Rn 34
Gegenstand der EuGH-Vorabentscheidung in Sachen Eurofood/Parmalat war auch die Frage, ob der Zeitpunkt der Antragstellung i.V.m. der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ("provisional liquidator") als Verfahrenseröffnung im Sinne von Art. 2 lit. f EuInsVO angesehen werden kann. Nach Ansicht des EuGH ist der Begriff der Verfahrenseröffnung eines Insolvenzverfahrens dahin auszulegen, dass die von einem Gericht eines Mitgliedstaats auf einen entsprechenden, auf die Insolvenz des Schuldners gestützten Antrag auf Eröffnung eines in Anhang A EuInsVO genannten Verfahrens hin erlassene Entscheidung eine Verfahrenseröffnung darstellt, wenn sie den Vermögensbeschlag gegen den Schuldner zur Folge hat und durch sie ein in Anhang C EuInsVO genannter Verwalter bestellt wird. Gemäß Art. 2 lit. b i.V.m. Anhang C EuInsVO gilt der vorläufiger Insolvenzverwalter des deutschen Rechts als Insolvenzverwalter, so dass die Eröffnung eines vorläufigen Insolvenzverfahrens als Verfahrenseröffnung im Sinne von Art. 2 lit. f und 16 EuInsVO anzusehen ist.
Rn 35
Fraglich bleibt jedoch, ob nur die Bestellung eines starken oder auch schon eines schwachen Insolvenzverwalters (nach § 21 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt InsO) den Anforderungen des EuGH entspricht. Obwohl die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bei Bestellung eines schwachen Verwalters beim Schuldner verbleiben, handelt es sich um einen Verwalter im Sinne von Art 2 lit. b EuInsVO, da der Schuldner dessen Zustimmung für die Wirksamkeit seiner Verfügungen bedarf. Des Weiteren besteht im Anhang C EuInsVO keine Binnendifferenzierung: Nur der allgemeine Begriff "vorläufiger Insolvenzverwalter" wird erwähnt.
Rn 36
Dass die Eröffnung eines vorläufigen Insolvenzverfahrens auch als Verfahrenseröffnung anzusehen ist und damit die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat sperrt ist begrüßenswert, da somit der Wettlauf um die frühere Verfahrenseröffnung weitgehend entschärft wird. Zahlreiche Fragen bleiben allerdings offen. Was wird zum Beispiel aus einem Sekundärinsolvenzverfahren, dass nach Bestellung eines vorläufigen Hauptinsolvenzverwalters eröffnet wurde, falls letztendlich die Eröffnung des endgültigen Insolvenzverfahrens abgelehnt wird? Soll nunmehr das Sekundärinsolvenzverfahren als Hauptinsolvenzverfahren weitergeführt oder eingestellt werden? Problematisch ist ferner, dass der vorläufige Insolvenzverwalter nicht berechtigt ist, einen Antrag auf Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens nach Art. 29 lit. a EuInsVO zu stellen.