Rn 8
Die gesetzliche Regelung fordert eine schuldhafte Pflichtverletzung. Zur Anwendung kommen also die Grundsätze des § 276 BGB, d.h., der Verwalter hat für Vorsatz und Fahrlässigkeit einzustehen. Nach § 276 Abs. 2 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Zur Ausfüllung dieses allgemeinen Fahrlässigkeitsbegriffs muss aber für den insolvenzrechtlichen Haftungstatbestand auf den in § 60 Abs. 1 Satz 2 geregelten Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters zurückgegriffen werden. Dies bedeutet, dass der gegenüber dem Verwalter erhobene Fahrlässigkeitsvorwurf unter den oben bereits dargestellten ungewöhnlich ungünstigen Tätigkeitsbedingungen stets einer besonderen Prüfung bedarf. Insbesondere wird man bei der insolvenzbezogenen Ausfüllung des Fahrlässigkeitsbegriffs das Verfahrensstadium und den zu diesem Zeitpunkt möglichen Kenntnisstand des Verwalters berücksichtigen müssen. Es muss also der jeweils anzuwendende Verschuldensbegriff anhand der konkreten Sorgfaltsanforderungen nach den Umständen des Einzelfalls ermittelt werden. Dabei trägt die Darlegungslast grundsätzlich auch hinsichtlich des Verschuldens der jeweilige Anspruchsteller. Dies kann im Einzelfall sehr problematisch werden, da es auch einem Verfahrensbeteiligten kaum möglich sein dürfte darzulegen, welche Kenntnisse sich der Verwalter im Verfahrensverlauf verschafft bzw. ihm von dem Schuldner bzw. den Unternehmensangestellten vermittelt wurden. Es bleibt aber zu hoffen, dass sich die mit dieser Problematik beschäftigte Rechtsprechung der Notwendigkeit der gebotenen Einzelfallbetrachtung bewusst ist und die Verschuldensanforderungen nicht übertrieben niedrig angesetzt werden.
Rn 9
Auch nach der neuen gesetzlichen Regelung bleibt es dabei, dass eine Billigung des schuldhaft schadensstiftenden Verhaltens durch Gläubigerversammlung oder Gläubigerausschuss das Verschulden des Verwalters nicht entfallen lässt. Maßgeblich sind auch hier zunächst die Umstände des Einzelfalls. Sind Gläubigerversammlung oder Gläubigerausschuss über die Risiken vollständig unterrichtet worden, kann deren Zustimmung ein Indiz dafür sein, dass der Verwalter seinen Sorgfaltspflichten genügt hat. Bedeutsam dürfte dies meist bei Unternehmensfortführungen werden, wenn der Verwalter die damit verbundenen Risiken eindeutig und unmissverständlich aufgezeigt hat, die Gläubigerversammlung gleichwohl eine Fortführung trotz drohender Masseunzulänglichkeit beschließt. In einem solchen Fall kann ein Verschulden des Insolvenzverwalters ganz entfallen, vorausgesetzt, er unternimmt alles ihm Zumutbare, um nach Feststellung der Aussichtslosigkeit einer Fortführung Gläubigerversammlung und Gläubigerausschuss von der Notwendigkeit einer Stilllegung zu überzeugen. Gleichwohl wird er aber auch dann gegenüber einem Neumassegläubiger verpflichtet sein, vor Vertragsabschluss und Eingehung der Masseverbindlichkeit auf seine prekäre Situation hinzuweisen. Ansonsten entgeht er zwar der Haftung nach dieser Vorschrift, bleibt aber nach § 61 verantwortlich.
Anwendbar sind deshalb auch die Grundsätze zur Berücksichtigung eines mitwirkenden Verschuldens des Geschädigten gemäß § 254 BGB. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die ordnungsgemäß angemeldete Forderung eines Insolvenzgläubigers nicht in das Verteilungsverzeichnis nach § 188 aufgenommen und der Gläubiger daher bei der Schlussverteilung nach § 196 übergangen wird. Wegen der Möglichkeit, nach § 194, § 197 Abs. 3 Einwendungen gegen das Verteilungsverzeichnis zu erheben, dürfte ein hälftiges Mitverschulden des Gläubigers an dem ihm entstandenen Vermögensnachteil anzunehmen sein. Schließlich sind bei der Bemessung des Umfangs des vom Verwalter zu leistenden Schadensersatzes ggf. auch die Grundsätze der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen.