglichen, im Interesse der Gläubigergesamtheit Maßnahmen zu ergreifen, um die Masse zu schonen. Ein rechtlich schutzwürdiges Bedürfnis des Insolvenzverwalters, einzelne Vermögensgegenstände freizugeben, besteht immer dann, wenn die Massegegenstände wertlos sind oder Kosten verursachen, die den zu erwartenden Veräußerungserlös wahrscheinlich übersteigen. Den schutzwürdigen Belangen der Beteiligten ist dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass der Insolvenzverwalter diesen gegenüber nach § 60 Abs. 1 haftet, wenn er von der Freigabebefugnis in schuldhafter pflichtwidriger Weise Gebrauch macht. Zur Freigabe ist der Insolvenzverwalter einzelnen Verfahrensbeteiligten gegenüber grundsätzlich nicht verpflichtet. Insbesondere eine Einschränkung seines pflichtgemäßen Ermessens zu Gunsten des Schuldners lässt sich mit dem Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens nicht in Einklang bringen.
5.2.1 Echte Freigabe
Rn 126
Die echte Freigabe erfolgt durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung mit dinglicher Wirkung, die gegenüber dem Schuldner bzw. dessen gesetzlichem Vertreter abzugeben ist. Wie jede Willenserklärung kann auch die Freigabe durch schlüssige Handlung vorgenommen werden. Kümmert sich der Verwalter nicht um einen Massegegenstand, weil er davon ausgeht, dieser gehört einem Dritten, reicht dies jedoch für eine konkludente Freigabe nicht aus. Ebenso wenig ist ein unverbindliches in Aussicht Stellen eines Verzichts schon als Freigabe zu werten. Beruft sich der Verwalter auf die Rechtsfolgen der Freigabe, trägt er die Beweislast für das Vorliegen und den Zugang der Erklärung.
Rn 127
Die echte Freigabe, die vom Gesetz in § 32 Abs. 3 Satz 1 und § 35 Abs. 2 vorausgesetzt wird, hat der Insolvenzverwalter nach pflichtgemäßem Ermessen durchzuführen, wobei er sich in schwierigen Fällen die Zustimmung der Gläubiger sichern sollte, um eine Haftung nach § 60 zu vermeiden. Umgekehrt kann der Verwalter auch zur Freigabe verpflichtet sein, wenn der Masse ansonsten nutzlose Aufwendungen zur Last fallen. Allerdings besteht auf eine Freigabe kein Anspruch eines Gläubigers oder des Insolvenzschuldners. Eine Freigabe kommt vor allem für unverwertbare, mit hohem Prozessrisiko behaftete oder über ihren Wert hinaus belastete Gegenstände in Frage.
Rn 128
Verstößt die Freigabe offensichtlich gegen den Insolvenzzweck der gleichmäßigen und größtmöglichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger, ist sie unwirksam. Die Erteilung einer Freigabe ist aus Gründen der Rechtssicherheit bedingungsfeindlich und weder widerruflich noch wegen Irrtums anfechtbar, wenn der Verwalter die freigegebene Sache für nicht zur Masse gehörig, überbelastet oder unverwertbar hielt. Eine Insolvenzanfechtung scheidet aus, wenn die Freigabe durch einen (u. U. sogar einen anderen) vorläufigen Verwalter mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis erfolgt ist. Im Übrigen bleibt eine Irrtumsanfechtung nach § 119 BGB möglich (z. B. Verwalter verwechselt die Sache – Erklärungsirrtum nach § 119 Abs. 1, 2. Fall BGB). Ebenso nicht ausgeschlossen ist die Anfechtung einer Freigabeerklärung nach § 123 BGB.
Rn 129
Rechtsfolge der Freigabe ist, dass die vom Verwalter freigegebenen Gegenstände mit Wirkung ex nunc nicht mehr zur Insolvenzmasse gehören. Es bleibt beim Eigentum des Schuldners, der die volle Verfügungsbefugnis zurückerlangt. Der Gegenstand wi...