Rn 58
Der vorläufige Insolvenzverwalter, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners nicht übergegangen ist nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Var. 1 i. V. m. § 22 Abs. 1 Satz 1 (schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter) kann aus sich heraus grundsätzlich keine Masseverbindlichkeiten begründen. Das ergibt sich sowohl aus seiner Rechtsstellung als auch aus Wortlaut, Systematik und Teleologie des Abs. 2. Daher ist Abs. 2 nicht analog auf den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter anzuwenden.
4.1 Begründung durch Anordnungen des Insolvenzgerichts
Rn 59
Der schwache vorläufige Insolvenzverwalter kann nicht selbst Masseverbindlichkeiten begründen; allerdings kann er anregen, dass das Insolvenzgericht entsprechende Anordnungen erlässt (§ 21 Abs. 1 Satz 1) und Insolvenzforderungen im Wege der Einzelermächtigung in den Rang von Masseverbindlichkeiten erhebt.
Rn 60
Diese Einzelermächtigungen erfolgen in der Praxis häufig im Rahmen der Betriebsfortführung zur Absicherung von Dienstleistern im Eröffnungsverfahren, da Dienstleister nicht über Realsicherheiten wie verlängerte und erweiterte Eigentumsvorbehalte verfügen. Ihre Forderungen für Leistungen aus dem Insolvenzeröffnungsverfahren sind daher ohne gerichtliche Aufwertung reine Insolvenzforderungen nach § 38. Ohne zusätzliche Sicherung würde sich kein Vertragspartner bereit erklären, Leistungen im Eröffnungsverfahren zu erbringen und die Betriebsfortführung wäre erheblich beeinträchtigt.
Rn 61
Bei Einzelermächtigungen ist zu berücksichtigen, dass die nachträgliche Aufwertung von bereits begründeten Insolvenzforderungen zu Masseverbindlichkeiten im Wege der Einzelermächtigung in der Regel eine inkongruente Deckung darstellt und daher anfechtbar ist nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 und konsequenterweise vom Insolvenzverwalter angefochten werden müsste.
Rn 62
Die Absicherung der Betriebsfortführungsverbindlichkeiten kann auch im Wege des sog. Erstarkungsmodells erfolgen. Dabei wird die zunächst schwache vorläufige Insolvenzverwaltung durch gerichtliche Anordnung zur starken vorläufigen Insolvenzverwaltung "erstarkt". Dieser Weg ist sinnvoll, wenn eine Einzelermächtigung an der Vielzahl der Gläubiger scheitert. In der Praxis verbreitet ist die Lösung über die Begründung von Absonderungsrechten an einem Treuhandkonto, auf dem die Umsätze aus der Betriebsfortführung eingehen, oder einer sog. Doppeltreuhand. In jüngster Zeit haben jedoch namhafte Vertreter der Rechtsprechung angedeutet, dass sie das Treuhandkontenmodell für unwirksam halten.
4.2 Analoge Anwendung von Abs. 2 auf den "halbstarken" Verwalter
Rn 63
Grundsätzlich gibt es keine analoge Anwendung von Abs. 2 auf den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter. Es sind jedoch Fälle denkbar, in denen das Gericht kraft Einzelermächtigung den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter mit wesentlichen Verwaltungs- und Verfügungskompetenzen ausstattet (sog. halbstarker Verwalter). In solchen Fällen kann sich die Einzelermächtigung als Umgehung des Abs. 2 darstellen mit der Folge, dass insbesondere die gesetzlichen Verpflichtungen aus der Verwaltun...