Schon im Jahr 1967 war bei der Erschaffung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems[1] beschlossen worden, ein endgültiges Mehrwertsteuersystem einzurichten, das innerhalb der Europäischen Gemeinschaft genauso funktioniert wie innerhalb eines einzelnen Mitgliedstaats. Zum 1.1.1993 ist der Europäische Binnenmarkt verwirklicht worden. Da die politischen und technischen Voraussetzungen für ein endgültiges Mehrwertsteuersystem bei Inkrafttreten des Europäischen Binnenmarkes am 1.1.1993 nicht reif waren, wurde eine sog. provisorische Übergangsregelung für die Mehrwertsteuer erlassen, die gemäß den Regelungen der Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL) von einer endgültigen Regelung abgelöst werden muss.[2] Grenzüberschreitende Umsätze innerhalb der EU sollten lokalen Umsätzen umsatzsteuerlich gleichgestellt sein – die Einfuhrbesteuerung wurde durch die Erwerbsbesteuerung abgelöst.

Wie sich an der sog. Mehrwertsteuerlücke ablesen lässt, sind die Regelungen der Übergangslösung zum einen extrem betrugsanfällig und zum anderen zu kompliziert und mit einem stetig steigenden Bürokratieaufwand für grenzüberschreitend tätige Unternehmen verbunden.

Die Kommission hatte am 25.5.2018[3] einen Vorschlag mit Elementen für ein endgültiges Mehrwertsteuersystem für den grenzüberschreitenden Handel zwischen Unternehmen vorgelegt, der auf dem Grundsatz der Besteuerung grenzüberschreitender Lieferungen von Gegenständen im Bestimmungsmitgliedstaat basiert.[4] Startschuss des endgültigen Systems sollte der 1.7.2022 sein. Da allerdings klar war, dass es mehrere Jahre dauern würde, bis das endgültige Mehrwertsteuersystem für den innergemeinschaftlichen Handel umgesetzt ist, sollte eine schnelle Lösung – sog. Quick fixes – u.a. die gesetzlichen Bedingungen für Reihengeschäfte verbessen.

Diese Regelungen sind in den meisten Mitgliedstaaten der EU zum 1.1.2020 umgesetzt worden.

[1] Erste Richtlinie 67/227/EWG des Rates v. 11.4.1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer, ABl. EWG. 71 v. 14.4.1967, S. 1301). Zweite Richtlinie 67/228/EWG des Rates v. 11.4.1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Struktur und Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, ABl. EWG. 71 v. 14.4.1967, S. 1303.
[2] Vgl. 1. Erwägungsgrund Richtlinie (EU) 2018/1910 des Rates v. 4.12.2018 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf die Harmonisierung und Vereinfachung bestimmter Regelungen des Mehrwertsteuersystems zur Besteuerung des Handels zwischen Mitgliedstaaten, ABl. EU v. 7.12.2018, L 311/3.
[3] Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf die Einführung der detaillierten technischen Maßnahmen für die Anwendung des endgültigen Mehrwertsteuersystems für die Besteuerung des Handels zwischen Mitgliedstaaten, COM(2018) 329 final v. 25.5.2018.
[4] Da sich die Mitgliedstaaten bislang nicht auf die Verabschiedung der als sog. endgültigen Systems bekannt gewordenen Vorschläge verständigen konnten, hat die Kommission am 8.12.2022 neue Vorschläge für ein endgültiges System unter dem Begriff ViDA – VAT in the digital age veröffentlicht.

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