Dr. Jürgen Blersch, Prof. Dr. Eberhard von Olshausen
Rn 9
Ist ein Gläubigergesamtschaden nach Verfahrenseröffnung durch eine masseschädigende Handlung des Insolvenzverwalters entstanden, so ist dieser nach § 60 zum Ersatz verpflichtet. Auch dieser Anspruch kann – wie schon nach bisherigem Recht – nicht vom einzelnen geschädigten Insolvenzgläubiger, sondern nur einheitlich im Rahmen des Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden. § 92 Satz 2 sieht für diesen Fall vor, dass diese Ansprüche von einem neu bestellten Insolvenzverwalter verfolgt werden. Reicht aber der den Gesamtschaden verursachende Pflichtenverstoß nicht für eine Entlassung nach § 59 aus, so ist vom Gericht ggf. auf Veranlassung der Verfahrensbeteiligten ein Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen, der ebenfalls als neuer Insolvenzverwalter i.S.d. § 92 Satz 2 anzusehen und zur Prüfung und Geltendmachung der Schadensersatzansprüche berufen ist. Das Recht, die Einsetzung eines Sonderverwalters zwecks Prüfung etwaiger Schadensersatzansprüche gegen den Insolvenzverwalter zu beantragen, steht jedem Gläubiger zu, nachrangigen Insolvenzgläubigern (§ 39) aber nur, wenn sie vom Insolvenzgericht nach § 174 Abs. 3 zur Anmeldung ihrer Forderungen aufgefordert worden sind. Nicht erforderlich für die Einsetzung eines solchen Verwalters ist, dass das Gericht das Bestehen von Ersatzansprüchen für wahrscheinlich hält; diese Prüfung soll ja dem Sonderverwalter überlassen werden. Gegen die Ablehnung des Antrags auf Einsetzung eines Sonderverwalters steht dem Verwalter, dem Gläubigerausschuss oder, wenn die Gläubigerversammlung den Antrag gestellt hat, jedem Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde (§ 59 Abs. 2 Satz 2 analog), dem Insolvenzschuldner aber nur die sofortige Erinnerung (§ 6 Abs. 1 InsO i.V.m. § 11 Abs. 2 RPflG) zu. Eine sofortige Beschwerde des Insolvenzverwalters gegen die Einsetzung eines Sonderverwalters ist nach § 6 Abs. 1 nicht statthaft; eine analoge Anwendung des § 59 Abs. 2 Satz 1 kommt nicht in Betracht (Prüfung von Ersatzansprüchen gegen den Verwalter ist keine [Teil-]Entlassung des Verwalters).
Bei den vom Insolvenzverwalter durch Masseverkürzung, wozu neben der Schmälerung der Aktivmasse auch die Begründung ungerechtfertigter Masseverbindlichkeiten gehören kann, angerichteten Schäden handelt es sich typischerweise um von allen Insolvenzgläubigern gemeinschaftlich erlittene Schäden i.S.d. § 92 Satz 1. Auch den (vertraglichen) Neugläubigern, die ihren Kontrahierungsschaden gegen die den Insolvenzantrag verschleppenden Geschäftsleiter durch Einzelklagen geltend machen können, fehlt für eine Einzelklage gegen den für eine Masseverkürzung verantwortlichen Insolvenzverwalter die Prozessführungsbefugnis. Dagegen erleiden Aus- oder Absonderungsberechtigte bei Vereitelung oder Beeinträchtigung ihres Rechts einen Individualschaden, dessen Ersatz sie ungestört durch § 92 auch während der Dauer des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzverwalter verlangen können. Gleiches gilt im Ergebnis grundsätzlich auch für die Schädigung eines Massegläubigers. Den Massegläubigern gestattet die InsO ja sogar die Einklagung von gegen den Insolvenzschuldner gerichteten Forderungen während des Insolvenzverfahrens. Erst recht muss dann die Klage gegen einen nicht in der Insolvenz befindlichen Ersatzschuldner zulässig bleiben. Dieser Regelung liegt die Annahme zugrunde, dass die Masse zur Befriedigung aller Massegläubiger ausreicht. Trifft diese Annahme nicht zu und hat der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt (§ 208 Abs. 1), so ist § 92 auf die Ersatzansprüche der Massegläubiger analog anzuwenden, wie ja in diesem Fall auch eine Verteilungsordnung für die gegen die Masse gerichteten Forderungen der Massegläubiger eingeführt wird (§ 209). Der BGH zieht eine solche analoge Anwendung des § 92 nur für solche Schäden in Erwägung ("mag es nahe liegen"), die durch eine Schmälerung der Masse nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit eintreten, nicht aber für Schäden aus einer "Masseverkürzung", die "vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit und damit zu einem Zeitpunkt" erfolgte, "in dem die Masse noch zur Erfüllung sämtlicher Masseverbindlichkeiten ausreichte". Das überzeugt nicht: Damit würde der unerwünschte Wettlauf der Massegläubiger zwar für den Fall einer Masseverkürzung verhindert, die eine bereits eingetretene Masseunzulänglichkeit vertieft, nicht aber für den Fall einer Masseverkürzung, die eine Masseunzulänglichkeit herbeiführt. Das wäre so, als würde man im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 92, also gegenüber Insolvenzgläubigern, den Übergang der Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter auf Fälle einer nach Eintritt der Insolvenzreife erfolgten Masseverkürzung beschränken, diese Befugnis aber bei einer die Insolvenzreife verursachenden Masseschmälerung den Insolvenzgläubigern belassen. Dergleichen befürwortet niemand.
Die Gläubiger von Ansprüchen auf Ersatz eines gemeinschaftlich erlittenen Schadens verlieren auch gegenüber dem Inso...