Dr. Jürgen Blersch, Prof. Dr. Eberhard von Olshausen
Rn 12
Häufig hat die Insolvenz einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit auch die Insolvenz eines (oder mehrerer) ihrer Gesellschafter zur Folge. Sind in beiden Verfahren nicht ohnehin schon verschiedene Personen als Insolvenzverwalter tätig, so dürfte zumindest für die Prüfung der vom Gesellschaftsinsolvenzverwalter nach § 93 geltend zu machenden Ansprüche zur Vermeidung einer Interessenkollision im Insolvenzverfahren des Gesellschafters ein Sonderverwalter zu bestellen sein. Auch bei einer GmbH & Co. KG ist ein isoliertes Insolvenzverfahren über das Vermögen der Komplementär-GmbH nicht überflüssig, da es auch bei einer reinen Komplementär-GmbH zusätzliche Gläubiger, wie z.B. den Steuerfiskus, geben kann.
Streitig ist, ob bei parallelen Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft und über das Vermögen eines Gesellschafters (oder mehrerer von ihnen) der Insolvenzverwalter der Gesellschaft im Insolvenzverfahren gegen den Gesellschafter die Quote auf den vollen Betrag der bei Eröffnung der Gesellschafterinsolvenz (noch) bestehenden Forderung verlangen kann (Prinzip der Doppelberücksichtigung oder Vollberücksichtigung) oder nur die Quote auf den Betrag, mit dem er im Gesellschaftsinsolvenzverfahren ausgefallen ist (Ausfallprinzip). § 212 KO sah für diesen Fall eine bloße Ausfallhaftung vor. Die InsO hat diese Regelung bewusst nicht übernommen. Diese Entscheidung des Gesetzgebers ist trotz ihrer wenig luziden Begründung und trotz der betrüblichen Auswirkungen, die sie für die Privatgläubiger des Gesellschafters haben kann, zu akzeptieren. Damit ist Raum für die Doppelberücksichtigung nach § 43: Der Insolvenzverwalter der Gesellschaftsinsolvenz kann also im Gesellschafterinsolvenzverfahren die Quote auf die volle bei Eröffnung dieses Verfahrens bestehende Haftungsforderung auch dann verlangen, wenn der Gesellschaftsgläubiger inzwischen von der Gesellschaft eine Teilzahlung erlangt hat.
Rn 13
Sonderprobleme ergeben sich in der Doppelinsolvenz von Gesellschaft und Gesellschafter, wenn der nunmehr insolvente Gesellschafter einem Gesellschaftsgläubiger eine Parallelsicherheit, z.B. eine Bürgschaft oder ein Pfandrecht, bestellt hatte. Hier wird von einigen Verfechtern des Ausfallprinzips die Ansicht vertreten, dieses Prinzip gelte nur für die gesellschaftsrechtlich begründete Haftung des Gesellschafters (§ 128 HGB), nicht aber für seine parallele Haftung aus Bürgschaft etc. Dem ist nicht zu folgen. Denn dies würde dazu führen, dass die durch eine Gesellschafterbürgschaft gesicherten Gesellschaftsgläubiger auf Kosten der ungesicherten Gesellschaftsgläubiger und der Privatgläubiger des Gesellschafters eine höhere Quote erlangen, als sie ohne solche Bürgschaft erhalten hätten. Das Ausfallprinzip soll die Privatgläubiger des Gesellschafters schützen als Ausgleich dafür, dass sie das Gesellschaftsvermögen in der Gesellschaftsinsolvenz allein den Gesellschaftsgläubigern überlassen müssen. Bei voller Berücksichtigung der Parallelbürgschaften in der Gesellschafterinsolvenz würden aber auch die durch solche Bürgschaften gesicherten Gesellschaftsgläubiger vom Ausfallprinzip profitieren, und zwar zum Schaden der Privatgläubiger. Eine solche Beeinflussung der Insolvenzquoten durch die Existenz einer Gesellschafterbürgschaft als bloßer zusätzlicher Grundlage für einen gegen dieselbe Person bereits bestehenden Anspruch würde der Bürgschaft ein Gewicht verleihen, das ihr nicht zukommt.
Erst recht nicht akzeptabel ist die ferner vereinzelt vertretene Ansicht, bei einer Gesellschafterbürgschaft (oder einer ähnlichen Gesellschaftersicherheit) mache im Fall der Doppelinsolvenz der Gesellschaftsinsolvenzverwalter in der Gesellschafterinsolvenz nach § 93 den Ausfall geltend, den alle Gesellschaftsgläubiger einschließlich der durch Gesellschafterbürgschaft zusätzlich gesicherten Gläubiger in der Gesellschaftsinsolvenz erlitten haben; daneben solle aber auch der durch Gesellschafterbürgschaft gesicherte Gesellschaftsgläubiger seine Bürgschaftsforderung in der Gesellschafterinsolvenz geltend machen dürfen, und zwar in voller Höhe, nicht nur in Höhe des Betrages, der die vom Insolvenzverwalter der Gesellschaft für ihn in der Gesellschafterinsolvenz angemeldete Ausfallforderung übersteigt. Dies würde in Höhe des Betrages, mit dem der Gesellschaftsgläubiger im Gesellschaftsinsolvenzverfahren ausgefallen ist, gegen das allgemein anerkannte Prinzip verstoßen, dass eine wirtschaftlich identische Forderung in demselben Insolvenzverfahren nicht zweimal geltend gemacht werden darf, schon gar nicht zugunsten derselben Person. Die Folge wäre eine zusätzliche Erhöhung der Quote der durch solche Bürgschaften etc. gesicherten Gesellschaftsgläubiger zulasten der Quote der nicht gesicherten Gesellschaftsgläubiger und der Quote der Privatgläubiger des Gesellschafters. Selbst wenn auf diese Weise dem Insolvenzverwalter die lästige Bildung von Sondermassen (partiell) erspart bliebe,...