Dr. Jürgen Blersch, Prof. Dr. Eberhard von Olshausen
Rn 10
Trotz der in dieser Vorschrift enthaltenen und mit § 93 ZPO insoweit identischen Formulierung verfolgen beide Vorschriften völlig unterschiedliche Zielrichtungen. Gemeinsam ist ihnen nur der technische Begriff des sofortigen Anerkenntnisses. Natürlich sind die unterschiedlichen zeitlichen Ausgangspunkte, an die der Begriff "sofort" in der einen und in der anderen Vorschrift anknüpft (Prozessbeginn bei § 93 ZPO, Insolvenzeröffnung bzw. Aufnahme des Rechtsstreits irgendwann während des Prozesses bei § 86 Abs. 2), zu berücksichtigen. So wird ein erst im Berufungsrechtszug erklärtes Anerkenntnis eines schon in 1. Instanz rechtshängigen Anspruchs niemals ein sofortiges i.S.d. § 93 ZPO sein. Wohl aber kann es ein sofortiges i.S.d. § 86 Abs. 2 sein, dann nämlich, wenn das Insolvenzverfahren erst während des Berufungsverfahrens eröffnet wurde und der Verwalter nunmehr ohne Zögern anerkennt.
Nach Anfügung des § 307 Satz 2 ZPO durch das 1. Justizmodernisierungsgesetzt vom 24.8.2004 kann ein Anerkenntnisurteil in jedem Fall, also nicht nur – wie vorher – im schriftlichen Vorverfahren nach einer Aufforderung gemäß § 276 Abs. 1 Satz 1 ZPO (so § 307 Abs. 2 ZPO a.F.), ohne mündliche Verhandlung ergehen. Diese Änderung wirkt sich auch bei der Beantwortung der Frage aus, ob ein Anerkenntnis als sofort erklärt anzusehen ist. Einerseits dürfte jetzt ein erst in der mündlichen Verhandlung erklärtes Anerkenntnis in der Regel auch dann nicht mehr "sofortig" sein, wenn das Gericht kein schriftliches Vorverfahren veranlasst, sondern einen "frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung" bestimmt hat (§ 272 Abs. 2 Fall 1 ZPO). Andererseits sollte man bei Anordnung eines schriftlichen Vorverfahrens (§ 272 Abs. 2 Fall 2 ZPO) es nicht mehr zur Voraussetzung für ein "sofortiges" Anerkenntnis erklären, dass innerhalb der Zwei-Wochen-Frist für die Anzeige der Verteidigungsabsicht (§ 276 Abs. 1 Satz 1 ZPO) anerkannt wird. Vielmehr sollte dem Beklagten unabhängig von der seitens des Gerichts gewählten Vorgehensweise (früher erster Termin oder schriftliches Vorverfahren) eine angemessene Prüfungsfrist (von etwa 4 Wochen) zugebilligt werden. Dies entspricht im schriftlichen Vorverfahren der Summe der Fristen aus § 276 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO; ein innerhalb der Klageerwiderungsfrist des § 276 Abs. 1 Satz 2 ZPO erklärtes Anerkenntnis ist also noch als sofortiges Anerkenntnis anzusehen. Unschädlich für die Sofortigkeit eines Anerkenntnisses ist die Erhebung begründeter Prozessrügen, etwa der Rüge der Unzuständigkeit des Gerichts.
Rn 11
§ 86 Abs. 2 regelt nicht, welche Prozesspartei die Prozesskosten trägt (dies richtet sich auch nach Aufnahme des Rechtsstreits im Insolvenzverfahren nach §§ 91 ff. ZPO), sondern sie will bestimmen, wie ein etwaiger Kostenerstattungsanspruch des Prozessgegners bei sofortigem Anerkenntnis des Verwalters insolvenzrechtlich zu qualifizieren ist: als Insolvenzforderung, nicht als Masseverbindlichkeit. Die Vorschrift ist vor dem Hintergrund der unter der KO nahezu einhelligen Ansicht zu verstehen, wonach eine Kostentragungspflicht des Insolvenzverwalters in einem von ihm nach Verfahrenseröffnung fortgeführten Prozess in vollem Umfang, also einschließlich der vor der Insolvenzeröffnung angefallenen Kosten, eine Masseverbindlichkeit darstellt. Die Norm verliert unverkennbar erheblich an praktischer Bedeutung, wenn man der hier (vgl. § 85 Rn. 9) vertretenen Ansicht folgt, dass vor der Insolvenzeröffnung angefallene Kosten stets nur eine Insolvenzforderung begründen können. Dies sollte aber gegenüber dieser Ansicht nicht irritieren: Der Gesetzgeber, der eine bestimmte Ansicht zugrunde legt, macht sie damit noch nicht zum Inhalt seiner Norm.
Ein sofortiges Anerkenntnis nach § 86 Abs. 2 führt nicht automatisch dazu, dass dem Prozessgegner die Prozesskosten zur Last fallen. Liegen dagegen bei einem sofortigen Anerkenntnis des Verwalters nach Abs. 2 gleichzeitig die Voraussetzungen des § 93 ZPO vor, d.h. hat der Schuldner zur Erhebung der Klage vor Verfahrenseröffnung keine Veranlassung gegeben und wäre ein von ihm jetzt abgegebenes Anerkenntnis noch als sofortiges Anerkenntnis i.S. des § 93 ZPO zu werten, so bewirkt dies, dass dem Prozessgegner schon gar kein Kostenerstattungsanspruch zusteht (§ 93 ZPO); auf die in § 86 Abs. 2 angeordnete Rechtsfolge kommt es dann nicht mehr an. In kostenrechtlicher Hinsicht sind also drei Fälle denkbar:
Rn 12
- Der Insolvenzverwalter wird aufgrund streitiger Verhandlung oder eines nicht sofortigen Anerkenntnisses verurteilt. Die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens angefallenen Prozesskosten begründen eine Insolvenzforderung, die danach angefallenen Prozesskosten begründen eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 (vgl. § 85 Rn. 9).
Rn 13