Gesetzestext
(1) 1Darf das Insolvenzgericht ein bereits eröffnetes Insolvenzverfahren nach § 3 Abs. 1 nicht fortsetzen, so stellt es von Amts wegen das Verfahren zugunsten der Gerichte des anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union ein. 2Das Insolvenzgericht soll vor der Einstellung den Insolvenzverwalter, den Gläubigerausschuss, wenn ein solcher bestellt ist, und den Schuldner hören. 3Wird das Insolvenzverfahren eingestellt, so ist jeder Insolvenzgläubiger beschwerdebefugt.
(2) 1Wirkungen des Insolvenzverfahrens, die vor dessen Einstellung bereits eingetreten und nicht auf die Dauer dieses Verfahrens beschränkt sind, bleiben auch dann bestehen, wenn sie Wirkungen eines in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union eröffneten Insolvenzverfahren widersprechen, die sich nach der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 auf das Inland erstrecken. 2Dies gilt auch für Rechtshandlungen, die während des eingestellten Verfahrens vom Insolvenzverwalter oder ihm gegenüber in Ausübung seines Amtes vorgenommen worden sind.
(3) 1Vor der Einstellung nach Absatz 1 hat das Insolvenzgericht das Gericht des anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union, bei dem das Verfahren anhängig ist, über die bevorstehende Einstellung zu unterrichten; dabei soll angegeben werden, wie die Eröffnung des einzustellenden Verfahrens bekannt gemacht wurde, in welchen öffentlichen Büchern und Registern die Eröffnung eingetragen und wer Insolvenzverwalter ist. 2In dem Einstellungsbeschluss ist das Gericht des anderen Mitgliedstaats zu bezeichnen, zu dessen Gunsten das Verfahren eingestellt wird. 3Diesem Gericht ist eine Ausfertigung des Einstellungsbeschlusses zu übersenden. 4§ 215 Abs. 2 der Insolvenzordnung ist nicht anzuwenden.
1. Art. 102 § 4 Abs. 1 EGInsO
Rn 1
Wenn in Deutschland ein Hauptinsolvenzverfahren eröffnet wurde, obwohl in einem anderen Mitgliedstaat bereits ein Hauptinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners anhängig ist (etwa aus Unkenntnis des ausländischen Hauptinsolvenzverfahrens oder weil das deutsche Insolvenzgericht irrtümlich eine Zweigniederlassung als Hauptniederlassung gewertet hat), so darf gemäß Art. 102 § 3 Abs. 1 Satz 2 EGInsO dieses Verfahren nicht fortgesetzt werden. Es ist nach Art. 102 § 4 Abs. 1 Satz 1 EGInsO von Amts wegen einzustellen.
Rn 2
Auf die Einstellung findet § 215 InsO (mit Ausnahme des § 215 Abs. 2 InsO, vgl. Art. 102 § 4 Abs. 3 Satz 4 EGInsO) entsprechende Anwendung. Damit wird sichergestellt, dass das ausländische Insolvenzverfahren in Deutschland eine erste öffentliche Bekanntmachung findet. Das Insolvenzgericht hat gemäß § 215 Abs. 1 Satz 1, §§ 31-33 InsO die dort genannten Register zu informieren, so dass dort der Insolvenzvermerk gelöscht werden kann.
Rn 3
Bevor der deutsche Insolvenzverwalter wegen der Einstellung seines Verfahrens sein Amt verliert, muss er gemäß § 209 InsO analog die im Inland begründeten Masseverbindlichkeiten berichtigen. Die Berichtigung muss im Interesse der deutschen Massegläubiger erfolgen, weil sie ihre Vorzugstellung im ausländischen Verfahren eventuell nicht geltend machen können.
Rn 4
Vor der Einstellung soll das deutsche Insolvenzgericht den Insolvenzverwalter, den Schuldner und – gegebenenfalls – den Gläubigerausschuss hören, Art. 102 § 4 Abs. 1 Satz 2 EGInsO. Die funktionelle Zuständigkeit liegt bei dem Richter, nicht bei dem Rechtspfleger, vgl. § 19a Nr. 1 RPflG.
Rn 5
Die Einstellung des deutschen Hauptinsolvenzverfahrens greift trotz der Möglichkeit, ein deutsches Sekundärinsolvenzverfahren zu beantragen, in die Rechte der Gläubiger ein. Sie haben deshalb gemäß Art. 102 § 4 Abs. 1 Satz 3 EGInsO eine Beschwerdebefugnis. Diesbezüglich ist das statthafte Rechtsmittel die sofortige Beschwerde, dies ergibt sich aus der analogen Anwendung des § 216 Abs. 1 InsO.
2. Art. 102 § 4 Abs. 2 EGInsO
Rn 6
Wirkungen des deutschen Insolvenzverfahrens (z. B. §§ 104, 115, 116, 117 InsO, aber auch durch die Restschuldbefreiung oder einen Insolvenzplan), die vor der Einstellung eingetreten sind und nicht auf die Dauer des...