Gesetzestext
(1) Jeder Gläubiger kann seine Forderung im Hauptinsolvenzverfahren und in jedem Sekundärinsolvenzverfahren anmelden.
(2) Der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens und der Sekundärinsolvenzverfahren melden in den anderen Verfahren die Forderungen an, die in dem Verfahren, für das sie bestellt sind, bereits angemeldet worden sind, soweit dies für die Gläubiger des letztgenannten Verfahrens zweckmäßig ist und vorbehaltlich der Rechts dieser Gläubiger, dies abzulehnen oder die Anmeldung zurückzunehmen, sofern ein solches Recht gesetzlich vorgesehen ist.
(3) Der Verwalter eines Haupt- oder Sekundärinsolvenzverfahrens ist berechtigt, wie ein Gläubiger an einem anderen Insolvenzverfahren mitzuwirken, insbesondere indem er an einer Gläubigerversammlung teilnimmt.
1. Forderungsanmeldung der Gläubiger, Art. 32 Abs. 1
Rn 1
Art. 32 Abs. 1 legt zusammen mit Art. 39 das Recht der Gläubiger fest, ihre Forderungen in jedem EU-Insolvenzverfahren anzumelden. Die in den verschiedenen Insolvenzverfahren erzielten Quoten werden gemäß Art. 20 Abs. 2 angerechnet.
2. Forderungsanmeldung durch den Verwalter, Art. 32 Abs. 2
Rn 2
Die Haupt- und Sekundärinsolvenzverwalter sind berechtigt und grundsätzlich verpflichtet, die in "ihrem" Verfahren angemeldeten Forderungen in dem jeweils anderen Verfahren anzumelden, soweit dies für "ihre" Gläubiger zweckmäßig ist (Art. 32 Abs. 2). Jeder Gläubiger kann eine derartige Zwangsvertretung jedoch ausdrücklich ablehnen oder die vom Verwalter bewirkte Anmeldung zurücknehmen. Allerdings wird das Recht zur Rücknahme den Gläubigern nur dann gewährt, wenn dies auch ansonsten nach dem jeweiligen nationalen Recht möglich ist.
Rn 3
Die Zweckmäßigkeitsprüfung erfolgt nicht im Hinblick auf einzelne Forderungen, sondern vielmehr hinsichtlich aller Gläubiger bzw. einer bestimmten Kategorie von Gläubigern.
Rn 4
Beispiele
- Eine Zweckmäßigkeit wird beispielsweise bejaht werden können, wenn die in dem anderen Verfahren zu verteilende Masse so groß ist, dass auch die nicht bevorrechtigten Gläubiger des Verwalters, der die Zweckmäßigkeit einer Anmeldung prüft, eine Chance haben, eine Quote zu erhalten.
- Eine Zweckmäßigkeit liegt nicht vor, wenn die Anmeldung unwiderruflich zu spät käme.
Rn 5
Die Forderungsanmeldung durch den Verwalter hat dieselbe Wirkung wie die Forderungsanmeldung durch den Gläubiger. Der Verwalter handelt im Namen und anstelle des Gläubigers.
3. Mitwirkungsrechte des Verwalters an dem anderen Verfahren, Art. 32 Abs. 3
Rn 6
Gemäß Art. 32 Abs. 3 kann jeder Verwalter "wie ein Gläubiger" an den anderen Verfahren mitwirken. Ein Verwalter kann insbesondere in dem jeweils anderen Verfahren an Gläubigerversammlungen teilnehmen und dort sprechen.
Rn 7
Mit dem Teilnahmerecht nach Art. 32 Abs. 3 möchte die Verordnung dem häufigen Fernbleiben der ausländischen Gläubiger begegnen.
Rn 8
Die damit für den Insolvenzverwalter verbundenen Befugnisse werden von der Verordnung nicht näher definiert. Offen ist insbesondere, ob der Verwalter über das Äußerungsrecht hinaus die Gläubiger in den Abstimmungen vertreten kann. Im Verlauf der Beratungen zum EuInsÜ hat man sich dagegen entschieden, Bestimmungen aufzunehmen, die dem Verwalter die Ausübung des Stimmrechts für die in einem Verfahren angemeldeten Forderungen erlauben und die gleichzeitige Ausübung des an eine Forderung geknüpften Stimmrechts durch mehrere Verwalter regeln. Die Mitwirkung des Verwalters solle aber durch einzelstaatliches Recht geregelt werden können.
Rn 9
Für das deutsche Insolvenzverfahren kann man an eine entsprechende Anwendung der Grundsätze über die Prozessstandschaft denken. Dabei ist allerdings problematisch, was die Rechtsfolge des Bestreitens ist. Fraglich ist insbesondere, ob dann der Forderungsprätendent gegen den Gläubiger oder den Verwalter auf Feststellung klagen muss. Möglich erscheint es auch, dass der Verwalter durch einzelne Gläubiger bevollmächtigt wird, bei der Gläubigerversammlung abzustimmen.