Prof. Dr. Eberhard von Olshausen
Rn 13
Wird der Leistende bei einer Leistung an den Insolvenzschuldner wegen Kenntnis von der Verfahrenseröffnung nicht nach § 82 befreit und gelangt das Geleistete auch nicht tatsächlich in die Insolvenzmasse (zu diesem Fall s.o. bei Rn. 2), kann der Insolvenzverwalter (nochmalige) Leistung zur Insolvenzmasse verlangen. Diesem Verlangen soll aber nach ganz überwiegender Meinung der Schuldner den Einwand unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) jedenfalls dann entgegensetzen können, wenn es dem Verwalter unschwer möglich ist, die zu Unrecht vom Insolvenzschuldner angenommene Leistung zur Insolvenzmasse zu ziehen. Eine solche Beschränkung des Rechts eines Gläubigers gegenüber seinem Schuldner, dessen Tilgungsversuch weder zu einer Befriedigung des Gläubigers noch zu einer Befreiung des Schuldners geführt hat, ist an sich ungewöhnlich. Hat etwa ein Schuldner statt an seinen Gläubiger ohne Befreiungswirkung irrtümlich an einen Nichtgläubiger geleistet, wird von niemandem an den wahren Gläubiger das Ansinnen gestellt, er müsse vor Geltendmachung seiner fortbestehenden Forderung gegen seinen Schuldner vorrangig um die Einziehung des Geleisteten beim nicht berechtigten Empfänger bemüht sein, indem er die Leistung an diesen genehmigt (§§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 2 BGB) und den Anspruch aus § 816 Abs. 2 BGB durchzusetzen versucht. Dass dies bei einer gegenüber der Masse nicht befreienden Leistung an den Insolvenzschuldner überwiegend anders gesehen wird, scheint jedenfalls seit Geltung der InsO durch die für den Leistenden nunmehr (scheinbar) besonders missliche insolvenzrechtliche Situation erklärlich zu sein: Dessen durch die nicht befreiende Leistung erworbener Bereicherungsanspruch gegen den Insolvenzschuldner ist eine "Neuforderung" (vgl. § 38), für die also nur das insolvenzfreie Vermögen des Insolvenzschuldners haftet. Zu diesem gehört aber jetzt der Neuerwerb des Insolvenzschuldners nicht mehr (§ 35 Abs. 1 Fall 2). Auch der ohne Befreiungswirkung an den Insolvenzschuldner geleistete Gegenstand fällt rechtlich in die Insolvenzmasse. Auf ihn kann also nur der Verwalter Zugriff nehmen (§ 148 Abs. 1). Bevor dieser Zugriff gelungen und damit das Geleistete auch tatsächlich in die Masse gelangt ist, hat die Leistung aber keine Befreiungswirkung gegenüber der Masse (vgl. den Gedanken des § 8 Abs. 1 KO und dazu oben bei Rn. 2). Eine nochmalige Leistung, diesmal in die Insolvenzmasse, muss der Schuldner aber nur Zug um Zug gegen "Herausgabe" der rechtlich bereits in die Masse gefallenen Position, also z.B. gegen Abtretung des Anspruchs aus § 148 Abs. 1, erbringen (§ 273 Abs. 1 BGB). Denn um diese Position wäre die Masse in sonstiger Weise auf Kosten des Schuldners ungerechtfertigt bereichert (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB, § 55 Abs. 1 Nr. 3), wenn dieser jetzt in die Insolvenzmasse leistet, und für ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB genügt es, dass der Gegenanspruch mit der Erbringung der geschuldeten Leistung entsteht. Da sich der Leistende somit bei Inanspruchnahme durch den Verwalter den Zugriff auf den geleisteten Gegenstand verschaffen kann, wird man nur ausnahmsweise eine Obliegenheit des Verwalters zur vorrangigen Inanspruchnahme des Insolvenzschuldners bejahen können, etwa dann, wenn er wegen seiner besonderen Nähe zu diesem eine offensichtlich größere Chance zur raschen Verwirklichung des Anspruchs hat. Die Führung eines Prozesses gegen diesen ist ihm nicht zuzumuten. In jedem Fall trägt der Leistende das Einziehungsrisiko.
Rn 14
Wendet ein Schuldner des Insolvenzschuldners auf dessen Anweisung den geschuldeten Gegenstand oder Betrag einem Gläubiger des Insolvenzschuldners zu, ohne nach § 82 von seiner Verbindlichkeit gegenüber dem Insolvenzschuldner befreit zu werden, so erlangt der Zuwendende gegen den Empfänger einen Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB (Kondiktion in sonstiger Weise). Ganz anders sehen dies Häsemeyer und Windel. Nach ihnen ist der Zuwendungsempfänger/Insolvenzgläubiger auch dann zur Herausgabe des Erlangten an die Masse verpflichtet, wenn der Angewiesene gegenüber der Masse weder nach § 82 noch durch Genehmigung des Verwalters von seiner Verbindlichkeit befreit wird. Der Anspruch gegen den empfangenden Insolvenzgläubiger soll also nicht dem zuwendenden Schuldner, der das Vermögensopfer ohne Schuldbefreiung erbracht hat, sondern der "Masse" neben dem ihr verbliebenen Anspruch gegen den Schuldner zustehen. Dem ist nicht zu folgen. Der Anspruch der "Masse" gegen den empfangenden Insolvenzgläubiger soll sich aus "den Grundsätzen der Ausgleichshaftung der Insolvenzgläubiger untereinander" bzw. aus dem für sie geltenden "Gleichbehandlungsgrundsatz" ergeben. Eine solche Ausgleichshaftung betrifft aber nur Fälle, in denen ein Insolvenzgläubiger aus der Masse mehr erhalten hat, als ihm nach der Insolvenzquote zustand. Auch die Rüge, die von der h.M. vertretene Differenzierung nach der Gut- oder Bösgläubigkeit des Leistenden übertrage unzu...